Auf Instagram, YouTube, TikTok und anderen Plattformen kann jeder Mensch mit einer authentisch wirkenden Geschichte zum vermeintlichen Gesundheitsprofi werden. Doch wo sind die echten Mediziner:innen? Gibt es Ärzte und Ärztinnen, die als Influencer:innen in Social Media aktiv sind?
Sarah Kübler über Arzt-Influencer:innen in Soacial Media

Sarah Kübler ist Geschäftsführerin der Agentur HitchOn. © HitchOn

Ja, es gibt sie – und es werden immer mehr. „Vor allem jüngere Ärzte und Ärztinnen haben erkannt, dass der Erstkontakt zu Patient:innen heutzutage oft digital passiert. Und dass man sich der digitalen Diskussion nicht entziehen kann“, sagt Sarah Kübler, Geschäftsführerin der Social-Media-Content-Agentur HitchOn. „Wer dem gefährlichen Halbwissen aus Instagram-Trends und viralen TikTok-Videos begegnen will, muss dahin gehen, wo es manchmal auch wehtut: mitten rein in die Diskussionen der digitalen Communitys.“

Hunderttausende Follower:innen

Zu den Ärzt:innen, die Social Media erfolgreich nutzen, zählen der Gynäkologe Konstantin Wagner, die Dermatologin Emi Arpa oder die Kinderärzte Florian Babor und Nibras Naami.
Arzt-Influencer:innen in Social Media

Konstantin Wagner, Facharzt für Gynäkologie & Geburtsmedizin © Screenshot Instagram 26.08.2023

Sie erreichen Hunderttausende User mit ihren Social-Media-Accounts. Konstantin Wagner informiert unter dem Namen Gynäko.logisch auf YouTube,Instagram und TikTok wöchentlich insgesamt 531.500 Follower:innen über Endometriose, alles rund um die Schwangerschaft, die Pille und viele weitere Themen.
Arzt-Influencer:innen in Social Media

Dr. Emi Arpa, Dermatologin © Screenshot Instagram 26.08.2023

Emi Arpa postet neben persönlichen Fotos aus ihrem Alltag praktische Tipps rund um das Thema Haut und Florian Babor und Nibras Naami sprechen in ihren Videos über Reiseübelkeit, Läuse oder Beikost. „Ihr Video über Reisekrankheit bei Kindern hat auf TikTok bereits über 5,7 Mio. Aufrufe“, so Sarah Kübler.
Arzt-Influencer:innen in Social Media

Account der Kinderärzte Florian Babor und Nibras Naami © Screenshot TikTok 26.08.2023

Gesundheitsthemen einordnen und aufklären

Mediziner:innen können in Social Media aber auch einen fachlichen Beitrag zu teilweise emotional geführten Diskussionen leisten. Sie können Themen einordnen und vor Fehlinformationen schützen. Ein Beispiel: Unter dem Hashtag #Pilleabsetzen teilen viele Frauen ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Absetzen des Verhütungsmittels und erreichen damit zum Teil beachtliche Reichweiten. Aber nicht jeder Content hält einer medizinischen Prüfung stand. Auf diese Weise können sich Falschinformationen verselbständigen oder individuelle Erlebnisse verallgemeinert werden. Hier kommen die Ärzt:innen ins Spiel. Konstantin Wagner, Facharzt für Gynäkologie und Geburtsmedizin, zum Beispiel drehte ein Video zum Thema „Pille absetzen“, um die Diskussion zu versachlichen. Inzwischen ist es sogar das erste Video zu diesem Thema, das auf YouTube angezeigt wird. Das liege auch am Algorithmus, weiß Kübler. „Während der Corona-Pandemie nahmen Verschwörungsmythen und Falschinformationen zu. YouTube reagierte als eine der ersten Plattformen auf Social Media und schuf einen ganz neuen Bereich für Gesundheitsthemen. Eine der Maßnahmen: Profile von Ärzt:innen, Krankenkassen oder Gesundheitsorganisationen können sich nun als verlässliche Quelle für Gesundheitsinformationen bestätigen lassen“, sagt Sarah Kübler. „Videos von diesen Kanälen werden damit bevorzugt angezeigt, unabhängig von Reichweite, Followerzahl oder aktuellen Trends.“ Ein wichtiger Schritt von YouTube, schließlich würden im Internet massenhaft dubiose und zweifelhafte Informationen verbreitet werden, insbesondere im Gesundheitsbereich. „Dutzende Accounts mit 'Doc' im Namen sind auf allen Plattformen zu finden, obwohl sich hinter diesem Titel keine tatsächliche Ärzt:in verbirgt.“

