Influencer sind ein Trend, der alle Branchen umfasst, sagt Marlis Jahnke. Die Hamburgerin gründete 2014 Deutschlands erste Influencer-Marketing-Plattform – und hat jetzt ein Buch veröffentlicht, in dem sie Spielregeln für Influencer Marketing fordert. Ein Interview.

Influencer auf allen Kanälen. In Deutschland, so eine Studie, existieren rund vier Millionen Markenbotschafter. Für Experten wie HashtagLove-Gründerin Marlis Jahnke sind Influencer die Zukunft in der B2B- und in der B2C-Kommunikation. Sie vernetzen die Zielgruppe mit der Marke. Aber warum hadern dann gerade in der Healthcare-Kommunikation, speziell im B2B-Segment, so viele Unternehmen mit diesem Begriff? "Influencer haben ein Image-Problem", gibt Marlis Jahnke zu. In ihrem jüngst erschienenem Buch mit dem schnörkellosen Titel "Influencer Marketing" greift sie auch dieses Problem auf. Ein Interview über Spielregeln, Definitionen und die Geburt eines neuen Berufsfelds.Health Relations:Frau Jahnke, in Ihrem Buch „Influencer Marketing“ haben Sie eine steile These formuliert: Sowohl in der B2C- als auch in der B2B-Kommunikation wird in Zukunft nichts mehr ohne Influencer Marketing gehen.Marlis Jahnke: Genau. Influencer Marketing ist unstrittig ein Riesentrend. Aber es ist ein Trend, der nicht aufhören wird. Die Basis dieser Entwicklung ist eine nachhaltige Veränderung der Medienlandschaft. Wir alle lesen weniger Zeitung. Schauen weniger TV. Sondern informieren uns über unsere Smartphones. Das Internet ist das Informationsmedium geworden. Und das gerade für die junge Generation. Mit diesem Medienshift ist das Social Web groß geworden. Früher hatten wir Gatekeeper, die die Informationen über die Medien verteilten. Im Social Web kann jeder senden. Das heißt, jeder kann Informationen aufbereiten. Diese Entwicklung ist nicht reversibel. Deshalb wird auch der Influencer nicht weniger relevant. Und dieser Medienshift betrifft alle Branchen. Wenn ich es in Zukunft nicht mehr schaffe, mein Produkt oder meine Marke über die gängigen Kanäle, beispielsweise eine Anzeige in einem Printmagazin, relevant bekannt zu machen, muss ich eben andere Wege suchen und gehen.
"Für mich ist ein Influencer eine im Web präsente Person mit einer relevanten Anzahl an Followern, für die er eine Empfehlungsfunktion einnimmt."
Health Relations:Funktioniert das wirklich für alle Branchen?Marlis Jahnke: Mir ist es unheimlich wichtig, immer wieder zu betonen, wie vielfältig und irrwitzig divers diese Influencer-Welt ist. Thematisch bis hin zu Gender, Alter oder Familienstand. Es ist schade, dass in den Medien Influencer immer sehr einseitig dargestellt werden und immer nur über die Bling-Bling-Dagi-Bees berichtet wird. Das trifft es eben nicht. Health Relations: Könnten Sie das präzisieren? Was trifft es nicht?Marlis Jahnke: Es fällt einfach so viel hinten rüber. Wir fahren stramme, erfolgreiche Kampagnen mit Influencern aus ganz anderen Themengebieten. Seien es Interieur-Tipps. Oder Familie und Gesundheit. Man unterschätzt auch oft, wieviel Liebe und Arbeit Influencer in ihren Content investieren. Ohne damit Geld zu verdienen, zumindest am Anfang. Da steckt so viel Kreativität in diesem Job. Health Relations: Der Begriff Influencer scheint allerdings unklar zu sein. Alternativ sprechen Pharma-Marketers von Ambassadors, Evangelisten, Markenbotschaftern… Würden Sie einmal für uns definieren, was ein Influencer genau ist?Marlis Jahnke: Für mich ist ein Influencer eine im Web präsente Person mit einer relevanten Anzahl an Followern, für die er eine