Die PJler in deutschen Krankenhäusern klagen über eine zu starke Arbeitsbelasung, mangelnde Betreuung und unzureichende Bezahlung. Die Folge: potenzielle Mitarbeiter werden verprellt. Was muss sich also ändern? Health Relations hat beim Klinikum Mutterhaus in Trier nachgefragt.

Health Relations: Eine kürzlich veröffentliche Umfrage des Marburger Bunds ergab, dass PJler oft unzufrieden sind. Wie erklären Sie sich das?

Prof. Dr. Dorothee Decker © Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen

Prof. Dr. Dorothee Decker: Grundsätzlich ist es immer so, dass die Erwartungen der Jungärzte mit denen eines Klinikums oder gar des gesamten Gesundheitsbetriebs erst übereinkommen müssen. Trotzdem gibt es berechtigte Unzufriedenheiten, die mit dem System der Ausbildung zusammenhängen. Grundsätzlich gibt es für die PJ-Ausbildung keine Vergütung. Die Krankenhäuser bieten zwar Kost und Unterbringung und es können Dienste übernommen werden, die auch bezahlt werden (Learn&Earn), aber ansonsten müssen sich die jungen Leute anderweitig finanziell unterstützen lassen. Im Klinikum Mutterhaus wird, um diese Unzufriedenheit abzumildern, eine Vergütung ermöglicht, die wie der Höchstsatz Bafög ist. Astrid Lentes: Da sind die engen Zeitfenster der Dienste, die teils kompromisslos geforderten Anstrengungen in der Patientenversorgung. Daran müssen sich die jungen Menschen erst gewöhnen. Aber auch der klinische Betrieb muss mit den neuen Generationen arbeiten lernen. Die Diskussion über die sog. Y-Generation hat ja gezeigt, dass das Paradigma des immer verfügbaren Arztes mit den teils überhöhten Merkmalen (Stichwort: Götter in Weiß) nicht mehr gültig ist. Das erfordert von allen Beteiligten eine neue Positionierung. Der dritte Punkt ist sicher auch der Ärztemangel, der bei allen in dieser Berufsgruppe eine Arbeitsverdichtung und damit auch eine Unzufriedenheit verursachen kann.
"Auch der klinische Betrieb muss mit den neuen Generationen arbeiten lernen."
Health Relations: Ihnen liegt das Wohl der PJler besonders am Herzen. Warum ist das so wichtig für Sie?Prof. Dr. Dorothee Decker: In einer zugewandten und kollegialen Atmosphäre können Menschen besser lernen. Wir brauchen gute Ärzte und haben natürlich ein ureigenes Interesse, dass unsere PJ-Studierenden sich wohl fühlen. Außerdem will sich das Akademische Lehrkrankenhaus mit seinen vielfältigen medizinischen Abteilungen von seiner besten Seite zeigen, damit die ärztlichen Nachwuchskräfte auch bei uns bleiben. Für ein Unternehmen sind die besten Erfolgs-Voraussetzungen, seinen Nachwuchs selbst auszubilden. Health Relations: Was kann ein Krankenhaus tun, damit sich die PJler wohl fühlen?

Astrid Lentes ©  Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen

Astrid Lentes: In erster Linie steht die reibungslose Organisation der Ausbildung im Vordergrund. Wenn alles funktioniert, die Unterbringung, die Freizeiten, die Fahrten nach Hause, die Vergütung, die Vorlesungen und die Praxisbegleitung durch die fest angestellten Ärzte, sind das schon mal die besten Voraussetzungen für ein Wohlfühlen. Wir bieten unseren PJlern auch interessante Learn&Earn-Dienste, kulturelle Aktivitäten und für alle Nöte, Probleme und Fragen sympathische Ansprechpartner, die immer ein offenes Ohr haben. Health Relations: PJler klagen auch über eine mangelnde Begleitung der Ausbildung. Was tun Sie hier?Prof. Dr. Dorothee Decker: Die betreuenden Ärztinnen und Ärzte treffen sich regelmäßig und tauschen ihre Erfahrungen aus.  Das Organisationsbüro des Akademischen Lehrkrankenhauses organisiert die Lehrveranstaltungen so nah an den Gegebenheiten der Studenten wie es geht. Die Leiterin des Akademischen Lehrkrankenhauses hilft mit, dass die Zusammenarbeit und die Ausbildungsbegleitung zugewandt laufen.  Also letztendlich ist die persönliche Betreuung und die Beratung der jungen Menschen in allen Lebenslagen entscheidend für die Zufriedenheit. Mittlerweile ist allen Ärzten in unserem Klinikum klar, wie wichtig der medizinische Nachwuchs ist.
"In einer zugewandten und kollegialen Atmosphäre können Menschen besser lernen."
Health Relations: Welche Reaktionen erhalten Sie von den PJlern?Prof. Dr. Dorothee Decker: Es gibt ja eine kontinuierliche Evaluation der Tertiale, die wir auch sorgfältig auswerten. Da wir mit den jungen Menschen immer in Kontakt sind, erfahren wir frühzeitig, wo es hakt und können auch intervenieren. Die Reaktionen auf unsere Bemühungen sind sehr positiv und dass es nicht in jeder Abteilung gleich gut und reibungslos läuft, weiß jeder vorher. Insofern sind wir mit den Reaktionen unserer Studierenden sehr zufrieden, da sie konstruktiv sind und wir daraus lernen. Health Relations: Was wünschen Sie sich von Ihren PJlern?Astrid Lentes: In erster Linie wollen wir gerne, dass die auszubildenden Ärzte bei uns bleiben. Aber auch, dass sie sich einbringen, Fragen stellen und ihr Lernen aktiv mitgestalten. Das ist nicht nur wichtig für sie selbst, sondern auch für unser Klinikum. Selbstverständlich wollen wir auch weiterempfohlen werden. Eine wunderbare Erleichterung wäre es, wenn die PJ-Studenten ihre gesamte Ausbildung bei uns verbringen könnten. Die Möglichkeit, die Ausbildungsorte zu wechseln – mehrmals im Jahr – bringt viel Unruhe und erfordert eine straffe und gute Organisation. Wir sind sehr froh mit den PJlern und wünschen uns, dass wir sie mit ihrer frischen und unkomplizierten Art als Mitarbeiter unseres Hauses gewinnen können. Prof. Dr. Dorothee Decker ist Fachärztin für Chirurgie und Beauftragte für die 30 Männer und Frauen, die jedes Jahr ihr Praktisches Jahr am Klinikum Mutterhaus absolvieren.Astrid Lentes ist medizinische Fachangestellte und organisiert das Praktische Jahr im Klinikum Mutterhaus. ______________________________________________________________________

