„Es geht den jüngeren Ärzten vielmehr um die Frage nach dem Sinn“
Dr. Benedict Carstensen:Mit dieser Frage haben wir von Treatfair uns viel beschäftigt. Mich ärgert es manchmal, dass die jüngere Ärzte-Generation teilweise als „Generation Y“ dargestellt wird, die in der Klinik rebellisch oder egoistisch ist oder sich nur für ihre Freizeit interessiert. Ich glaube, damit tut man dieser Generation Unrecht. Es geht den jüngeren Ärzten vielmehr um die Frage nach dem Sinn. Also, sehe ich einen Sinn in dem, was ich da mache? Wer seine Aufgabe als sinnvoll erlebt, ist auch motiviert. Da ist man schnell bei der Frage, warum jemand Medizin studiert hat. Auch das hat sich in den letzten Jahrzehnten teilweise verändert.
Health Relations: Was für eine Veränderung sehen Sie da konkret?Dr. Benedict Carstensen:Vor 20, 30 Jahren war ein Teil der Motivation auch noch, dass der Arztberuf als sicherer Job galt, man gutes Geld verdient hat und einen gewissen sozialen Status hatte. Heutzutage sind diese Dinge den Studierenden nicht mehr so wichtig. Jetzt geht es vielen eher darum, dass sie Menschen helfen wollen. Wenn man dann in der Klinik anfängt zu arbeiten, rückt dieses Gefühl, dass man Menschen helfen kann, leider oft deutlich in den Hintergrund. Und das macht natürlich unzufrieden. Ein Beispiel ist dieser Dokumentations-Wahn, der in der Klinik auf die Ärzte wartet – das ist für viele genau das, was sie eben nicht machen wollen.
Dr. Benedict Carstensen ist Referent auf dem Operation Karriere-Kongress am 9. November in Köln. An der aktuellen Treatfair-Umfrage haben sich 1.200 Ärzte beteiligt. Das Ranking ermittelt die 100 attraktivsten Krankenhausabteilungen. Am 1. Dezember 2019 startet die nächste Online-Befragung, die von allen Krankenhäusern ausgefüllt werden kann.
Health Relations: Welche Bedürfnisse haben vor allem die jüngeren Ärzte heutzutage?"Generell haben alle Mitarbeiter das Bedürfnis, sich entwickeln zu können."Health Relations: Den jüngeren Ärzten ist eine gute Work-Life-Balance wichtig. Oder doch nicht?Dr. Benedict Carstensen:Auch hier ist der Kontext wichtig: Dass es nicht nur darum geht, dass man möglichst zeitig nach Hause geht, sondern dass Ärzte Ihren Alltag mit vielen Tätigkeiten verbringen, die eben nicht als sinnstiftend empfunden werden. Und dann geht man natürlich lieber früh nach Hause und sucht sich seine Sinnerfüllung im Privatleben. Das darf man aber nicht damit verwechseln, dass den jüngeren Ärzten eine grundlegende Bereitschaft fehlt, auch mal mehr zu arbeiten und Wochenend- oder Nachtschichten zu übernehmen. Generell haben alle Mitarbeiter das Bedürfnis, sich entwickeln zu können. Das ist vor allem bei Ärzten in der Facharzt-Weiterbildung wichtig. Arbeitgeber, die das unterstützen, haben natürlich auch motiviertere Mitarbeiter. Weitere Punkte, auf die heutzutage mehr Wert gelegt werden, sind eine angenehme Arbeitsatmosphäre und ein zwischenmenschlicher Umgang, bei dem sich die Mitarbeiter wertgeschätzt fühlen.
"Ganz konkret könnten Kliniken flachere Hierarchien implementieren."Health Relations: Was können Kliniken tun, um generell die Mitarbeiterzufriedenheit zu steigern?Dr. Benedict Carstensen: Prinzipiell sind viele Maßnahmen möglich – auch kostenneutral. Der erste Schritt ist aber immer die Erkenntnis, dass man sich verbessern möchte. Gerade die Intransparenz, über die wir gerade gesprochen haben, macht natürlich Aussagen möglich wie „Woanders ist es auch nicht besser“. Und das ist natürlich ein Killer für jeden Veränderungswillen. Wenn man etwas verändern möchte, ist es erstmal wichtig, die aktuell vorherrschende Krankenhauskultur zu hinterfragen: also bestehende Hierarchien, Fehlerkultur und die teilweise mangelnde Wertschätzung. Ganz konkret könnten Kliniken flachere Hierarchien implementieren. Das muss nicht heißen, dass der Chef- oder Oberarzt dem Assistenzarzt nicht mehr sagen soll, was er diagnostisch oder therapeutisch zu tun hat. Es geht eher um den Abbau der sozialen Hierarchien und darum, dass trotz fachlichem Machtgefälle Mitarbeiter in einer Arbeitsatmosphäre arbeiten, die von Wertschätzung und Akzeptanz geprägt ist. Wenn Mitarbeitern jetzt noch konkrete Angebote zur Fort- und Weiterbildung gemacht werden, sind Krankenhäuser auf dem besten Weg zu zufriedenen Mitarbeitern.
Dr. Benedict Carstensen ist Referent auf dem Operation Karriere-Kongress am 9. November in Köln. An der aktuellen Treatfair-Umfrage haben sich 1.200 Ärzte beteiligt. Das Ranking ermittelt die 100 attraktivsten Krankenhausabteilungen. Am 1. Dezember 2019 startet die nächste Online-Befragung, die von allen Krankenhäusern ausgefüllt werden kann.