Visuelle Markenführung: Keine Senioren in Sylter Abendsonne

109
Porträt Bestager-Frau im abendlichen Sonnenlicht am Meer. Das Bild ist ein Stockbild, der Beitrag dreht sich um Bildwelt, die nicht austauschbar sind
Bilder verdienen als wertvolle Brand Assets mehr Aufmerksamkeit, sagt Sandra Carolina Mosch. © Spirit Link (Autorenbild) / radekcho, Adobe Stock, generiert mit KI
Die Währung unserer Zeit ist Authentizität. Gerade in einer Welt synthetisch erzeugter Bilder.  Sandra Carolina Mosch, Creative Director bei Spirit Link, kommt es nicht darauf an, ob Stockbild, Shooting oder ein mit KI generiertes Bild verwendet werden – ihr geht es darum, was gezeigt wird. Das soll echt sein.

Ein Manual mit genauen Angaben zur Brand kommt vom globalen Hauptquartier. Ein Blick hinein zeigt: Alles ist wunderbar geregelt. Logo, Farben, Typografie, Bildwelt. Jede Agentur kann sofort losarbeiten. An Logo und Farben wird kundenseitig nicht gerüttelt. Aber da ist dieses unscharfe Thema Bildwelt – und der interpretatorische Spaß beginnt. Dieses Phänomen taucht häufig auf in der Markenführung.
Dabei gehört die Bildwelt zu den wertvollsten Brand Assets. Sie zu verstehen, zu pflegen, in Bildstil und Wirkung richtig einzusetzen, ist wichtig, um die Differenzierung der Marke hochzuhalten.

Über Geschmack lässt sich streiten, über Marke nicht

Die Bildwelt wird immer wieder nicht streng genug umgesetzt. Oft weil sie unterschiedlich interpretiert wird und eine synchronisierende, hütende Instanz fehlt. Dann kommt der Moment des akuten Bildbedürfnisses. Vielleicht für eine neue Anzeige. Bereits verwendete Bilder, intern oft gesehen, werden zu Gunsten von etwas Neuem weggeschoben. Das ist schon der erste Missgriff. Denn Wiederholung im Markt führt zum Aufbau mentaler Wiedererkennungsstrukturen. Stattdessen wird gerne auf generische Stockbilder zugegriffen, weil sie günstig und sofort verfügbar sind. Verständlich, aber in der Markenführung ein grober Fehler. Gerade im onkologischen Bereich sind folgende Bilder beliebt: Images von älteren Herrschaften, spazierend, lachend, mit weit geöffnetem Mund, mit Wollschal, auf Sylt, natürlich im Zuckerlicht der Abendsonne. Spazierend auf Sylt, ist das authentisch? Holt das Onkolog:innen in deren Praxiswirklichkeit ab? Stellt das die Population richtig dar?

„Die Bildwelt wird immer wieder nicht streng genug umgesetzt. Oft weil sie unterschiedlich interpretiert wird und eine synchronisierende, hütende Instanz fehlt.“

Noch ein weiterer, kritischer Gedanke: Die Mehrzahl dieser Bilder wird nachweislich bei Dating-Portalen, Druckservices, Ernährungs-Apps und in weiteren Branchen eingesetzt. Wer ein Anzeigenmotiv in die reverse Bildersuche bei Google legt, wird sich unter Umständen wundern, wo das Bild überall noch Verwendung findet. Dass das Bild einem nicht gehört, ahnte man. Aber die Realität der Reverse Suche kickt anders.

Generative AI? Generische Bilder!

Die Rettung also naht in großen, stochastischen Schritten: generative KIs erzeugen nun aus der Ursuppe des Rauschens fotorealistische Bilder. Das Ergebnis mag nicht mehr dasselbe Bild sein, das auch in der Silver-Ager-Dating-App auftaucht, aber es ist trotzdem ein sehr ähnliches Motiv. Das kann man selbst ausprobieren: Das eben beschriebene Sylt-Bild lässt sich bei MidJourney mit folgendem Prompt kreieren: „older people walking on a beach laughing, in northern Europe, enjoying life at sun set, rim light (style raw, chaos 20, ar 16:9, style 200, weird 300).

Midjourney, KI-generiertes Bild von Best Ager People, um die Glaubwürdigkeit von Bildwelten zu diskutieren
Dieser Prompt wurde im Juni 2024 unter MJ V ausprobiert. Es kann zwischenzeitlich neue Releases gegeben haben. Output kann anders wirken als in diesem Artikel intendiert. Screenshot: KI-generiert, Midjourney (© Spirit Link)

Fazit: Viele Brand Teams werden also darauf kommen, ihre Bildsujets zu synthetisieren – und damit doch nur die immer wieder gleichen Bilder erschaffen. Es geht also im Eigentlichen um den Bildinhalt, und der sollte differierend sein.

