Biogen hat mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Erforschung, Entwicklung und im Vertrieb von Medikamenten für Multiple Sklerose. Da lag es nahe, auch eine App für MS-Betroffene zu launchen: "Cleo". Disease Management ist in aller Munde – aber wie genau setzt man so ein Projekt auf?
Disease Management setzt darauf, chronisch Erkrankten (digitale) Tools an die Hand zu geben, um ihnen den Alltag zu erleichtern. Typischerweise sind das Anwendungen, mit denen die Patienten Symptome tracken, praxisnahe Tipps erhalten oder an die Medikamenteneinnahme erinnert werden können. Gleichzeitig kann sich der Anbieter einer solchen App als vertrauenswürdiger Partner präsentieren.
Biogen hat nun die MS-App "Cleo" gelauncht – wir sprachen mit Maria-Theresa Grundler und Peter Hepfinger von Biogen über die Entwicklung, die Marketingmaßnahmen und die Umsetzung.
Health Relations: Warum haben Sie Cleo auf den Markt gebracht?Maria-Theresa Grundler: Als Pionier in den Neurowissenschaften und Marktführer im Bereich der Multiplen Sklerose haben wir eine gewisse Verantwortung, die Betroffenen zu unterstützen und Services anzubieten, die Patienten helfen, ihren Alltag mit ihrer Erkrankung besser bewältigen zu können. Für uns ist Cleo ein langfristiges und vertrauensbildendes Commitment, das Mehrwert schaffen soll. Apps mit Gesundheitsinformationen stehen oft mit einem Produktlaunch in Verbindung und bieten nur ein oder zwei Funktionen an oder werden selten aktualisiert. Unser Ansatz mit Cleo ist, eine komplexe, zeitgemäße und individualisierbare App anzubieten, die den Bedürfnissen der Nutzer gerecht wird. Bisher haben wir lokale Lösungen zur Verfügung gestellt, die spezialisiert und eher einfach gehalten waren. Jetzt fanden wir es an der Zeit, eine umfangreichere Anwendung zu entwickeln.
Health Relations: Wie sind Sie bei der Entwicklung der App vorgegangen?Maria-Theresa Grundler: Vor über einem Jahr gab es eine grundlegende Idee für Cleo und den Wunsch, mit dem globalen Team die „Best in class“-Patientenapp für MS zu launchen. Unsere Marktanalyse ergab: Viele MS-Apps können ein bisschen was, aber keine Anwendung bietet so weitreichende Individualisierungsmöglichkeiten an. Wir haben dann mehrere Prototypen entwickelt, die in Blindtests in Deutschland, Frankreich und den USA vorgestellt wurden – über 120 Patienten und über 40 Healthcare Professionals haben uns immer wieder ihr Feedback gegeben. Dabei haben wir auch die Usability der App berücksichtigt. Ein Prototyp etwa hatte eine Farbigkeit und Kontraste, bei der MS-Patienten mit speziellen Visusproblemen beeinträchtigt waren; das haben wir dann angepasst.
Mit „Wir machen mal eine App“ ist es eben nicht getan.
Health Relations: Wie sollte man sich im Unternehmen aufstellen, um so ein Projekt umzusetzen?Maria-Theresa Grundler: Bei Apps oder anderen digitalen Anwendungen ist es ja oft so, dass etwas einmal veröffentlicht wird, man die Bugs fixed und dann nichts mehr passiert – das soll bei Cleo bewusst nicht so sein. Mit „Wir machen mal eine App“ ist es eben nicht getan. Man sollte seine Ziele definieren und dann prüfen, ob eine App das geeignete Tool dafür ist. Das Entwicklungsteam sollte für eine langfristige Arbeit zusammengestellt werden, um Ressourcen zu sichern und Lösungen entwickeln zu können, die sich im Laufe der Zeit auch verändern können. Uns hat außerdem geholfen, dass wir Experten aus allen Disziplinen wie Entwickler oder Designer in unserem globalen Team haben, die tatsächlich selbst coden und „eine App bauen“ können. Und zuletzt ist eine App für die Anwender gemacht – man muss also kontinuierlich zuhören und das Feedback auch in die Weiterentwicklung einbeziehen.
