Die Digitalen Gesundheitsanwendungen kommen nur stockend in die Versorgung. Woran liegt das und was brauchen Ärztinnen und Ärzte, damit sie sich bei der Verschreibung sicherer fühlen?
Das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat Zahlen zum DiGA-Verzeichnis und der
Antragstellung bekannt gegeben. Demnach wurden seit Beginn des Fast-Track-Verfahrens 84 Anträge auf eine Aufnahme ins Verzeichnis gestellt. 50 davon bezogen sich auf eine vorläufige Aufnahme und 23 auf eine dauerhafte. Bislang wurden 19 Anwendungen im Verzeichnis gelistet, 38 Anträge wurden von den Herstellern wieder
zurückgezogen und vier vom BfArM
negativ beschieden.
Hauptkritikpunkt des BfArM bei vielen Anträgen war nicht etwa die Datensicherheit, sondern das
Studiendesign. Um den medizinischen Nutzen zu belegen, sind in der Regel randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) erforderlich. Dabei sind RCTs der Goldstandard, allerdings auch relativ aufwendig und somit auch teuer. Interessensvertreter der Hersteller rechnen damit, dass diese die Möglichkeit zur
Nachbesserung nutzen und es dann erneut mit der Aufnahme in das Verzeichnis versuchen werden.
Ärzteschaft zurückhaltend bei DiGA-Verschreibung
Auch die Anzahl der Verschreibungen ist noch ausbaufähig. Laut einer Umfrage von Handelsblatt Inside von Anfang des Jahres unter gesetzlichen Krankenkassen, die 61 Millionen Versicherte vertreten, gaben diese an, rund 3000 digitale Gesundheitsanwendungen auf Rezept freigegeben zu haben.
Eine repräsentative Befragung des Marktforschungsinstitutes YouGov im Auftrag der Siemens Betriebskrankenkasse bestätigt die
verhaltene Nachfrage nach DiGAs. Allerdings zeigt sie auch einen stetigen Aufwärtstrend: Bis Ende April 2021 wurden den über eine Million SBK-Mitgliedern insgesamt 349 DiGAs genehmigt. Ein Viertel davon wurde direkt von der SBK und ohne ärztliche Verordnung durchgewinkt.
Schwieriger Wirknachweis
Dennoch: Der große Verschreibungs-Boom ist ausgeblieben. Woran liegt das? Was lässt Ärztinnen und Ärzte zögern? Ein Problem dürfte sein, dass DiGAs einen
Wirknachweis erbringen müssen. Bei klassischen Medikamenten ist das nicht schwer: Eine Kopfschmerztablette bleibt auch nach vielen Jahren eine Kopfschmerztablette und die etablierten Prozesse, um einen Wirknachweis nachzuweisen, sind auf Medikamente, Impfstoffe oder Geräte ausgerichtet. Digitale Anwendungen hingegen verändern sich laufend. Hinzu kommt, dass Apps häufig auf eine
Verhaltensänderung der Patienten und Patientinnen abzielen. Das erfordert eine Mitarbeit von Behandelnden und Behandelten. Das ist allerdings schwer zu messen.
Ärztinnen und Ärzte fühlen sich schlecht informiert
Für Ärztinnen und Ärzte ist somit der medizinische Nutzen nur schwer nachzuvollziehen. Davon müssen sie sich von Rechts wegen jedoch überzeugen. Um dieses Dilemma aufzulösen, wären
klinische Studien nötig. Diese sind aber teuer und brauchen viel Fachkompetenz im Bereich der evidenzbasierten Digitalmedizin.
Hinzu kommt, dass sich Mediziner und Medizinerinnen häufig nicht genug informiert fühlen. Das offenbarte eine Umfrage der Barmer Krankenkasse unter 1000 Fach- und Hausärztinnen und -ärzten. Die Befragung ergab, dass die meisten Ärztinnen und Ärzte zwar positiv oder zumindest teilweise offen gegenüber DiGAs eingestellt sind.
Doch eine große Mehrheit fühlt sich für die Beratung ihrer Patientinnen und Patienten nicht gut gerüstet und wünscht sich
einen Überblick über das bestehende App-Angebot. Der Vorschlag: kurze
Steckbriefe mit allen relevanten Fakten, die eine Einschätzung der Gesundheitsapps ermöglichen und den Einsatz somit vereinfachen.
Doch wen sehen die Medizinerinnen und Mediziner in der Pflicht, wenn es um die Information über DiGAs geht? Die Umfrage zeigte, dass die Befragten
Standesvertreter, das
BfArM und
Leistungserbringer in der Pflicht sehen, dicht gefolgt von den
App-Herstellern.
Hinzu kommt, dass vor allem viel
Unwissenheit über das Angebot von Apps und deren
Nutzen herrscht. Hier zeigt sich ein interessanter Punkt, an dem die Hersteller ansetzen könnten, um ihre Anwendungen in die Versorgung zu bringen. Sollten diese es schaffen, Ärztinnen und Ärzte besser über diese Aspekte zu informieren, ist anzunehmen, dass es dann auch besser mit deren Verschreibung funktioniert.