Die Personalberatung mainmedico erstellt jährlich einen Index mit ärztlichen Fachrichtungen, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt am stärksten nachgefragt werden. Im Interview verrät Dr. Martin, wie man sich als Arbeitgeber bei der Suche nach stark umworbenen Fachärzten positioniert.
Health Relations: Herr Dr. Martin, Sie betreiben die Personalberatung mainmedico, die auch Ärzte coacht und bei Arbeitsplatzwechseln berät. Hat die klassische Stellenanzeige bei der Suche nach Fachärzten ausgedient?
Mit dem BIG AWARD werden jedes Jahr die besten ärztlichen Stellenanzeigen im Deutschen Ärzteblatt prämiert. Hier eine Anzeige, die gewonnen hat: Gesundheit Nord Klinikverbund Bremen/Agentur: AWS Personalmarketing.
Dr. Martin: Nein, die klassische Stellenanzeige hat nicht ausgedient. Es gibt inzwischen aber eine große Vielfalt an Medien, in der sie veröffentlicht werden kann. Neben den Printmedien sind dies die Online-Stellenmärkte und die Karriereportale von Kliniken oder Klinikgruppen.
Dabei haben bei Chefarzt- und Oberarztausschreibungen die Printmedien wie das Deutsche Ärzteblatt immer noch eindeutig die Nase vorn. Bei Assistenzarzt- und Facharztstellen dominieren Online-Stellenmärkte.
Health Relations: Wenn ein Klinikum Sie beauftragt, eine offene Stelle zu besetzen – wie gehen Sie vor, um eine geeignete Kandidatin bzw. einen geeigneten Kandidaten zu finden?Dr. Martin: Im Prinzip über drei Wege: Einmal durch Direktkontakte. Das heißt, Ärzte und Ärztinnen, die auf Stellensuche sind oder eine Karriereberatung wünschen, wenden sich direkt an uns. Dann durch Stellenanzeigen, die wir für unsere Auftraggeber schalten. Da wir vorwiegend auf der Oberarzt- und Chefarztebene tätig sind, schalten wir die meisten
Anzeigen im Deutschen Ärzteblatt. Drittens gewinnen wir Kontakte auch durch die Direktansprache oder die Nutzung unseres informellen Netzwerks.
Health Relations: Mainmedico vermittelt keine Fachärzte aus dem Ausland. Hat das einen speziellen Grund?Dr. Martin: Wir konzentrieren uns auf den deutschen Markt, da haben wir eine langjährige Expertise. Wenn man sich darum kümmern möchte, Ärzte aus dem Ausland zu gewinnen, muss man im Ausland ein Netzwerk aufbauen und sich entsprechend aufstellen. Diese Frage hat sich uns nicht gestellt, zumal die Vermittlung von ausländischen Ärzten auf der Oberarzt- und Chefarztebene nicht so eine große Rolle spielt. Es werden eher
Assistenzärzte und Fachärzte aus dem Ausland vermittelt.
Health Relations: Jedes Jahr erstellen Sie den sogenannten Facharztindex. Mit diesem Index wird berechnet, wie viele Fachärzte rein rechnerisch auf eine Stellenanzeige im Deutschen Ärzteblatt entfallen. So kann festgestellt werden, in welchen Facharztbereichen die Stellenbesetzung aufgrund weniger Bewerber besonders schwierig ist. Bei den Fachärzten für Hygiene und Umweltmedizin und für Psychosomatische Medizin war die Bewerberdecke im letzten Jahr besonders dünn. Welchen Expertenrat können Sie einem Klinikum geben, das auf der Suche nach Ärzten und Ärztinnen genau dieser Fachrichtungen ist?
Dr. Martin: Um die genannten Stellen zu besetzen, sollten Krankenhäuser
frühzeitig mit der Suche nach geeigneten Kandidaten beginnen. Am besten schon ein Jahr bevor die Stelle besetzt werden soll. Das gilt auch für Assistenzarztstellen, denn hier ist ja bekannt, wann ein Vertrag endet. Wir machen oft die Erfahrung, dass die Häuser zu spät reagieren. Da ist der Assistenzarzt schon weg, und dann wird erst ein Nachfolger gesucht. Man muss also weit im Voraus planen.