Ethik und Synthetik

Die Menschen in KI generierten Bildern haben nie existiert. Eignen sie sich dann als Motiv für Patient:innen? Wie sieht eine onkologische Patientenaufklärung aus, wenn auf jedem Bild der Broschüre das Label „KI generiert“ klebt?

Die Pflicht zu einem solchen Label besteht demnächst für sogenannte „deep fakes“. Im European AI Act regelt der Artikel 52 die Transparenzverpflichtung. Ob auch andere Bilder dieser Regelung folgen müssen, ist derzeit offen (Stand Juli 2024). Die Ethik ist ungeklärt und sorgt an vielen weiteren Stellen für Reibung. Schon länger können Fotografen unter www.haveibeentrained.com prüfen, ob ihre Bilder ungefragt als Trainingsdaten genutzt wurden, und diese für weiteres Training sperren. Die University of Chicago hat mit „The Glaze Project“ spannende Schutzmechanismen wie Nightshade entwickelt, um der Machtassymetrie des Silicon Valey etwas entgegenzusetzen. Nightshade verwandelt Bilder in „vergiftete“ Proben, sodass Modelle, die ohne Zustimmung mit ihnen trainieren, unvorhersehbare Verhaltensweisen erlernen. Zum Beispiel könnte ein Prompt, der nach einem Bild einer fliegenden Kuh fragt, stattdessen das Bild einer schwebenden Handtasche erhalten.

Dies alles wird konterkariert durch eine Studie, die KI generierte Gesichter untersuchte. Das Ergebnis: Synthetische Gesichter sind nicht nur fast ununterscheidbar von echten Gesichtern, sondern werden auch als vertrauenswürdiger wahrgenommen. Das könnte daran liegen, dass sie eher durchschnittlichen Gesichtern ähneln, die als vertrauenswürdiger gelten.

Die Herrlichkeit des Echten

Dies alles im Sinn, bleibt da nicht doch die Flucht zurück zu Getty und Co? Denn immerhin waren die Stock-Menschen zumindest echt und ein Fotograf hat auf einen Auslöser gedrückt. Es hat etwas stattgefunden in den Dünen von Sylt.  Aber eigentlich geht es darum gar nicht. Es geht nicht um das Wie. Ob Stock, Shooting oder KI-generiert, im Grunde geht es um das Was. Um den Bildinhalt, darum, welche Geschichten im Bild authentisch und nahbar erzählt werden sollen. Welche Momente der Verletzlichkeit sollen in einer Prostata Karzinom-Kommunikation visualisiert werden? Mit welchen Bildern stärke ich meine Marke und wie setzte ich mich im onkologischen Segment ab? Was ist die Bildidee, die Szene, der Look?

Das regeln Brand Guidelines. Diese ernst zu nehmen, ist jetzt wichtiger denn je. Auch wenn es verführerisch ist der stochastischen Seite der Macht, also der Synthetik, zu erliegen. Wer jetzt standhaft bleibt und nach dem Echten sucht, das zu seiner Marke passt, bleibt im Vorteil. Und wenn KI: Dann bitte vom Experten, die immer noch das bessere Auge haben. Schon allein, weil Generative KIs auch in aktuellen Versionen gerne aus Händen Fingersalat macht. Die Erfahrung zeigt: Medical gibt das nicht frei.

Hinweis der Autorin: Dieser Text wurde ohne Hilfe von künstlicher Intelligenz geschrieben.

Über die Autorin
Sandra Carolina Mosch ist Creative Director mit 18 Jahren Erfahrung in der Kommunikationsbranche. Ihr Herz schlägt für gute Copy und ungesehene Inszenierungen, vor allem aber für solide Kreationsarbeit, die auf Strategie und Marke fußt. Bei Spirit Link berät sie Kunden zur Markenführung, launcht neue Technologien und lotet im co-kreativen Prozess die Grenzen der eigenen Vorstellungskraft mit generativer KI aus.
Was ist Partner Content?
In dieser Kategorie erscheinen Texte der Content Partner von Health Relations. Healthcare-Agenturen liefern hier Wissen aus erster Hand: praxisnah, aktuell und mit hohem Nutzwert für Produkt- und Marketingmanager:innen in Pharmaunternehmen. Die Content Partnerschaft ist an ein Sponsoring der Marke Health Relations gebunden.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein