Influencer sind einflussreiche Testimonials mit eigener Reichweite. Auch Kliniken können ihre Schwerpunkte in Kooperation mit relevanten Influencern kommunizieren, erklärt Andreas Oertel im Gastbeitrag.
Als PR- und Social-Media-Berater arbeite ich für verschiedene Kliniken und Ärzte. In diesem Bereich spielen traditionelle Medien eine wichtige Rolle, da Menschen tendenziell im höheren Alter krank werden und in diesem Lebensabschnitt eher zur Tageszeitung als zum Tablet greifen.
Trotzdem müssen Krankenhäuser darüber nachdenken, wie sie rechtzeitig die ältere Generation von Morgen erreichen, wenn deren Bedarf an medizinischer Versorgung wächst – zum Beispiel über Influencer.
Kliniken und Krankenhäuser haben mit dem Social-Media-Marketing gute Erfahrungen gemacht, was der
„Gesundheitswirt“ in seinem Blog gut dokumentiert. Auch „Corporate Blogs“, in denen medizinische Einrichtungen Hilfestellungen anbieten, um bei einer späteren Erkrankung im Gedächtnis zu sein, schwappen immer mehr über den großen Teich. Positive Beispiele in diesem Bereich sind sicherlich die
„healthessentials“ der amerikanischen Cleveland Clinic oder der
Blog des Rotkreuzklinikums München.
Kann eine 24-Jährige Influencerin die Darmspiegelung glaubhaft erklären?
Sehr neugierig bin ich, wenn sich Influencer bei uns in der Agentur vorstellen und mit riesigen Reichweiten winken. So erst kürzlich: Yvonne Pferrer verfügt über
955.000 Facebook- und
665.000 Instagram-Follower, ist Schauspielerin, Influencerin und
YouTuberin. Die Idee:
Sie unterstützt uns im Rahmen des Darmkrebsvorsorgemonats, um unsere Klinik für Onkologie bekannter zu machen. Mein Kopf rattert: Sie könnte sich vom Chefarzt eine Darmspiegelung erklären lassen, um Menschen den Schrecken zu nehmen und das Krankenhaus als „Thought Leader“, als Meinungsführer, zu positionieren.
https://instagram.com/p/BhWxAleHdZ_/?utm_source=ig_embed
Aber dann setzt mein Verstand ein:
Bringt es dem Krankenhaus überhaupt etwas, wenn wir bei den eher jüngeren Followern für die Darmkrebsvorsorge werben? Bräuchten wir nicht eher einen Influencer, der Mitte Fünfzig ist, da erst dann die Früherkennung empfohlen wird? Gibt es überhaupt ältere Influencer? Schließlich ist die Disziplin noch eine sehr junge.
Besser: Einen „Beeinflusser“ finden, der passt
Eine kurze Recherche ergibt: Ja, es gibt sie - die
Bloggerinnen im gesetzten Alter. Blog-Suchmaschinen wie
trusted blogs oder Recherche-Tools wie
buzzsumo helfen, nach inhaltlich passenden Persönlichkeiten zu suchen.
Trotzdem ist Vorsicht geboten.
Neben der inhaltlichen Übereinstimmung sollte penibel darauf geachtet werden, was der Influencer sonst so veröffentlicht. Frau Pferrer käme sicherlich für ein Krankenhaus in Frage, um junge Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern. Doch was für eine Auswirkung hat es auf das Image des Krankenhauses, wenn sie sich bei den Olympischen Spielen
mit Bikini im Schnee ablichten lässt? Frau Pferrer ist gewiss eine spannende Persönlichkeit, die sich gut für Botschaften im Consumer-Bereich eignet. Im Healthcare-Bereich sehe ich keine große Schnittmenge.
Auch sollte die eigentliche Botschaft nicht von etwas anderem überlagert werden, wie im Falle des
spanischen Krankenpflegers Fran Suarezs. Der wirbt bei seinen
70.000 Instagram-Followern für den Pflegeberuf, sieht allerdings auch verdammt gut aus. So profitiert das Madrider Krankenhaus ohne Frage in Sachen Bekanntheit, eine kontrollierte Imagebildung der Einrichtung bleibt allerdings auf der Strecke.
Influencer auf dem schmalen Grat zwischen lukrativen Aufträgen und Glaubwürdigkeit
Grundsätzlich lässt sich die Influencer-Szene in zwei Gruppen aufteilen. Die erste Gruppe geht sehr offensiv mit dem Geschäftsmodell „Influencer-Marketing“ um und platziert Produkte und Dienstleistungen sehr präsent auf ihren Social-Media-Kanälen. Im Idealfall weisen sie die Werbebotschaft in Blogs, Videos und/oder Kommentaren ganz klar aus. Schließlich gilt auch im Online-Marketing: Redaktionelle und werbliche Inhalte sollten streng voneinander getrennt werden.
Dann gibt es noch eine zweite Gruppe von Influencern, die etwas in erster Linie aus Überzeugung machen und eher im zweiten Schritt etwas damit verdienen wollen.
