Andreas Aumann, BPI: „Interdisziplinäre Fähigkeiten spielen eine große Rolle für neue Berufsbilder“

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Andreas Aumann Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V., Mitglied des Management Board (Kommunikation), © BPI
Welche neuen Berufsbilder braucht Pharma? Andreas Aumann vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) berichtet im Gespräch, welche Berufe und Kompetenzen für die Pharmaindustrie wichtig werden und wie die Branche sich darauf vorbereitet.

Der Fachkräftemangel stellt Pharmafirmen vor Herausforderungen. Zudem erzeugen die Entwicklungen in Sachen KI und Klimawandel Druck auf die Mitarbeitenden, sich neue Expertisen anzueignen. Wie verändern sich Berufe und die Arbeit in der Pharma und wie gehen die Firmen damit um? Ein Gespräch mit Andreas Aumann, Leiter Kommunikation/Pressesprecher, Mitglied des Management Board, Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V.

Health Relations: Können Sie spezifische Beispiele für Berufe nennen, die in den nächsten Jahren besonders gefragt sein werden?

Andreas Aumann: Am bekanntesten ist wohl der Beruf des Bioinformatikers, der sich inzwischen zum Computational Biologist entwickelt hat. Aber auch Berufe wie Digital Health Specialist, Robotik-Ingenieure, Automatisierungsspezialisten und nicht zuletzt auch AI Ethics Specialists werden immer mehr gebraucht.

„Lebenslanges und kontinuierliches Lernen wird noch wichtiger als es ohnehin schon ist.“

Health Relations:  Gibt es eine generelle Ausrichtung, die Sie dahingehend festmachen können?

Andreas Aumann: Generell immer gefragter werden Expert:innen, die sich im Umgang mit Daten auskennen, wie Data Scientist, Data Analyst, Data Engineer sowie CX/UX-Designer und Customer Insight Manager, die sich u.a. um die Analyse des Verbraucherverhaltens kümmern. Auch im medizinischen Bereich gibt es völlig neue Berufe, z.B. Medical Scientific Liaison Manager:innen als kommunikative Schnittstelle und Medical Manager:innen, der die wissenschaftliche und medizinische Leitung im Pharmaunternehmen innehat. Generell werden Steuerung und Überwachung immer wichtiger. Im Marketingbereich werden z.B. vollautomatische und individualisierte Werbekampagnen gefahren. Wichtige Berufsbilder sind hier etwa Digital Consultants, Junior Marketing Manager:innen und Account Manager:innen.

Health Relations: Wie hat die Einführung künstlicher Intelligenz (KI) die Fähigkeiten und Kenntnisse verändert, die von Mitarbeitenden in der Pharmabranche verlangt werden?

Andreas Aumann: Prozesse, die vorher analog abliefen, werden nun digital völlig neu aufgestellt. Die Mitarbeitenden müssen lernen mit Big-Data-Analysen und KI-Anwendungen zu arbeiten.  Dafür müssen gerade technische Kompetenzen und der Umgang mit Daten verbessert oder neu erlernt werden. Lebenslanges und kontinuierliches Lernen wird noch wichtiger, als es ohnehin schon ist.

Health Relations: Welche Rolle spielen interdisziplinäre Fähigkeiten in den neuen Berufsbildern der Pharmaindustrie?

Andreas Aumann: Interdisziplinäre Fähigkeiten spielen eine große Rolle beim Erfolg neuer Berufsbilder. Die Verbindung von Biowissenschaften und Technik spielt schon seit vielen Jahren in der Biotechnologie eine Rolle. Fachkräfte müssen nun auch in der Lage sein, biologische Daten mittels Datenanalyse zu verstehen, zu interpretieren und daraus entsprechende Ergebnisse zu generieren, Weiterentwicklungen anzustoßen. Aber nicht nur der einzelne Beruf oder Studiengang verbindet die Disziplinen auf fachlicher Ebene, auch wird verstärkt in Teams mit Menschen völlig verschiedener Fachrichtung gearbeitet und so komplexe Herausforderungen angegangen. Das wiederum erfordert ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit und Kreativität. Nur so kann ein Team Ideen entwickeln, über kreative Lösungen diskutieren und schließlich durch die Kombination aus dem Wissen aller Fachrichtungen völlig neue Ansätze zu Produkten entwickeln. Diese Interdisziplinarität braucht aber auch die Kenntnis des gesamten Produktzyklusses. Der eigene Blick muss weiter gehen. Forschende müssen die Produktionsverantwortlichen verstehen, die Marketing und Business Developmentabteilung muss die Kollegen in der regulatorischen Abteilung bei der Vermarktung und der Suche nach neuen, auch internationalen Märkten mit einbeziehen.

