Christian Lauterbach, Bayer Vital: Für mich steht die Mitarbeitenden-Entwicklung im Zentrum
Bayer Vital setzt auf innovative Change-Management-Strategien und stärkt die Zusammenarbeit durch künstliche Intelligenz (KI), um die Pharma-Division in Deutschland zukunftsorientiert weiterzuentwickeln. Der neue Geschäftsführer erklärt, wie Bayer durch Kooperationen und digitale Technologien seine Mission „Health for all, hunger for none“ vorantreibt.
Health Relations: Welche zentralen Schwerpunkte planen Sie, als neuer Geschäftsführer der Bayer Vital GmbH zu setzen, um die Pharma-Division in Deutschland voranzubringen?
Christian Lauterbach: Als neuer Geschäftsführer von Bayer Vital liegt mein Fokus darauf, die Mission von Bayer auf Landesebene hier in Deutschland weiter voranzutreiben. Bei Bayer sind wir durch eine Mission vereint: Health for all, hunger for none. Um diese Mission noch stärker in den Mittelpunkt zu rücken, gestaltet Bayer sein Betriebsmodell im Rahmen des neuen Dynamic Shared Ownership-Systems (DSO) um. Ziel ist es, eine produktivere und engagiertere Belegschaft zu fördern, unsere Markteinführungszeit für Innovationen zu verkürzen und gleichzeitig unsere finanzielle Leistung weiter zu steigern.
Health Relations: Wie wollen Sie das konkret erreichen?
Christian Lauterbach: Dies erreichen wir, indem wir Bürokratie abbauen, um Prozesse zu beschleunigen, und uns von traditionellen hierarchischen Strukturen wegzubewegen hin zu einer Kultur, in der Mitarbeiter:innen gestärkt werden, Verantwortung übernehmen und unternehmerisch handeln. Bei Bayer Vital haben wir stets enge Beziehungen zu unseren Kund:innen gepflegt, doch mit unserem neuen DSO-Betriebsmodell werden wir unsere Ergebnisse optimieren, indem wir Produkt- und Kundenteams schaffen, die in Co-Kreation mit unseren Stakeholdern entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammenarbeiten. Kooperationen waren schon immer wichtig, doch die Pandemie hat gezeigt, dass sie auch auf internationaler Ebene entscheidend für eine erfolgreiche Gesundheitsversorgung sind.
„Kooperationen waren schon immer wichtig, doch die Pandemie hat gezeigt, dass sie auch auf internationaler Ebene entscheidend für eine erfolgreiche Gesundheitsversorgung sind.“
Health Relations: Stichwort Kooperationen – welche Bedeutung messen Sie der Zusammenarbeit in der Pharmabranche zu?
Christian Lauterbach: Zusammenarbeit hat schon immer eine zentrale Rolle in der Strategie von Bayer gespielt. Keine Organisation kann eine Mission wie „Health for all, Hunger for none“ alleine erreichen, weshalb Partnerschaften unerlässlich sind, um unsere interne Expertise zu ergänzen. Seit 2020 hat die Pharmasparte von Bayer über 6 Milliarden Dollar in Übernahmen investiert, mit dem Ziel, ein innovatives Ökosystem zu schaffen, die Entwicklungsphasen neuer Medikamente zu beschleunigen und die Zukunft des Gesundheitswesens weiter mitzugestalten.
Health Relations: Können Sie ein konkretes Beispiel dafür nennen?
