Hybrides Arbeiten ist das „New Normal“. Pharmaunternehmen setzen auf neue Arbeitskonzepte, um Kollaboration und Interaktion zwischen ihren Mitarbeitenden zu stärken. Drei Beispiele zeigen, wie New Work in der Pharmabranche aussehen kann.
Seit Ende April sitzt die Deutschlandzentrale von
AstraZeneca nicht mehr im beschaulichen Wedel, sondern in Hamburg-Bahrenfeld. Zum einen soll der attraktivere Standort Fachkräfte anziehen – 90 offene Positionen hat das Unternehmen derzeit ausgeschrieben. Zum anderen sind die neuen Räumlichkeiten die perfekte Kulisse für ein
neues modernes Arbeitskonzept. Agiles Arbeiten, Kreativität und Dialog sollen in dem urbanen Ambiente einer alten Marzipanfabrik besser gelingen.
Möglich werden soll das über ein von AstraZeneca eigens entwickeltes New-Work-Konzept. Kernidee ist ein
tätigkeitsorientiertes Arbeiten. Was so viel heißt wie: Für alle beruflichen Belange wird die optimale Arbeitsumgebung geschaffen. In dem fünfstöckigen Gebäude finden sich Ruhezonen, Lounges oder Kreativbereiche. Mitarbeitende wie Geschäftsführer:innen suchen sich morgens ihren Wunsch-Arbeitsplatz und können beliebig wechseln. Hierarchien gibt es räumlich gesehen nicht. Will eine Führungskraft in Ruhe telefonieren, geht sie in einen der 51 Telefon-Pods. Möchte ein Kollege während der Videokonferenz Fahrrad fahren, ist das in einem der Besprechungsräume möglich.
AstraZeneca: Mitarbeitende ins neue Arbeitskonzept mitnehmen
Fakt ist: Viele Unternehmen rüsten auf solche New-Work-Konzepte um.
Was sind die Erfolgsfaktoren des Arbeitskonzepts von AstraZeneca?Dr. Dorothee Schoreit, Leiterin HR der AstraZeneca GmbH Deutschland. © AstraZeneca / Michi Schunk
Zum einen: das Basisdemokratische, davon ist Dr. Dorothee Schoreit, Leiterin HR der AstraZeneca GmbH Deutschland, überzeugt. „Das neue Arbeitskonzept wurde von Mitarbeitenden für Mitarbeitende gemacht“, so die langjährige Führungskraft.
Seit rund einem Jahr gibt es Arbeitsgruppen zu Schwerpunkten wie IT, Recht, Office-Infrastruktur oder Service Mobility & Wellbeing. Letztere befasste sich etwa mit Fragen wie „Was brauchen wir für Sportangebote?“ oder „Was soll die Kantine bieten?“
Die Arbeitsgruppe „Change & Kommunikation“ sorgte dafür, dass die komplette Belegschaft immer über alle Ideen, Entscheidungen und Umzugsetappen informiert war. Zu vielen Belangen gab es auch
Umfragen im Intranet, über die jeder Mitarbeitende eigene Vorstellungen einbringen konnte.
Beispiel für neue Arbeitskonzepte: Von anderen Ländern lernen
Ein weiterer Pluspunkt sei
die Erfahrung aus anderen Ländern, so Dorothee Schoreit. Vor allem die AstraZeneca Dependance in Warschau dient als Vorbild und Lernprojekt. Dort wird das tätigkeitsorientierte Arbeiten bereits seit mehr als sechs Jahren gelebt.
Learnings für das neue Hamburger Bürokonzept sind beispielsweise:
• Mehr Pods – also kleine, spontan belegbare Besprechungsräume – zu integrieren. Denn diese werden stark genutzt.
• Oder eine höhere Anzahl an „Spints“ für persönliche Sachen.