Echte Arzt-Influencer:innen und Mogelpackungen

Umstrittenstes Beispiel in Deutschland ist laut Kübler der mit 1,9 Millionen Abonnent:innen sehr erfolgreiche Gesundheitskanal „Liebscher und Bracht“. Das Ehepaar Roland Liebscher-Bracht und Petra Bracht versprechen mit ihren physiotherapeutischen Behandlungen eine bis zu 90-prozentige Linderung der Beschwerden von schmerzgeplagten Menschen. Roland Liebscher-Bracht, Gesicht des YouTube-Kanals, ist ursprünglich ausgebildeter Maschinenbauer. Eine medizinische Ausbildung hat er nicht. Petra Bracht ist Allgemeinmedizinerin. Sarah Kübler betont: „Studien oder publizierte Daten, die den Erfolg der Methode und der Produkte von Liebscher-Bracht zeigen oder auch nachvollziehbar machen, gibt es aber nicht.“ Das berichtete unter anderem der WDR-Podcast „Quarks: Science-Cops“. Das Beispiel zeigt, dass kompetente und seriöse Ärzt:innen in Social Media eine wichtige Funktion einnehmen können. Wie aber können sie Reichweite generieren, ohne an Seriosität zu verlieren? Kann ein Arzt oder eine Ärztin wie ein:e Influencer:in agieren? Nein. Und ja.

Fachgruppen in Social Media

Ärzt:innen müssen selbsternannten Expert:innen und Influencer:innen nicht das Feld auf Instagram und TiKTok überlassen. Wenn sie sich auf die digitalen Schauplätze einlassen, können sie große Reichweiten erzielen und Vertrauen aufbauen. Profile wie das der Dermatologin Dr. Emi Arpa sind dabei auch optisch kaum von dem einer typischen Beauty-Influencerin zu unterscheiden. „Die stilbewusste Medizinerin hat es verstanden, sich auf die Kommunikationsweise einer neuen Generation einzulassen“, sagt Sarah Kübler. Dermatolog:innen sind besonders häufig auf Instagram zu finden. Ebenfalls stark vertreten sind Kinderärzt:innen. Besonders werdende Eltern stehen vor einer Vielzahl von Fragen und Unsicherheiten. Auch Allgemeinmediziner:innen nutzen den Kanal, zum Beispiel Dr. Felix Berndt (doc.felix).
Arzt-Influencer:innen in Social Media

Allgemeinmediziner Felix Berndt © Screenshot Instagram 26.08.2023

Er ist auf Instagram und TikTok aktiv. Unkompliziert, lebensnah, der Arzt, dem die TikToker vertrauen. https://www.tiktok.com/@doc.felix/video/7265742154750758176?lang=de-DE Das Verhältnis zwischen einem Influencer und einem Follower sei das Verhältnis, das sich ein Arzt zu seinen Patienten wünschen würde, sagt Felix Berndt in einem Beitrag im Handelsblatt.

Fazit

Das ist interessant. Die digitale Ära verändert die Art und Weise, wie junge Ärzt:innen mit ihren Patient:innen und der Öffentlichkeit interagieren und wie medizinisches Wissen verbreitet wird. Social Media schafft Nähe und der Arzt oder die Ärztin kann ihre Funktion als Vertrauensperson weiter ausbauen. Die erfolgreichen Arzt-Influencer:innen haben ein Gefühl für das Medium, das sie nutzen. Sie haben Spaß daran. Das ist wohl eine der Voraussetzungen für den Erfolg. Für Pharmaunternehmen können sie wichtige Partner und Partnerinnen sein, wenn es um Awareness und Aufklärung über Gesundheitsthemen und Fake News geht. Digital oder analog: Der Arzt und die Ärztin bleibt die Schlüsselperson in der Gesundheitskommunikation.