Sie sind in der Regel selbst betroffen und Teil der angepeilten Zielgruppe. Samira Mousa hat beispielsweise den Multiple Sklerose-Blog „
chronisch fabelhaft“ ins Leben gerufen. Im
healthrealtions.de-Interview beschreibt sie sehr authentisch und glaubwürdig, wie eine Beziehung zu einem Healthcare-Unternehmen aussehen kann. Von einer Sensibilisierungskampagne, initiiert von Frau Mousa und einer neurologischen Klinik zur Autoimmunkrankheit MS, würden sicherlich beide Parteien profitieren.
Healthcare-Influencer aus den eigenen Reihen
Das Thema Glaubwürdigkeit lässt sich am besten mit Protagonisten besetzen, die einen starken Bezug zu einer Einrichtung haben.
Warum also nicht einen Influencer aus den eigenen Reihen aufbauen? So könnte eine Pflegekraft aus dem Arbeitsalltag berichten, um für eine Karriere im Gesundheitswesen zu werben. Auch Ärzte eigenen sich für den Nebenberuf des Influencers.
„Dr. Johannes“ betreibt zum Beispiel ein Video-Portal, auf dem jederzeit Informationen zu Gesundheit, Krankheit und Medizin bereitgestellt werden. Der Arbeitgeber des charismatischen Arztes, das
UKE Hamburg, darf sich über einen positiven Imagetransfer auf das Krankenhaus freuen.
Die größte Herausforderung bei der Einbindung der eigenen Mitarbeiter ist sicherlich die heutige Arbeitsverdichtung an Krankenhäusern. Der Arzt von heute ist beispielsweise nicht nur Mediziner, sondern auch Betriebswirt und angehender Digitalisierungsexperte. Erst wenn die Patientenversorgung gesichert ist und die Weichen für die Klinik der Zukunft gestellt sind, bleibt vielleicht noch ein bisschen Zeit für die Kommunikation nach außen.
Der „Pinfluencer“ – Patient und Influencer zugleich
Eine nicht zu vernachlässigende Personengruppe in Kliniken und Krankenhäusern sind die Patienten. Auch sie können über ihre hoffentlich positiven Erfahrungen mit einer Einrichtung berichten. So geschehen bei den DRK-Kliniken Nordhessen:
Die an Brustkrebs erkrankte Bloggerin Sabine Kuhnt teilt auf ihrem Blog „doofkrebs“ ihre Sorgen, Nöte und Gedanken in einer sehr direkten und zum Teil humorvollen Art. Für das Krankenhaus ist die Bloggerin die perfekte Botschafterin, die im Rahmen von Patientenveranstaltungen aus ihrem Blog liest und die eigene Community mobilisiert.
Die Einbindung von Patienten birgt sicherlich auch eine Gefahr. Nicht alle Krankenhausgäste sind mit der Behandlung grundsätzlich zufrieden.
Doch sollte sich jedes Krankenhaus fragen, wie es auf den Wegfall der Einbahnstraßenkommunikation und mögliche Kritik reagieren will. Eine klare Empfehlung vieler Kommunikationsprofis: transparent und ehrlich.5 Tipps für das Influcencer Marketing in Krankenhäusern
Krankenhäuser und Influencer wirken zunächst nicht wie die perfekt Symbiose.
Hier trifft Tradition auf einen schnelllebigen Marketingtrend, die „Götter in Weiß“ treffen auf den hippen Blogger. Trotzdem sollten sich Kliniken der Bewegung nicht verschließen, da sich der Patient von morgen nicht mehr über die Bild oder RTL2 erreichen lässt. Wenn Sie ernsthaft darüber nachdenken, in das Influencer-Marketing einzusteigen, berücksichtigen Sie folgende Punkte:
- Rekrutieren Sie Influencer aus dem Krankenhausumfeld. Patienten, Mitarbeiter oder Betroffene wirken glaubwürdiger als „gekaufte Influencer“, die im ersten Gespräch gleich ihren Tagessatz mitteilen.
- Gründlich recherchieren vor der Kontaktanbahnung: Influencer geben viel von sich preis. Nutzen Sie dies, um Ihre Zielgruppe mit seinen Followern abzugleichen. Schauen Sie sich genau an, was der „Beeinflusser“ postet, um zu klären: Passen wir wirklich zusammen?
- Planen Sie eine Langzeitkooperation! Mal schnell ein Imagevideo mit einem Influencer zu realisieren, ergibt keinen Sinn, wenn Sie strategische Ziele verfolgen. Entweder Sie setzen voll und ganz auf Influencer oder Sie lassen es bleiben.
- Nicht zu sehr auf die Reichweite schielen: Die Zahl der Follower, Abonnenten und „Likes“ ist kein Garant für den Erfolg von Influencer-Kampagnen. Konzentrieren Sie sich auf das „Storytelling“, auf eine Geschichte, die Ihre Zielgruppe emotional packt und gerne für Sie verbreitet.
- Take a real-life, helpful approach: Bieten Sie potentiellen Patienten mithilfe eines Influencers eine konkrete Problemlösung an. Der Diabetiker, der Ihren YouTube-Beitrag zum Thema „Ernährung & Diabetes“ gesehen hat, wird sich an Ihre Einrichtung erinnern, wenn er sich eine Insulinpumpe implantieren lassen will.
Beitragsbild: © istock.com/martin-dm