Wichtig ist es zudem, in die hauseigene Fort- und Weiterbildung zu investieren, um die benötigten Fachärzte selbst ausbilden zu können und unabhängiger von den Engpässen auf dem Arbeitsmarkt zu sein.Health Relations: Gerade wird an den Unikliniken Düsseldorf und Essen u.a. für mehr Personal gestreikt. Immer wieder beschweren sich Ärzte über die aufreibenden und langen Arbeitsschichten in den Kliniken. Ist das ein wehleidiges Lamento der verwöhnten Generation Y, oder hat die Ökonomisierung des Klinikmanagements die Lage immer weiter verschärft? Dr. Martin: Ja, die Ökonomisierung der Medizin und die zunehmenden Personalengpässe – das betrifft nicht nur den ärztlichen, sondern auch den pflegerischen Bereich – haben zu einer enormen Leistungsverdichtung in den Abteilungen geführt. Darunter leiden alle Hierarchiestufen. Oberärzte müssen beispielsweise mehr Führungs- und Managementaufgaben übernehmen, aber auch in die Bresche springen, wenn Assistenzärzte fehlen.
Beim Stellenwechsel muss das Gesamtpaket stimmen.
Health Relations: Welche Wünsche äußern Oberärzte und Chefärzte, die auf der Suche nach einer neuen Stelle sind?Dr. Martin: Beim Stellenwechsel muss das Gesamtpaket stimmen. Dazu gehören das fachliche Profil der Abteilung, die eigenen Entwicklungsmöglichkeiten, die Arbeitsatmosphäre, das Gehalt, sowie der Standort und das soziale Umfeld. Wobei die einzelnen Komponenten individuell unterschiedlich stark gewertet werden können.
Health Relations: Gab es den aktuellen Personalnotstand bereits in früheren Jahren?Dr. Martin:Die TOP 10 des Facharztindex 2017 haben schon seit einigen Jahren massive Probleme, Facharztstellen zu besetzen. Das sind in erster Linie die Fachgebiete aus dem Spektrum
Psychiatrie und Psychosomatik, dann die
nicht kurativen Fachgebiete wie Hygiene und Umweltmedizin oder Laboratoriumsmedizin, aber auch einzelne
Teilgebiete in der Inneren Medizin, wie die Pneumologie oder Gastroenterologie. Dabei haben die Fachgebiete aus dem Spektrum der Psychiatrie und der Psychosomatik und die nicht kurativen Fachgebiete enorme Nachwuchsprobleme, weil sie von den Ärztinnen und Ärzten bei der Wahl der Weiterbildung zu wenig berücksichtigt werden. Um hier gegenzusteuern, wären die Hochschulen gefragt, um die Präsenz der Fachgebiete während des Studiums zu erhöhen, aber auch die entsprechenden Fachgesellschaften und Berufsverbände könnten ihren Beitrag leisten, indem sie mehr Imagewerbung betreiben.
Das Vorstellungsgespräch steht nach wie vor im Zentrum eines Auswahlverfahrens.
Health Relations: Gibt es ein vorbildliches Prozedere, wie Personalverantwortliche neue Bewerber evaluieren können? Ist das klassische Vorstellungsgespräch immer noch das Mittel der Wahl? Oder bieten sich weitere Formen des Kennenlernens, wie z.B. Videointerviews, an?Dr. Martin: Das Vorstellungsgespräch steht nach wie vor im Zentrum eines Auswahlverfahrens. Dieses wird allerdings mehr und mehr flankiert durch zusätzliche Instrumente – das können Assessments sein oder Hospitationen, dass der Kandidat oder die Kandidatin also für einen Tag in ein Klinikum eingeladen wird, z.B. am OP-Alltag teilnimmt, damit sich beide Seiten ein ganzheitlicheres Bild machen können.
Health Relations: Mit der Unzufriedenheit am Arbeitsplatz steigt die Wechselwilligkeit. Welche Maßnahmen gibt es, um einen wechselbereiten Arzt oder eine Ärztin am Haus zu halten?Dr. Martin:Ein ganz gängiger Weg ist, dass man frischgebackenen Fachärzten und Fachärztinnen gleich eine Oberarztposition anbietet. Das machen viele Häuser, um zu verhindern, dass Ärzte nach der Weiterbildung abwandern. Weiterhin werden
passgenaue Arbeitszeitmodelle angeboten, die individuell zugeschnitten sind und beispielsweise eine Reduzierung von Diensten beinhalten. Ab der Oberarztebene gibt es außerdem die Möglichkeit,
außertariflich zu bezahlen, wenn Ärztinnen und Ärzte zusätzliche Sonderaufgaben übernehmen. Dann kann auch in öffentlichen Häusern ein höheres Gehalt gezahlt werden.
Dr. Wolfgang Martin betreibt seit über 20 Jahren zusammen mit seiner Kollegin Ingrid Rebmann mainmedico. Die beiden Personalberater vermitteln Ärzte und Ärztinnen an Akutkrankenhäuser, Fach- und Rehakliniken sowie ambulante Einrichtungen. Bild: © mainmedico GmbH