Während in der Forschung und Entwicklung bereits 68 % der Unternehmen KI regulär einsetzen, bleibt das Pharmamarketing weit zurück: Nur 23 % nutzen KI im Alltag. Dabei bietet künstliche Intelligenz hier enormes Potenzial – von personalisierter Kundenansprache über effizientere Prozesse bis hin zu generativen Inhalten. Eine Roland-Berger-Studie beleuchtet den Einfluss von KI auf verschiedene Akteure der Gesundheitsbranche. Wie ist die Lage in der Pharmaindustrie – und welche Handlungsempfehlungen lassen sich für die Zukunft daraus ziehen?

KI wird die gesamte Gesundheitsbranche massiv verändern, davon gehen auch die Autoren der Roland Berger Studie „Future of Healthcare 6“ aus. Aber wie? Und was bedeutet das für die Geschäftsprozesse der Zukunft? „Die meisten Organisationen betrachten KI noch aus der Perspektive, wie sie damit ihre eigenen Prozesse verbessern können“, heißt es in der Studie. Dabei habe gerade die Generative KI (GenAI) das Potenzial, das Ökosystem über Organisationsgrenzen hinweg zum Wohle der Patienten zu verändern. Was das konkret für die Pharmaindustrie und insbesondere für das Pharmamarketing bedeutet, zeigen die folgenden Ausführungen.

KI und das Veränderungspotenzial für Pharma

Evolution oder Revolution, warum ist das überhaupt wichtig? Weil sich daraus der Handlungsdruck für die Pharmaindustrie ableitet. Eine Revolution, also eine schnelle, disruptive Entwicklung und Etablierung von KI-Technologien, erfordert von den Unternehmen schnelle Entscheidungs- und Transformationsprozesse, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen. Eine KI-Evolution nimmt Druck aus dem System und verschafft den Verantwortlichen Zeit für weitere strategische Überlegungen. An ihnen führt kein Weg vorbei. Unabhängig von der Frage, ob wir vor einer Evolution oder einer Revolution stehen, hat KI Auswirkungen auf alle Bereiche entlang der pharmazeutischen Wertschöpfungskette. Die Studie nennt unter anderem:

  •  Forschung und Entwicklung (F&E): Beschleunigte Arzneimittelentdeckung, Entdeckung neuer biokompatibler Materialien, Verbesserung klinischer Studien
  • Produktion und Fertigung: Optimierung der Lieferketten, Effizienzsteigerung in der Produktion, bessere Nachfrageprognosen
  • Marketing und Vertrieb: personalisierte Kundenansprache, verbesserte Kundenkommunikation (KI-gestützte Chatbots), effizientere, kommerzielle Prozesse
  • Veränderung von Arbeitsplätzen und Jobprofilen
  • Strategische Partnerschaften und Kooperationen

✅ Learnings

  • Revolution: Schnelle, disruptive Veränderungen fordern rasche Entscheidungen und Transformation.
  • Evolution: Schrittweise Integration schenkt Zeit für strategische Planung.
  • KI hat Einfluss auf die gesamte Wertschöpfungskette von Pharma
  • Handlungsdruck: Unternehmen müssen sich anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

KI in der Pharmaindustrie: Die aktuelle Lage

Wo und in welchem Umfang wird KI in der Pharmaindustrie eingesetzt? Für die Studie befragte Roland Berger 100 Führungskräfte und eine Vielzahl von Gesundheitsexperten in zwölf Ländern mit unterschiedlichen Schwerpunkten, darunter die USA, Deutschland und Großbritannien. 32 Prozent der Befragten arbeiten in der Pharmaindustrie, jeweils 24 Prozent bei Gesundheitsdienstleistern und Medizintechnikunternehmen und 20 Prozent bei Krankenkassen. Die Frage nach der Situation in der Pharmaindustrie ergab folgendes Bild:

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Am häufigsten wird KI in der Forschung eingesetzt. Viele Unternehmen setzen KI in diesem Bereich bereits im Regelbetrieb ein, teilweise werden bereits Roadmaps für die Integration von KI und GenAI erstellt. Im Pharmamarketing hingegen setzen nur 23 Prozent der Befragten KI bereits im Regelbetrieb ein, 16 Prozent nutzen Piloten. Dabei hat KI auch in diesem Segment ein großes Veränderungspotenzial.

  • Personalisierung: KI ermöglicht durch die Analyse großer Datenmengen eine individuellere Kundenansprache. Dies kann dazu beitragen, Marketingstrategien effektiver auf die Bedürfnisse der Kunden zuzuschneiden.
  • Effizienzsteigerung: KI kann Marketingprozesse beschleunigen und effizienter gestalten, beispielsweise durch die Automatisierung von Routineaufgaben.
  • GenAI für Marketinginhalte: Die Studie erwähnt, dass generative KI (GenAI) eingesetzt werden kann, um menschlich wirkende Texte für die Kundeninteraktion in Echtzeit zu generieren.
  • Predictive Analytics: KI kann Vorhersagen über Markttrends und Kundenbedürfnisse treffen. Durch die Analyse von Daten kann KI helfen, zukünftige Entwicklungen vorherzusagen und Marketingstrategien entsprechend anzupassen.
  • Optimierung der Lieferkette: Im weiteren Sinne kann KI auch die Lieferkette optimieren, was sich indirekt auf das Marketing auswirkt, da Produkte schneller und zuverlässiger geliefert werden können.