• Hinzu kommen
individuelle Bedürfnisse einzelner Teams. Zwar stehen sämtliche Räume grundsätzlich für alle zur Verfügung, sind aber verstärkt auf dem Flur einer Abteilung verortet. „Zum Beispiel nutzt das Marketing häufig Kreativräume“, sagt Dorothee Schoreit. „Bei HR führen wir viele vertrauliche Gespräche, also braucht es mehr geschützte Bereiche.“
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Seit Mai 2022 sitzt AstraZeneca Deutschland in einer alten Marzipanfabrik in Hamburg-Bahrenfeld. © AstraZeneca / Michi Schunk
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Neue Räume und neues Arbeiten am AstraZeneca-Standort in Hamburg. © AstraZeneca / Daniel Sumesgutner
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So sieht tätigkeitsorientiertes Arbeiten bei dem Pharmaunternehmen AstraZeneca aus. © AstraZeneca / Daniel Sumesgutner
Das Homeoffice im neuen Arbeitskonzept optimal einbinden
Trotz aller Rückzugsorte stehen
Austausch und Begegnung in der alten Marzipanfabrik im Fokus. Das, was zu Hause fehlt, soll den Mitarbeitenden hier gegeben werden. Die Logik dahinter ist bestechend: Durch die vielen Möglichkeiten soll eine „Primarily-in-the-Office“-Philosophie entstehen. Denn: „Für Zusammenarbeit und Teamspirit macht es einen Riesenunterschied, ob man sich persönlich sieht und Dinge auf dem kurzen Dienstweg besprechen kann“, sagt die HR-Leiterin.
Dennoch wird an die Zuhause-Arbeitenden gedacht. Um das
Homeoffice optimal einzubinden, befindet sich in den Besprechungsräumen ein gutes IT-Equipment: Große Bildschirme und beste Tonqualität sollen
hybrides Arbeiten auf hohem Niveau möglich machen.
Neues Arbeiten und Nachhaltigkeit: Zwei Fliegen mit einer Klappe
Ein weiteres Zukunftsthema deckt AstraZeneca mit dem neuen Bürokonzept gleich mit ab:
Nachhaltigkeit. Klar ist: Unternehmen müssen nachhaltiger werden und handeln.
- Beim Catering in der Kantine wird auf die Reduktion von Lebensmittelabfällen, Vermeiden von Plastik und regionale Zutaten geachtet.
- Auch papierloses Arbeiten und erneuerbare Energien treibt AstraZeneca mit dem neuen Standort voran, so Dorothee Schoreit.
- Für Mitarbeitende gibt es viele nachhaltige Angebote: Wer will, kann kostenlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen. Viele leasen die Diensträder oder nutzen die Parkplätze mit Ladeinfrastruktur für E-Autos.
- Die Dienstwagenflotte soll bis 2025 komplett auf E-Autos umgestellt werden.
Ist schon alles hundertprozentig fertig? „Nein“, sagt Dorothee Schoreit. „Aber gerade das macht es menschlich und agil. Wenn wir merken, etwas läuft nicht so gut, bessern wir nach.“ Wenn nötig helfen dabei sogenannte
„Change Agents“, die die Veränderungen langfristig begleiten.
New Work heißt bei Bayer "Next Normal Office Concept"
Markus Siebenmorgen, Pressesprecher der Bayer AG in Leverkusen. © Marcus Müller Saran
Auch Bayer rechnet damit, dass jeder Mitarbeitende im Schnitt
zwei bis drei Tage mobil arbeiten wird, so Markus Siebenmorgen, Pressesprecher der Bayer AG in Leverkusen. Auszubildende und Mitarbeitende in Forschungs- und Produktionsbetrieben sollen ebenfalls von mehr räumlicher und zeitlicher Flexibilität profitieren. „Denkbar ist beispielsweise, Fortbildungen, Trainings oder Dokumentationsaufgaben künftig mobil zu erledigen“, so der Pressesprecher.
Eine feste Homeoffice-Obergrenze wird es – laut Unternehmensangaben – nicht geben.
Bereits seit 2019 testete das Unternehmen neue Arbeits- und Raumkonzepte – auch am Firmensitz in Leverkusen (
Health Relations berichtete). Das Pilot-Projekt zeigte, was bereits gut ankam und wo Verbesserungspotenzial bestand. Hinzu kamen
Mitarbeiterbefragungen und Workshops. „Auf Grundlage der Rückmeldungen haben wir beispielsweise ein besseres Buchungstool zur Reservierung von Arbeitsplätzen eingeführt“, so Markus Siebenmorgen.