Empfehlungsfunktion einnimmt. Das kann eine Mama-Bloggerin sein. Oder ein starker Twitter-Account, über den jemand regelmäßig über eine bestimmte Therapie oder Krankheit berichtet. Das Besondere ist, dass diese Personen, denen wir im Netz folgen, einen hohen Beeinflussungsgrad auf uns haben. Weil sie anders als Medien nahbarer, authentischer sind. Die wirkliche Kunst in diesem Business, im Influencer Marketing, ist, zu verstehen, dass es Abertausende von Influencern gibt. Eben nicht nur die hippen Mädels. Es gibt, so hat eine Studie errechnet, etwa vier Millionen Influencer in Deutschland. Das ist eine irre Zahl, die aber nachvollziehbar wird, wenn man sich überlegt, wie thematisch vielfältig diese Influencer arbeiten. Beispiel: Eine Frau erkrankt an Brustkrebs, bloggt darüber – und wird zum Influencer für eine ganz spitze, aber hochspannende Zielgruppe. Unsere Aufgabe wird es also sein, die Influencer zu identifizieren. Und je spezieller die Marke, desto defizitärer ist das. Health Relations: Das funktioniert aber sicherlich besser bei der jungen Zielgruppe, oder?Marlis Jahnke: Unstrittig ist, dass Influencer Marketing derzeit vor allem bei der jüngeren Zielgruppe unter 30 Jahren erfolgreich ist. Aber auch das entwickelt sich rasant. Wir haben zum Beispiel sehr interessante Family-Influencer, mit denen wir zusammenarbeiten. Alle Familienmitglieder berichten über ihren Alltag, das sind ganz spannende Konstellationen und für Marken ein durchaus interessantes Umfeld, um präsent zu sein. Damit erreichen wir auch ältere Zielgruppen. Insgesamt wird zudem der Social-Media-Konsum älter. Das sieht man alleine schon an der Nutzerentwicklung bei Facebook, wo heute deutlich ältere Nutzer unterwegs sind als vor fünf oder sechs Jahren. Die jungen User wandern hingegen zu musical.ly, einer aus unserer Sicht sehr spannende Plattform. Health Relations: Stichwort Plattform: Welche Kanäle sind derzeit am gefragtesten?Marlis Jahnke: Seitens der Kunden derzeit ganz klar Instagram. Wir empfinden diesen Kanal inzwischen schon als gar nicht mehr so spannend. Die guten Plätze sind dort bereits ganz gut bespielt, und wir sehen hier nicht mehr das Wachstumspotential, wie wir es beispielsweise bei musical.ly sehen. Dennoch, als Status Quo gilt: Die derzeit wichtigsten Kanäle für Influencer Marketing sind Youtube und Instagram.
"Tatsache ist: Wenn ein Markt ein hohes Wachstum hat, dann stürmen viele Teilnehmer auf ihn; und einige von ihnen hätte man dort gar nicht so gerne gehabt. Vorsichtig formuliert."
Health Relations: In ihrem Buch sprechen Sie von einem Überangebot an Influencern in der B2C-Branche. Umso wichtiger sei es, einen möglichst großen Brand Fit zwischen Marke und Influencer zu recherchieren. Wie verhält es sich im B2B-Bereich? Sprechen wir da auch von einem Überangebot?Marlis Jahnke: Nein. Hier sehe ich ein deutliches Need. Aber nicht, weil es im B2B-Bereich keine Influencer gäbe, sondern weil es vielen Influencern gar nicht bewusst ist, dass sie als genau solche agieren. Wir müssen hier Aufklärungsarbeit betreiben, diese Wissensträger direkt ansprechen, ein Bewusstsein schaffen. Denn eine Zusammenarbeit mit Marken hat ja nicht nur für Unternehmen Vorteile. Sondern auch für den Influencer selber. Indem er spannenden Content bekommt und seine eigene Marke aufwertet. Das müssen wir kommunizieren – auch, um die Skepsis gegenüber der Begrifflichkeit Influencer abzubauen. Health Relations: Skepsis. Gutes Stichwort. Seien wir ehrlich: Influencer Marketing hat ein Image-Problem, oder?