Wichtig ist auch die richtige Ansprache der User. Das Team hat eine Kampagne entwickelt, deren zentraler Bestandteil ein Video ist. Beim Dreh war eine Patientin vor Ort involviert. Die Betroffene konnte der Schauspielerin genau erklären, wie sich z.B. Visusprobleme tatsächlich auswirken – nicht durch zusammengekniffene Augen, sondern durch fehlenden Fokus. Es hilft Betroffenen, besser von ihrem Umfeld verstanden zu werden, wenn ihre Herausforderungen mit der Erkrankung richtig dargestellt und anerkannt werden. Das Feedback der Influencer, dass wir den richtigen Ton getroffen haben, hat uns daher sehr gefreut.
Health Relations: Gibt es auch schon Feedback von Healthcare Professionals?Maria-Theresa Grundler: Wir arbeiten jetzt schon an den Versionen 1.1 und 1.2 und bekommen fast täglich neue Ideen und Hinweise von den Nutzern. Wir haben zuvor auch Marktforschung betrieben. Gerade Neurologen haben viel auf dem Zettel, und wir dachten ursprünglich, dass die Ärzte für die App nicht so viel Zeit haben – das Feedback ist aber durchweg positiv. Auch die MS-Nurses spielen eine große Rolle, weil sie den Patienten beim Therapie-Management unterstützen – wir haben gerade gestern gehört, dass sich eine Schwester extra ein Tablet zulegen möchte, um Cleo auch selbst nutzen zu können.
Health Relations: Was steckt hinter den Services innerhalb der App?Maria-Theresa Grundler: Der Content kommt von unterschiedlichen Dienstleistern, zum Teil auch von globaler Ebene, den wir lokalisiert haben. Uns ist besonders wichtig, dass die medizinischen Informationen Hand und Fuß haben und zu den unterschiedlichen Bedürfnissen passen: Ein Patient mit einer Neudiagnose benötigt andere Informationen als jemand, der bereits seit 20 Jahren mit MS lebt. Auch die MS-Coaches im Chat sind keine Bots, sondern echte Menschen mit Erfahrung in der MS und in der Patientenbetreuung. Wir kooperieren hier mit einem externen Spezialdienstleister, der auch das MS-Service-Center in unserem Auftrag betreibt.
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Health Relations: Wie haben Sie die Marketingmaßnahmen zum Launch geplant?Peter Hepfinger: Da Cleo sich an alle Menschen richtet, die mit MS zu tun haben, war uns ein breiter Ansatz bei der Kommunikation wichtig. Neben der klassischen Presse- und Fachpressearbeit haben wir auch Laien in den sozialen Medien angesprochen: Vor dem Launchevent haben wir ein Social Listening durchgeführt, um dann gezielt Influencer einzuladen, die sich online über ihr Leben mit MS mitteilen möchten. Wir haben uns gefragt: Wie kann man ein digitales Angebot wie eine App erlebbar machen? Also haben wir die vier Kernfunktionen der App auf dem Event zum Leben erweckt und in der Location vier entsprechende Stationen aufgebaut. Bei der Station „MS-Coach“ etwa saß einer unserer MS-Coaches, die man über die App erreichen kann. An einer weiteren Station konnte man die Trainingsübungen unter Anleitung einer Physiotherapeutin ausprobieren. Und die Rezepte in der App gab es auch zu Mittag – Spinatsalat mit Blaubeeren macht sich auch gut auf Instagram. Zum unserem Blogger-Event hatten wir eine Woche vor dem Launch eingeladen, um einen Spannungsbogen aufzubauen und wertvolle Hinweise der Teilnehmer für die Weiterentwicklung der App aufzunehmen.
Maria-Theresa Grundler ist Senior Manager Patient Services bei Biogen und verantwortlich für die Einführung der Cleo-App in Deutschland.Peter Hepfinger ist Senior Manager Communication bei Biogen und Organisator des Blogger-Events zum Launch von Cleo.