Unternehmen, die KI nicht einsetzen, laufen Gefahr, in Bezug auf Innovation und Effizienz zurückzufallen. Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von KI ist die Anpassung der technischen Kompetenzen der Mitarbeiter im Marketing. Die Verantwortung dafür liegt im Wesentlichen bei der Geschäftsführung (C-Level). Der CTO/CIO/CDO spielt dabei eine zentrale Rolle, unterstützt durch spezielle KI-Abteilungen und externe Partner. Der erfolgreiche Einsatz von KI erfordert neben der technologischen Umsetzung auch ein effektives Change Management und die kontinuierliche Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Unternehmen wie Boehringer Ingelheim verfolgen hier bereits interessante Ansätze wie die Implementierung von inhouse IT-Akademien.

✅ Learnings

  • Forschung: Häufigster Einsatzbereich, oft im Regelbetrieb, Roadmaps für GenAI im Aufbau.
  • Marketing: 23 % nutzen KI regulär, Potenziale bei Personalisierung, Effizienz, GenAI-Inhalten und Predictive Analytics.
  • Supply Chain: KI optimiert Prozesse und unterstützt indirekt das Marketing.
  • Erfolgsfaktoren: technische Weiterbildung im Marketing, Verantwortung bei C-Level und KI-Abteilungen, Change-Management und kontinuierliches Lernen
  • Risiko: Ohne KI (AI) droht Rückstand bei Innovation und Effizienz.

Wie groß ist der Handlungsdruck für die Pharmaunternehmen?

  • KI verändert mit hoher Geschwindigkeit die Unternehmensprozesse selbst. Kooperationen sind für Pharmaunternehmen ein Mittel zur Innovation. Dies verändert Organisations- und Kommunikationsprozesse und fördert neue Geschäftsmodelle und Berufsbilder.
  • In der pharmazeutischen Forschung und Entwicklung ist die Akzeptanz von KI sehr hoch. 68 % der Unternehmen setzen KI teilweise in Standardprozessen ein, weitere 29 % befinden sich in der Pilotphase.
  • In der Prävention ist der Einsatz von KI verhalten: 44 Prozent der Befragten testen KI-gesteuerte Technologien, 24 Prozent setzen sie gar nicht ein. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass der Wunsch nach Longvity, der die Prävention mit antreibt, noch ein neues Feld ist und das Fachwissen begrenzt, wenn auch zunehmend vorhanden ist.
  • Die Bereiche Therapie und Pflege weisen eine geringe Adoptionsrate von KI-Technologien auf: In der Therapie erproben 48 Prozent der Befragten den Einsatz, während 36 Prozent noch nicht damit begonnen haben; in der Pflege erproben 44 Prozent den Einsatz, während 40 Prozent noch nicht damit begonnen haben. Die Auswirkungen von KI dürften daher zumindest auf absehbare Zeit vergleichsweise begrenzt bleiben.

Rapid Evolution im Pharmamarketing

Bislang profitiert das Pharmamarketing vor allem von Effizienz- und Produktivitätssteigerungen. Andere Anwendungsfälle werden jedoch mittelfristig zum Standard werden, die Entwicklung ist bereits in vollem Gange und unumkehrbar. Der technologische Fortschritt durch KI kann die Interaktion mit Patienten verbessern und neue Ansätze in der Marktforschung ermöglichen. Technologien entwickeln sich schnell. Das Evolutionstempo ist hoch, man kann von einer Rapid Evolution sprechen. Pharmaunternehmen, die wettbewerbsfähig bleiben wollen, müssen ihre Strategien anpassen und auch das Pharmamarketing einbeziehen.

✅ Learnings

  • Hohe Adoptionsrate: In Forschung und Entwicklung setzen 68 % KI regulär ein, 29 % testen sie.
  • Moderater Fortschritt: In Prävention, Therapie und Pflege ist der KI-Einsatz noch begrenzt (teils < 50 % in Pilotphasen).
  • Rapid Evolution: KI treibt Effizienz, Produktivität und Innovation in der gesamten Wertschöpfungskette voran, mit hoher Geschwindigkeit.
  • Handlungsdruck: Pharmaunternehmen müssen Strategien anpassen, auch im Marketing, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
  • Kooperation und Innovation: Neue Geschäftsmodelle, Jobprofile und bessere Patienteninteraktionen sind die Zukunft.

Fazit

Dies setzt voraus, dass das Management die Relevanz von KI erkennt. Unternehmen sollten sich auf zukünftige Fortschritte in der Datenanalyse und GenAI vorbereiten, die die Gesundheitsversorgung und Kommunikation weiter verändern werden. Sie sollten, so die Empfehlung der Studienautoren, ihre aktuelle IT-Infrastruktur überprüfen, bewerten und kritisch hinterfragen sowie frühzeitig und kontinuierlich in KI investieren. Entscheidend sei dabei die langfristige Perspektive. Im Mittelpunkt aller Marketingaktivitäten sollten weiterhin die Bedürfnisse der Patienten stehen. An ihnen orientiert sich auch die sinnvolle Integration von KI. Denn nicht alles, was möglich ist, ist auch sinnvoll.

Am Ende macht der Mensch den Unterschied. Mitarbeiter, die KI-Tools verstehen und anwenden können, und Allianzen mit Technologieunternehmen könnten in den kommenden Jahren die Spreu vom Weizen trennen.