Marlis Jahnke hat ein Buch über Influencer Marketing geschrieben

Das Sachbuch "Influencer Marketing" ist erschienen bei SpringerGabler und sowohl als eBook als auch in gedruckter Form erhältlich

Marlis Jahnke: Ja. Influencer Marketing hat leider tatsächlich ein Image-Problem. Das war auch meine Motivation, dieses Buch zu schreiben. Tatsache ist: Wenn ein Markt ein hohes Wachstum hat, dann stürmen viele Teilnehmer auf ihn; und einige von ihnen hätte man dort gar nicht so gerne gehabt. Vorsichtig formuliert. Ich habe mich Anfang letzten Jahres wirklich über einige Entwicklungen in dieser Branche geärgert. Als Reaktion habe ich versucht, ein Grundlagenwerk zu schreiben. Für mich ist das der erste Schritt auf dem Weg, Spielregeln einzuführen. Ich habe zwölf sehr gute Autoren gefunden, die mit mir gemeinsam den Begriff Influencer beleuchten und zeigen, was geht. Und was nicht. Health Relations: Sie sprechen in ihrem Buch von einem Code of Conduct. Was genau heißt das? Brauchen wir einen neuen juristischen Rahmen?Marlis Jahnke: Die juristische Regelung ist mehr als komplex und spezifiziert. Dieser Rahmen zeigt uns unsere Grenzen auf, oder besser, er schafft einen geschützten Raum, in dem wir tätig sein können. Aber, ja, darüber hinaus plädiere ich für einen Code of Conduct. Influencer-Kommunikation ist etwas sehr Persönliches. Und ich beobachte, dass es durchaus geschieht, dass Influencer ungefiltert Inhalte fehlerhaft kommunizieren. Salopp gesagt: Mist rausposaunen. Ich wünsche mir für diese Branche ein übergreifendes Bewusstsein, eine Art Ethikrat, den der Influencer bei Fragen auch kontaktieren kann. Im Grunde eine Art Stellvertreter für die gute alte Redaktionskonferenz, die mir als Journalist hilft, Themen auszuloten und zu definieren. Ich erlebe immer wieder, dass viele Influencer für eine solche Hilfestellung auch dankbar sind. Es sind ja teilweise auch sehr junge Menschen, die sich ihrer Sendekraft zwar bewusst, aber sehr unsicher sind, wo ihre Grenzen sind. Da galoppiert die oder der eine schon mal übers Ziel hinaus. Aber umgekehrt hoffe ich natürlich auch, dass Unternehmen gut beraten werden und man auch ihnen Grenzen aufzeigt. Dass man also nach klugen ethischen Richtlinien vorgeht.
"Im Healthcare-Bereich wird Influencer Marketing übrigens auch vor dem Hintergrund der stark diskutierten Bewertungsplattformen immer wichtiger."
Health Relations: Wie realistisch ist die Schaffung eines Code of Conducts?Marlis Jahnke: Ein Code of Conduct kann letztendlich nur gelingen, wenn Verbände und weitere Initiativen folgen. Aber daran arbeite ich. Mir ist es wichtig, einen Verbund zu schaffen, der eine seriöse, qualitativ hochwertige, neue Vermarktungsposition schafft. Health Relations: Zurück zu den Influencern selbst. Ich kann mir vorstellen, dass im Bereich Healthcare-B2B-Kommunikation sehr spezielle Influencer gefragt sind. Wie identifizieren sie diese? Was sind das für Menschen?Marlis Jahnke: Ich glaube, dass es keine speziellen Influencer braucht. Denn die wenigsten Influencer sind monothematisch unterwegs. Was sie aber alle auszeichnet, ist der Wille, ihr Leben mit uns zu teilen. Beispiel: Ein Grippevirus geht um. Und ein Unternehmen will auf die Möglichkeit der Impfung hinweisen. Dann schaue ich in unsere Datenbank und suche einen passenden Influencer, der vielleicht gerade jetzt sogar mit Grippe im Bett liegt und glaubwürdig berichtet, dass eine Impfung sich gelohnt hätte. Die Kunst ist es, die richtigen Leute im richtigen Moment zu identifizieren. Das ist das eine. Zum anderen gibt es natürlich klassische