Christian Lauterbach: Eines der neuesten Beispiele ist ein neues Medikament zur Behandlung von Patienten, die an ATTR CM leiden – einer fortschreitenden und tödlichen Krankheit, die zu Herzversagen führt. Wir haben nun die exklusiven Vermarktungsrechte für Acoramidis in Europa von BridgeBIO erworben. Dies stellt eine äußerst spannende Gelegenheit für Bayer Vital dar, unser ganzheitliches kardiovaskuläres Portfolio weiter auszubauen und Patienten mit Herzkrankheiten zu helfen, die – laut dem Robert Koch-Institut – für 40 Prozent der Todesfälle in Deutschland verantwortlich sind. Internationale Zusammenarbeit ist ebenfalls ein entscheidender Erfolgsfaktor, um den nachhaltigen Erfolg in wegweisenden Bereichen der Pharmaindustrie zu fördern. Nehmen Sie zum Beispiel die Zell- und Gentherapie. Bei Bayer haben wir durch verschiedene Kooperationen bereits eine starke Präsenz in Nordamerika aufgebaut. Und nun planen wir mit unserer Kooperation mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin – die Errichtung des Berlin Center for Gene and Cell Therapies, einem Translationszentrum für Gentherapien und Zelltherapien. Ziel des gemeinsamen Vorhabens ist es, die Behandlungsmöglichkeiten dieser bahnbrechenden Technologien schneller Patient:innen zur Verfügung zu stellen. Zusätzlich wollen wir einen Beitrag dazu leisten, langfristig in Berlin ein führendes Biotech-Ökosystem für neuartige Therapien aufzubauen.
„Wir planen mit unserer Kooperation mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin – die Errichtung des Berlin Center for Gene and Cell Therapies, einem Translationszentrum für Gentherapien und Zelltherapien.“
Health Relations: Treibt auch KI die Notwendigkeit für Kooperationen weiter voran und wie nutzen Sie diese bei Bayer?
Christian Lauterbach: Ja, unbedingt. Künstliche Intelligenz (KI) treibt die Notwendigkeit für Kooperationen weiter voran, da sie es ermöglicht, komplexe Daten schneller zu analysieren und innovative Lösungen zu entwickeln. Bayer nutzt KI und andere digitale Technologien bereits entlang der gesamten pharmazeutischen Wertschöpfungskette, einschließlich der Entdeckung neuer Arzneimittel, klinischen Entwicklung, Pharmakovigilanz, klinischen Entscheidungsfindung und kommerziellen Anwendungen. Diese Technologien haben das Potenzial, die Art und Weise, wie Medikamente entwickelt und an Patient:innen geliefert werden, zu transformieren.
Health Relations: Vermutlich sind auch an dieser Stelle Kooperationen sinnvoll.
Christian Lauterbach: Ja, Bayer hat mehrere strategische Kooperationen geschlossen, um die Nutzung von KI in verschiedenen Bereichen zu maximieren. Beispielsweise hat Bayer mit Recursion Pharmaceuticals eine Zusammenarbeit im Bereich der KI-gestützten Arzneimittelentdeckung, die es ermöglicht, große Datenmengen schnell zu verarbeiten. Eine weitere Kooperation besteht mit Aignostics GmbH, um KI-Modelle zur Identifizierung neuer Krebstherapieziele zu nutzen.
„Bayer hat mehrere strategische Kooperationen geschlossen, um die Nutzung von KI in verschiedenen Bereichen zu maximieren.“
Health Relations: KI soll ja vor allem bei der Datennutzung helfen. Was wird Ihrer Meinung nach benötigt, um das Potenzial der Datennutzung im Gesundheitswesen voll auszuschöpfen und um die Gesundheitsversorgung weiter zu optimieren?
Christian Lauterbach: Um das Potenzial der Datennutzung im Gesundheitswesen voll auszuschöpfen sind FAIR Data notwendig, nämlich „Findable“, „Accessible“, „Interoperable“ und „Reuseable“. Das heißt: Daten aus ambulanter und klinischer Versorgung, aus Studien und Registern sollten also „aufindbar“ sein, „zugänglich“, in der „gleichen Sprache und Bedeutung“ dokumentiert – und auch „wiederverwendbar“ sein. Notwendig ist, schneller einen automatischen und qualitätsgesicherten Datenaustausch über die Primärsysteme der Krankenhaus- und Praxisverwaltungssysteme in die elektronische Patientenakte (ePA) zu garantieren. Bislang ist die ePA in vielen Bereichen noch eine Dokumentenablage und keine Datenbank. Der Weg ist bereits angelegt. Die Umsetzung ist auf der einen Seite Aufgabe der Primärsystemhersteller, andererseits aber auch eine Frage der Qualitätssicherung als Spezifikationsanforderung, sodass z.B. irrtümliche Fehleinträge in Freifeldern systemseitig ausgeschlossen werden. Das Zielbild sollte in eine Echtzeitdatennutzung, so wie aus dem Bankensystem mit dessen Transaktionen bekannt, für die Bürger:innen münden.