In den nächsten Jahren will das Pharmaunternehmen die
Büroflächen weltweit sukzessive umgestalten. „Next Normal Office Concept“ – so heißt New Work bei Bayer. Wenn die Mitarbeitenden im Büro sind, sollen auch hier Austausch und Zusammenarbeit das Herzstück sein. Die neue Arbeitsumgebung ist offener und bietet flexible und gemeinschaftliche Bereiche. Das Feedback der Beschäftigten vor Ort sei bislang durchweg positiv.
Gesundheitsschutz bei neuen Arbeitskonzepten mitdenken
Besonders wichtig dabei ist dem Pharmakonzern das Thema Gesundheitsschutz.
Auch zu Hause soll achtsames Arbeiten möglich sein. Seit Beginn der Pandemie unterstützt Bayer seine Mitarbeitenden daher bei der technischen und ergonomischen Einrichtung. „Beschäftigte konnten sich beispielsweise ihren Bürostuhl und weitere Büroausstattung aus dem Betrieb mit nach Hause nehmen oder können für spätere Anschaffungen einen Kostenzuschuss erhalten“, erklärt Markus Siebenmorgen.
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So sehen neue Arbeitskonzepte der Bayer AG am Standort Budapest aus. © Bayer AG
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So sehen neue Arbeitskonzepte der Bayer AG am Standort Budapest aus. © Bayer AG
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Flexible Arbeitsbereiche am Bayer-Firmensitz in Budapest. © Bayer AG
Roche Pharma: Hybrides Arbeiten im „Fritz“
Positive Erfahrungen mit neuen Arbeitskonzepten hat auch das Pharmaunternehmen Roche bereits gesammelt. Im vergangenen Jahr eröffnete das Unternehmen ein Multifunktionsgebäude auf dem Firmensitz in Grenzach-Whylen.
60 Millionen Euro hat die Roche Pharma AG investiert (
Health Relations berichtete). Drei Leitideen setzte der Pharmariese – nach eigenen Angaben – damit in die Tat um: Volle Flexibilität, Transparenz und Hierarchiefreiheit.
Haptisch bedeutet das auch hier: Eine vielseitige Arbeitsumgebung ermöglicht kreatives oder ungestörtes Arbeiten nach Wahl. Im „Fritz“ finden sich Creative Labs, Meeting Hubs und flexible Workstations. Das Büro ist kulturstiftende Begegnungsstätte oder Rückzugsort – je nachdem.
Größere Veranstaltungen sind in einem Forum möglich, das sich aber ebenso gut in drei kleinere Säle umbauen lässt. Flexibilität und Lebendigkeit sind auch hier die Pfeiler für ein
zukunftsgewandtes Bürokonzept, das Menschen zusammenbringen will: Innendienst, Außendienst, Stakeholder:innen und Patient:innen.
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Nordfassade und neuer Hauptzugangsbereich zum Campus der Roche Pharma AG in Grenzach-Wyhlen. © Mark Niedermann
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Neues Arbeiten bei dem Pharmaunternehmen Roche im „Fritz“. © Mark Niedermann
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Flexibel Workstations sind temporäre Arbeitsnischen, die verschoben, kombiniert
und frei im Raum angeordnet werden können. © Mark Niedermann
Fazit: Gelebtes New Work in der Pharmabranche
Der Wandel von statischen Büros in flexible Begegnungsstätten ist auch in der Pharmabranche bereits in vollem Gange. Die
Pharmaunternehmen AstraZeneca, Bayer und Roche Pharma sind
Beispiele für neue Arbeitskonzepte. New Work ist dabei nicht mehr nur Vision, sondern wird vielerorts in moderner Architektur manifestiert. Begegnung, Austausch und soziales Miteinander stehen beim neuen Arbeiten im Fokus. Aber auch Themen wie Nachhaltigkeit und Gesundheitsschutz denken viele Unternehmen gleich mit.