Die Studie

Deutschen Kliniken geht es immer noch nicht gut, jedoch ging es ihnen auch schon einmal wesentlich schlechter. Aktuelle Untersuchungen zeigen jedoch deutlich, woran es in der deutschen Krankenhauslandschaft krankt:  Es fehlt an Fachkräften und das Personal, das es gibt, ist unzufrieden. So auch die PJler, also angehende Mediziner, die ihr praktisches Jahr im Krankenhaus absolvieren.
Zu viel Arbeit und nur unzureichende Betreuung
Eine Studie, die kürzlich der Marburger Bund herausgab, zeigt, dass sich PJler oft als Lückenbüßer fühlen. Nicht selten werden sie benutzt, um Personalmangel auszugleichen. Ein Großteil (63 Prozent) der Befragten gab an, zwischen 40 und 50 Wochenstunden in der Klinik zu arbeiten. Bei 8 Prozent lag die Arbeitsbelastung sogar bei 50 bis 60 Wochenstunden. Gut ein Fünftel erfährt durch Dienste außerhalb der täglichen Anwesenheitszeit eine zusätzliche Belastung.
Hinzu kommt, dass sich viele der Befragten allein gelassen fühlen. Mehr als ein Drittel der Medizinstudenten werden nicht von einem Mentor oder einem Lehrbeauftragten fachlich betreut. 15 Prozent bewerteten die Qualität der Lehre als unbefriedigend oder schlecht, 18 Prozent als sehr gut und 39 Prozent als gut. Immerhin konnten 88 Prozent der PJler an Unterricht oder Seminaren teilnehmen.
 
Schlechte Bezahlung
Ein weiterer Kritikpunkt der PJler: Sie werden ihrer Meinung nach oft nur unzureichend oder gar nichtentlohnt. Ganze 17 Prozent der befragten angehenden Mediziner erhielten überhaupt kein Gehalt. Das ist durchaus rechtens, denn grundsätzlich gibt es für die PJ-Ausbildung keine Vergütung. Dennoch sollten sich Krankenhäuser im Hinblick auf den Fachkräftemangel überlegen, wie sie die Arbeitszufriedenheit der künftigen Mediziner steigern können. Das wird sicher nicht leicht, angesichts der immer noch angespannten wirtschaftlichen Lage vieler Kliniken.
Betrachtet man Zahlen in Bezug auf die finanzielle Situation der Krankenhäuser, so stehen diese laut dem aktuellen Krankenhausratingreport, der jährlich von RWI und der Institute for Healthcare Business GmbH (hcb) in Kooperation mit Deloitte erstellt wird, immer noch nicht rosig da. Die Untersuchung zeigt, dass sich die finanzielle Lage deutscher Krankenhäuser 2015 im Vergleich zum Vorjahr leicht verschlechtert hat. Dennoch ging es ihnen immer noch besser als im Jahr 2012, das in jüngster Vergangenheit den wirtschaftlichen Tiefpunkt markierte. Der Report basiert auf einer Stichprobe von 506 Jahresabschlüssen aus dem Jahr 2014 und 201 Abschlüssen auf dem Jahr 2015. Sie umfassen insgesamt 877 Krankenhäuser.
Die Verfasser des Reports weisen jedoch ausdrücklich darauf hin, dass der Fachkräftemangel einen Anstieg der Lohnkosten zu Folge haben wird. Soll heißen: Wenn es weniger Fachkräfte gibt, muss man die, die da sind, besser bezahlen, damit sie bleiben. Dass das auch für PJler gilt, haben Prof. Dr. Dorothee Decker, Leiterin des Akademischen Lehrkrankenhauses und Astrid Lentes vom Organisationsbüro beim Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen erkannt. Im Interview erklären sie, wie sie eine gute Betreuung der PJler bewerkstelligen.