Sprachassistenten erobern immer mehr unserer Lebensbereiche. Aber wie realistisch ist der Einsatz von Alexa im Krankenhaus? In den USA startet jetzt ein Pilotprojekt, das zeigen soll, wie Voice Assistants Ärzte im klinischen Alltag unterstützen können.
Alexa im Krankenhaus: Macht das Sinn? Das
Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles will das in einem Pilotprogramm untersuchen und testet den Einsatz der Alexa-basierten Gesundheitsplattform
Aiva in über
100 Patientenzimmern. Laut eigener Aussage ist Aiva die weltweit erste patientenzentrierte Sprachassistentenplattform für Krankenhäuser.
Eingesetzt werden die Smart Speaker bei Patienten, die entweder nicht mobil sind oder ihre Hände nicht nutzen können. Diese können über die Sprachsteuerung in Notfällen Hilfe anfordern. Der Clou: Der intelligente Assistent leitet die Nachricht an den korrekten Ansprechpartner weiter. Möchte der Patient aufstehen, weil er beispielsweise die sanitären Anlagen aufsuchen möchte, wird sein Anliegen an das Telefon einer Pflegeperson weitergeleitet. Bei Schmerzen und dem Ruf nach medizinischer Hilfe landet der Anruf direkt beim Arzt. Das Fernseh- und Musikprogramm lassen sich ebenfalls per Stimme steuern. Im Cedars-Sinai Medical Center erhofft man sich, dass nicht nur die Qualität der medizinischen Versorgung, sondern auch
die Entlastung des Personals und die
Aufenthaltsqualität der Patienten steigen werden.
Der Einsatz von Alexa im Krankenhaus scheint gerade bei immobilen Patienten Sinn zu machen. "Erhebliches Potential der Sprachassistenten sehe ich in der Pflege und Pflegebegleitung", sagt der Neurophysiologe Olaf Dierker, Akademieleiter der
TLA TeleLearn-Akademie gGmbH. Der Hamburger beschäftigt sich bereits länger mit Alexas Potential als Changemaker in der Wissensvermittlung und -Information und referierte zu diesem Thema unter anderem auf der diesjährigen
Social Media Week. Aus seiner Sicht sind Voice Assistants in Kliniken ein interessantes Tool – mit Einschränkung. "In der Ausbildung kann der
Sprachassistent als Lernunterstützung, wie in jedem anderen Studiengang, hilfreich sein. Für den Arzt, der mit seinen sterilisierten Händen voll zu tun hat, ist die Steuerung von Apparaten über die Sprache sicherlich nützlich. Hier würde ich jedoch die Sprachsteuerung eingebaut im Gerät unabhängig von Amazon, Google und dem Internet wünschen." Dierker spricht aus, was viele denken: Was in den USA als Modellprojekt läuft, ist so in Deutschland nur schwer denkbar – aufgrund des Datenschutzes, der gerade im sensiblen Gesundheitsbereich gesichert sein sollte. Hier besteht noch Klärungsbedarf. Was nicht heißt, dass Sprachassistenten nicht auch in deutschen Kliniken an Attraktivität gewinnen. Im Gegenteil.
Voice Assistants boomen. Auch hierzulande.
Einige
Anbieter bieten beispielsweise bereits eine Anbindung des Krankenhaus-Informationssystems (KIS) an
moderne, webbasierte Lösung an, damit Ärzte auf die Informationen aus dem KIS mobil, also auch am Krankenbett zuzugreifen können. Zusätzlich kann dabei ein Webzugang genutzt werden, der sich mit dem Sprach-Computer von Amazon verbinden lässt. "Die seit Kurzem verfügbare Messaging Funktion von Alexa spielt dem Unternehmen dabei in die Karten. So lassen sich über zuvor festgelegte Kontakte Nachrichten diktieren" schreibt
Frank Stratmann vom
Bundesverband Internetmedizin e.V.. "Was für geschäftige Menschen, die gerade keine freie Hand haben, um ihr Smartphone zu bedienen, eine einfach Erleichterung ist, bietet behinderten Menschen oder beispielsweise auch
Intensivpatienten im Krankenhaus enorme Freiheiten. Hier zeichnet sich eine neue Qualität der Barrierefreiheit ab, die mit Sprachassistenten erreicht werden wird."
Alexa im Krankenhaus mag in Deutschland noch diskutabel sein, das Potential von Sprachassistenten im klinischen Alltag aber wurde und wird bereits erkannt. Kein Wunder: Die Arbeit von Ärzten könnte durch dieses System vereinfacht und zeitsparender gestaltet, die Arzt-Patientenkommunikation verbessert werden. Nicht das schlechteste Argument gerade auch im
Hinblick auf den Fachkräftemangel in Krankenhäusern. Dass Sprachassistenten eine nicht unwichtige Rolle im Zuge der Digitalisierung spielen, zeigt übrigens auch die Tatsache, dass
Ärzte bereits jetzt Spracherkennungssoftware lieben und nutzen, und zwar im Bereich der Dokumentation. Eine
Nuance-Studie am Universitätsklinikum Düsseldorf belegte, dass sich die Dokumentationszeit mit Spracherkennung um 26 Prozent reduziert. Gleichzeitig erhöhte sich die Dokumentationstiefe um 82 Prozent – ein Aspekt, der sich auf die medizinische Versorgung auswirken kann, da mehr und genauere Patienteninformationen erfasst werden. Spracherkennungs-Sofware Anbieter Carsten Marx von
MediaInterface registrierte bereits
2017 den steigenden Bedarf in diesem Segment: "Seit mehreren Jahren wird die Spracherkennung von den Krankenhäusern in allen Bereichen verstärkt nachgefragt." Das läge zum einen sicherlich auch an der immer besseren Software und dem Einsatz von KI, vor allem aber am
Generationswechsel bei den Ärzten. Den Digital Natives fehlen die Berührungsängste. Für sie sind digitale Sprachassistenten wie Alexa und Smartphones selbstverständlich. So selbstverständlich, dass sie diese immer nutzen möchten. Am liebsten hätten diese eben auch unterwegs oder daheim per Smart Speaker, Smartphone und App auf Krankenakten Zugriff, um per Voice Informationen oder Hinweise zur Therapie hinzufügen zu können. Im Kern ist das keine Zukunftsmusik mehr.
Das
Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK) in Stuttgart hat mit
DFC-SYSTEMS eine
einheitliche Sprachlösungsplattform installiert, mit der Ärzte nicht nur in der Klinik, sondern auch von zu Hause und unterwegs direkt ins KIS diktieren können – per verschlüsseltem Smartphone. Alexa muss noch draußen bleiben.