„Wir setzen auf ein umfassendes Befähigungskonzept, um die Mitarbeiter:innen und Teams der Bayer Vital in den Veränderungsprozess einzubeziehen und das Verhalten nachhaltig zu ändern.“
Health Relations: Sie haben in Ihrem beruflichen Leben schon viele Veränderungsprozesse gestaltet. Welche spezifischen Change-Management-Strategien planen Sie für Bayer Vital , um die Organisation an die sich schnell verändernden Marktbedingungen anzupassen?
Christian Lauterbach: Wir setzen auf ein umfassendes Befähigungskonzept, um die Mitarbeiter:innen und Teams der Bayer Vital in den Veränderungsprozess einzubeziehen und das Verhalten nachhaltig zu ändern. Dazu bieten wir ein breites Spektrum an Unterstützungsmöglichkeiten an, von sogenannten Immersives bis hin zu gezieltem Coaching. Unser Ziel ist es, die Mitarbeiter:innen in die Lage zu versetzen, die neuen Arbeitsweisen und Denkansätze effektiv zu übernehmen und anzuwenden. Dadurch können wir nah an Kund:innen und am Produkt und mit hoher Geschwindigkeit die Innovationen der Zukunft entwickeln. Zudem werden wir Komplexität reduzieren, wodurch wir langfristig deutlich schneller und schlagkräftiger werden. Wir wollen offen sein für neue Perspektiven, Bestehendes kritisch hinterfragen, uns anders Feedback geben und uns auf unsere Stärken besinnen – als Unternehmen und als Beschäftigte.
Health Relations: Können Sie ein Beispiel für einen erfolgreichen Veränderungsprozess in Ihrer bisherigen Karriere bei Bayer nennen und erläutern, welche Methoden und Ansätze zum Erfolg geführt haben?
Christian Lauterbach: In meiner Vergangenheit bekam ich die Gelegenheit eine Landesgesellschaft zu leiten, welche sehr hierarchisch geführt worden war und die Potenziale der Mitarbeitenden nach meiner Analyse nicht ausgeschöpft wurden. Gemeinsam mit dem Management-Team haben wir uns auf eine Reise begeben für mehr offene Kommunikation, Delegation von Verantwortung und Entscheidungen, gezielte Entwicklung von Talenten und Nutzung der neuen Produkte stärkeren Kundenfokus. All dieses hat nach wenigen Jahren zu einer sehr positiven Dynamik im Team geführt und sich auch im geschäftlichen Erfolg gezeigt.
„Wenn ich Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven zusammenbringe und gemeinsam an einer Mission arbeite, dann entstehen neue kreative Lösungen.“
Health Relations: Was war der prägendste Moment in Ihrer beruflichen Karriere bei Bayer und wie hat er Ihre Sichtweise auf Ihre jetzige Arbeit beeinflusst?
Christian Lauterbach: Ich hatte bereits früh in meiner Karriere die Möglichkeit zur Führung von Teams mit und ohne direkte Personalverantwortung. Diese waren sowohl international wie auch cross-funktional aufgestellt. Ich habe so den Wert von Kollaboration über Grenzen hinweg erfahren können. Wenn ich Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven zusammenbringe und gemeinsam an einer Mission arbeite, dann entstehen neue kreative Lösungen. In diesem Sinne, steht für mich persönlich die Entwicklung jedes einzelnen Mitarbeiters im Zentrum, um den Erfolg von Teams und des Unternehmens sicherzustellen.