Was ist nach dem Antikorruptionsgesetz noch erlaubt? Ein Gespräch mit den Rechtsanwälten Philipp Külz und David Rieks aus dem Düsseldorfer Büro der Kanzlei ROXIN Rechtsanwälte LLP.
Die Zusammenarbeit von Ärzten und Pharma-Industrie hat das Antikorruptionsgesetz neu geregelt. Große Unsicherheit besteht auf beiden Seiten – was ist erlaubt, was strafbar?
Health Relations: Das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen ist in Kraft getreten. Was ist neu?Philipp Külz: Insbesondere wurden die Paragrafen 299a und 299b des Strafgesetzbuches neu eingeführt. Demnach droht nun auch selbstständigen Ärzten und Zahnärzten, aber auch anderen Angehörigen eines Heilberufs, eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren – in besonders schweren Fällen sogar bis zu fünf Jahren – wenn sie „korruptive“ Absprachen eingehen.
Bei entsprechendem Fehlverhalten drohen Ärzten und Zahnärzten zudem auch erhebliche berufsrechtliche Konsequenzen, so dass erhebliche Sanktionsrisiken bestehen, die im Ergebnis sogar das Risiko des beruflichen Existenzverlusts bergen können.
Allerdings wurden im Gesetzgebungsverfahren quasi „auf den letzten Metern“ auch einzelne relevante Passagen aus dem neuen Straftatbestand gestrichen, etwa die „Strafbarkeit der Verletzung einer berufsrechtlichen Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit.“
Health Relations: Das heißt was genau?RA Philipp Külz © ROXIN Rechtsanwälte LLP
David Rieks: Mit dem Wegfall dieser Begehungsalternative dürfte das Strafbarkeitsrisiko bei der Verordnung und dem Bezug von innovativen Arzneimitteln und Medizinprodukten deutlich verringert worden sein. Da die Normen § 299a StGB und § 299b StGB eine Wettbewerbsbeeinträchtigung erfordern, dürften solche Handlungen nicht mehr in den Anwendungsbereich der neuen Paragrafen fallen.
Health Relations: Was ist die Konsequenz daraus?
Dieser Tatbestand führt Konsequenzen in Bezug auf Anwendungsbeobachtungen mit sich, die, wenn wissenschaftliche erforderlich angemessen vergütet werden dürfen.
Aus dem Gesetzentwurf gestrichen wurde zudem die Strafbarkeit korruptiver Abreden im Zusammenhang mit der „Abgabe“ von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln sowie Medizinprodukten. Dies dürfte vor allem bei Apothekern für Erleichterung sorgen.
Health Relations: Worauf müssen Pharmafirmen bei Kooperationen mit Ärzten achten?Külz: Belastbare und eindeutige Indizien für die Rechtmäßigkeit von Kooperationen werden sich erst mit der Zeit durch strafgerichtliche Entscheidungen herausbilden.
Unternehmen und Ärzte sollten sich nunmehr verstärkt fragen, ob die von ihnen eingegangenen Kooperationen als korruptive Abreden strafrechtliche Relevanz aufweisen. Wenn es um einen unmittelbaren Austausch von Leistungen geht, rückt vor allem die Frage in den Blickpunkt, ob die gewährte Leistung und die dafür erhaltene Gegenleistung gleichwertig sind. Sobald es zumindest dem Anschein nach gänzlich an einer unmittelbaren Gegenseitigkeit fehlt, ist besondere Skepsis der Ermittlungsbehörden zu erwarten. Um dem Eindruck einer unlauteren Bevorteilung entgegenzutreten, empfehle ich, die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung für jeden Fall der Kooperation transparent und nachvollziehbar zu dokumentieren.
Health Relations: Dürfen Pharmafirmen Ärzte und Zahnärzte also nicht mehr zu Kongressen einladen?Rieks: Nein, eine so umfassende Verbotsaussage kann den neuen Normen nicht entnommen werden. Die Neuregelung will die gängige Praxis sicherlich nicht generell untersagen. Die Pharmaindustrie kann weiterhin Ärzte und Zahnärzte zu Kongressen einladen und Aus- und Fortbildungskosten übernehmen. Strafrechtlich relevant wird es aber, wenn als Gegenleistung für die Kostenübernahme eine unlautere Bevorzugung des „Sponsors“ durch den Arzt beabsichtigt ist – etwa bei einer späteren Bestellung oder Verschreibung von Arzneimitteln.
Health Relations: Dürfen Pharmafirmen Ärzte für Anwendungsbeobachtungen bezahlen?Külz: Was strafrechtlich zulässig ist und was nicht, hängt immer von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab.
Es ist zu erwarten, dass die Strafverfolgungsbehörden eine gewisse Anzahl an Ermittlungsverfahren einleiten werden, um die neuen gesetzlichen Regelungen „mit Leben zu füllen“.Zum Beispiel ist eine Gewinnbeteiligung des Arztes an einem Labor unzulässig, wenn eine spezifische Verweisungspraxis nicht sachlich zu rechtfertigen ist und ein Zahnarzt unmittelbare Vorteile von seinen Verweisungen und den damit erzielten Umsätzen erlangt. Kooperationsvereinbarungen niedergelassener Vertragsärzte mit Krankenhäusern sind nach bereits genanntem Maßstab unrechtmäßig, wenn das vereinbarte Entgelt nicht dem objektiven Wert der erbrachten Leistung entspricht. Diese Grundsätze sind auch bei Anwendungsbeobachtungen zugrunde zu legen. Eine medizinisch-wissenschaftlich erforderliche Anwendungsbeobachtung darf in angemessener Weise vergütet werden. Gleichwohl darf eine Anwendungsbeobachtung sicherlich nicht zu einem Feigenblatt für Zahlungen an den Heilberufsträger werden, denen keine werthaltige Gegenleistung für den Vorteilsgeber zugrunde liegt Aufgrund des skeptischen öffentlichen Blicks auf Anwendungsbeobachtungen werden die Strafverfolgungsbehörden hier fraglos zukünftig sehr genau hinschauen.
Health Relations: Wie groß ist eigentlich das Risiko, bei einer unrechtmäßigen Kooperation „entdeckt“ zu werden?Rieks: Dieses Risiko ist sicherlich nicht zu unterschätzen! Es ist zu erwarten, dass die Strafverfolgungsbehörden eine gewisse Anzahl an Ermittlungsverfahren
RA David Rieks © ROXIN Rechtsanwälte LLP
einleiten werden, um die neuen gesetzlichen Regelungen „mit Leben zu füllen“. Im hochregulierten Bereich der Gesundheitsfürsorge wird zudem oft und regelmäßig kontrolliert und es besteht eine hohe Bereitschaft, Fehlverhalten anzuzeigen. Zudem sind die neuen Regelungen als sogenanntes Offizialdelikt ausgestaltet. Dies bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft auch ohne Strafantrag ermitteln muss, sobald der Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung besteht. Es ist also nicht nötig, dass ein durch Tat betroffener Wettbewerber oder Patienten einen Strafantrag stellt. Potenzielle Korruptionszahlungen werden häufig von den Finanzbehörden bei einer Betriebsprüfung entdeckt, wenn diese – zu Unrecht – steuerlich als Betriebsausgaben verbucht worden sind und sodann an die Strafverfolgungsbehörden gemeldet. Hier werden Betriebsprüfer auch bei Pharmaunternehmen zukünftig sehr genau hinsehen.