Was müssen Berufseinsteigende in der Pharmaindustrie können?

Health Relations: Das, was Sie gerade beschrieben haben, erfordert letztlich auch viel Anpassungsfähigkeit von Pharmaunternehmen selbst. Welche Anstrengungen unternehmen die Firmen, um mit dem technologischen Wandel Schritt zu halten?

Andreas Aumann: Alle Mitgliedsunternehmen des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie beschäftigen sich mit dem Bereich Digitalisierung. Sie ist ein wichtiger Faktor auf allen Stufen der Wertschöpfungskette – von Forschung und Entwicklung bis hin zum Thema Arzneimittelsicherheit und Patientenkommunikation. Wir erwarten in den kommenden fünf Jahren weitere Investitionen in Innovationen im Arzneimittelbereich, die teilweise durch digitale Technologien ausgelöst und unterstützt werden. Zum Beispiel mehr Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der Auswertung von Studienergebnissen. Viele Unternehmen nutzen wissenschaftliche Innovationen und digitale Technologien, um neue Medikamente und innovative Behandlungen noch besser und schneller als bisher zu entwickeln und zu verbreiten. Und sie entwickeln speziell auf die Bedürfnisse der Patient:innen zugeschnittene digitale Lösungen, um ihren Alltag zu erleichtern. Dabei kann gerade das Know-how von Tech-Startups und Unternehmen aus der Technologie-Branche helfen. Insofern ist es wichtiger denn je, sich kreativ auszutauschen, ständig lernbereit zu sein und möglicherweise konkret zusammenzuarbeiten.

„Mitarbeiter legen Wert auf die Erkennbarkeit der Sinnhaftigkeit eines Jobs.“

Health Relations: Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie für Berufseinsteigende in der Pharmaindustrie im Kontext der aktuellen Entwicklungen?

Andreas Aumann: Die Herausforderungen in der pharmazeutischen Industrie liegen in der immer größer werdenden Komplexität des regulatorischen Umfelds, der rasanten technologischen Entwicklung, sowie der Globalisierung bzw. den geopolitischen Entwicklungen. Genau hier liegen aber auch die Chancen. Die Pharmaindustrie ist innovativ, sie nutzt neue Technologien, neue Entwicklungen schnell. Karrieremöglichkeiten bieten sich damit in Bereichen wie Forschung und Entwicklung, Produktion, Marketing, Vertrieb, regulatorische Angelegenheiten und mehr. Neue Mitarbeiter im Zuge der rasanten Entwicklung verschiedene Rollen erkunden und ihre Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen weiterentwickeln. Mitarbeiter legen Wert auf die Erkennbarkeit der Sinnhaftigkeit eines Jobs. In der pharmazeutischen Industrie können Mitarbeiter einen Beitrag zur Gesundheit leisten, zum Wohlbefinden der Menschen weltweit.

Health Relations: Wie wirkt sich Nachhaltigkeit und der ökologische Wandel auf neue Berufsprofile in der Pharmaindustrie aus?

Andreas Aumann: Was wir schon jetzt sehen ist, dass sich die Nachfrage nach Expert:innen für die einzelnen Themenbereiche, z.B. Umweltmanagement, Taxonomie, Nachhaltigkeitsberichterstattung, Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, erhöht. Für die pharmazeutische Industrie wird es zukünftig daher immer wichtiger zu werden, Expert:innen zu finden, sie sich zum einen mit den grundlegenden Prozessen und regulatorischen Verpflichtungen der innerhalb der pharmazeutischen Industrie auskennen und diese zudem im Kontext mit den Verpflichtungen im Rahmen der Themen „Umwelt und Nachhaltigkeit“ zu sehen, z.B. bei Verpackungen. Die Expert:innen werden als Querschnittsfunktionen agieren und sollten eng an der Geschäftsführung aufgehängt werden, z.B. als Stabsstelle.

Health Relations: Welche Strategien sollten Pharmafirmen verfolgen, um mit den sich schnell verändernden Anforderungen Schritt zu halten?

Andreas Aumann: Neben der digitalen Transformation, die sicher eine zentrale Rolle spielt, müssen die Unternehmen aber auch ihre Geschäftsmodelle selber anders denken, agiler und flexibler werden. Hier geht es vor allem um die Art der Zusammenarbeit, wie oben beschrieben.  Aber auch die immer stärker werdende Bürokratisierung – Prozesse, Datenanalyse, Datenschutz, Vigilanz usw. – muss dazu führen, dass eher Proaktivität gefragt ist, um Lösungen zu entwickeln, die zur Industrie passen und dennoch gesetzliche Vorschriften einhalten, eine kontinuierliche Überwachung sicherstellen und interne Prozesse an Qualitätsstands anzupassen.

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