B2B-Influencer. Ganz vorneweg die Ärzte, die natürlich einen Riesen-Einfluss haben. Oberste Regel auch hier: Der Influencer muss authentisch über sein Thema berichten können. Im Healthcare-Bereich wird Influencer Marketing übrigens auch vor dem Hintergrund der stark diskutierten Bewertungsplattformen immer wichtiger. Aus meiner Sicht können Influencer hier einen starken Gegenpol setzen. Health Relations: Wie bewerte ich den Wert eines Influencers im Healthcare-Bereich? Das Argument der Reichweite greift hier nicht mehr, oder?Marlis Jahnke: Nein, das Argument der Reichweite wird meiner Meinung nach in dieser Branche eh viel zu hoch bewertet. Was wirklich zählt, ist der Brand Fit. Die Verlässlichkeit, Seriosität, die Interaktion mit den Followern und eine passende Tonalität. Health Relations: Auch Mitarbeiter können als Influencer für ein Unternehmen agieren. Der Bereich Employee Advocacy wächst. Wie identifizieren Sie diese eher versteckten Influencer?Marlis Jahnke: Wir haben durchaus Kunden, die eine relevante Anzahl an Mitarbeitern haben, und für die wir Mitarbeiter als Influencer aktivieren. Die zentrale Frage hier ist, wie wir es schaffen, eigene Mitarbeiter so auszustatten, dass sie Lust bekommen, für das Unternehmen zu agieren. Für diese Maßnahme ist dann natürlich nicht musical.ly oder Instagram der Kanal, sondern LinkedIn oder Xing. Wir bewegen uns dann natürlich in einem anderen, aber hochrelevanten Spektrum.
"Der Influencer muss darauf achten, dass er sauber arbeitet und nicht die unterschiedlichsten Marken bewirbt."
Health Relations: Damit Influencer erfolgreich arbeiten können, muss man ihnen Freiheiten gewähren. Wie nehmen Sie die Bereitschaft von Unternehmen war, die Kontrolle über die Inhalte an Influencer abzugeben?Marlis Jahnke: Die Unternehmen geben gar nicht so viel Kontrolle ab. Sie wissen genau, mit wem sie zusammenarbeiten. Teilweise ist die Zusammenarbeit mit einem persönlichen Kennenlernen verbunden. Und: Je genauer das Briefing ist, desto mehr Freiheiten kann ich dem Influencer geben. Health Relations: Heißt: Das Briefing ist die Basis einer guten Zusammenarbeit?Marlis Jahnke: Genau. Und das wird oft unterschätzt. Das Briefing ist plattform- und produktabhängig. Ein Briefing für einen Twitter-Post ist anders als eines für einen Pinterest-Beitrag. Hinzu kommt ein allgemeines Briefing. Beispiel: Ein Beitrag muss, wenn Geld fließt, als Werbung gekennzeichnet sein. Health Relations: Sie sagten, die meisten Blogger arbeiten eben nicht monothematisch, sondern sind für unterschiedliche Marken tätig. Ist das noch glaubwürdig?Marlis Jahnke: Ein wichtiger Punkt! Der Influencer muss darauf achten, dass er sauber arbeitet und nicht die unterschiedlichsten Marken bewirbt. Heute ein Fahrrad, morgen ein Auto. Dieses Verbiegen zahlt sich nicht aus. Die guten Influencer sind über die Jahre sehr viel sensibler geworden, was den Umgang und die Arbeit mit unterschiedlichen Marken angeht. Genau dieses Bewusstsein ist essentiell für ihre Glaubwürdigkeit. Und auch das ist Inhalt eines Code of Conducts. Health Relations: Abschließend: Ist Influencer für Sie ein normaler Job?Marlis Jahnke: Ja! Für mich sind Influencer Medienschaffende. Ich bin mir sicher, wir werden ganz viele Sprünge erleben, Youtuber werden ins Fernsehen wechseln und umgekehrt. Marlis Jahnke über Influencer Marketing
Marlis Jahnke gründete 2014 Deutschlands erste Influencer-Marketing-Plattform. Damit hatte sie den richtigen Riecher. Jetzt hat sie als Herausgeberin ein Standardwerk zum Thema veröffentlicht.
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