Die digitale Technik durchdringt unseren Alltag. Kein Wunder also, dass sie auch Einzug in die Aus- und Weiterbildung hält. Doch ist das wirklich nutzbringend oder doch nur nette Spielerei? Die Charité hat dazu eine Studie veröffentlicht.
Das Fazit der Wissenschaftler: Tablet-basierte, multimedial unterstützte Ausbildung führt im Vergleich zu konventionellen Lernmethoden zu besseren Ergebnissen bei medizinischen Examen. Eine integrierte Form von Übungen am Tablet-Computer und klinischer Praxis verbessert außerdem nachweislich die Qualität der Aus- und Weiterbildung von Ärzten.
Die Studie wurde in der wissenschaftlichen Online-Fachzeitschrift
PLOS ONE veröffentlicht. Welche Vorteile die digitalen Konzepte für die Lehre und Ausbildung haben, erklärt
Prof. Dr. Daniel C. Baumgart, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie und Gastroenterologie, Campus Virchow-Klinikum, im Interview.
Health Relations: Was bringt die Integration von digitalen, multimedialen Konzepten in die Lehre und Ausbildung?Prof. Baumgart: Traditionelle Lehr- und Lernkonzepte in der medizinischen Ausbildung schöpfen das Potential von Informationstechnologie bisher nur unzureichend aus, obwohl im klinischen Alltag und der biomedizinische Forschung eine Vielzahl von digitalen Medien, angefangen von mehrdimensionalen Bilddaten des menschlichen Körpers bis hin zu Animationen der menschlichen Physiologie, vorkommen. Idealerweise findet das Medizinstudium heute patientennah und seltener im Hörsaal statt. Hier können drahtlose Kommunikationsgeräte wie Tablet-Computer, digitale Assistenten oder Smartphones die Daten direkt an das Krankenbett bringen. Obwohl solche Geräte weit verbreitet sind, ist ihr systematischer Einsatz in Lehre und Weiterbildung kaum wissenschaftlich untersucht. Unsere Studie zeigt zum ersten Mal, dass eine durch Tablet-PC unterstützte Lehre und Ausbildung die Examensergebnisse in der Inneren Medizin signifikant verbessert.
Unsere Studie zeigt zum ersten Mal, dass eine durch Tablet-PC unterstützte Lehre und Ausbildung die Examensergebnisse in der Inneren Medizin signifikant verbessert.Health Relations: Welche Vorteile hat das digitale Lernen gegenüber konventionellen Lernmethoden?Prof. Baumgart: Das Hauptziel unserer prospektiven, kontrollierten Studie bestand in der Klärung der Frage, ob die durch Tablet-PC unterstützte Lehre und Ausbildung einen signifikanten Einfluss auf Examensergebnisse hat, und wenn ja, welche soziodemografischen Faktoren dabei eine zusätzliche Rolle spielen. Hierzu wurden Tablet-PCs, also ultraportable Notebook-Computer mit Spezialdisplays, auf denen man mit einem digitalen Stift schreiben kann, mit einer von uns selbstentwickelten Software (Mobile Medical EducatorSM) ausgestattet. Über die grafische Benutzeroberfläche dieses Softwarepaketes standen sowohl die Medizinische Arbeitsplatzfunktionalität für den Klinikalltag, multimediale Lernsoftware (z.B. eBooks, eJournale, Diasätze, Podcasts, Videos, Animationen, Bilddaten gestiftet von großen Medizin- und Wissenschaftsverlagen oder Fachgesellschaften) sowie soziodemografische Fragebögen und die validierte Examensprüfsoftware des American College of Physicians
MKSAP® – Medical Knowledge Self Assessment Program – zur Verfügung.
Medizinstudierende im Praktischen Jahr und Assistenzärzte in Weiterbildung wurden zu Beginn und Ende ihrer Rotation examiniert und in die Kontrollgruppe oder Tablet-PC-Gruppe randomisiert. Der Kontrollgruppe standen alle herkömmlichen Lernressourcen am Campus zur Verfügung, während die Tablet-PC-Gruppe die Geräte während der gesamten Rotation nutzen durfte. Die Ergebnisse:
- Die durch Tablet-PC unterstützte Lehre und Ausbildung verbessert die Examensergebnisse in der Inneren Medizin unabhängig von soziodemografischen Faktoren
- TeilnehmerInnen gefiel die Integration eines voll digitalen Work Flow für klinische Routine und Fortbildung
- Die am meisten genutzten Ressourcen für die Klärung medizinischer Probleme im Klinikalltag waren Fachzeitschriften (aufgefunden über PubMed und Google) und Bücher.
Die Änderungen der Ausgangs- und Endergebnisse der Probanden nach Unterrichtsinhalten. Kontrollgruppe: n = 31; Tablet-Gruppe: n = 24.
Health Relations: Welche Medien eignen sich besonders für den Einsatz in der Lehre?Prof. Baumgart: eBooks, eJournale, Diasätze, Podcasts, Videos, Animationen, Bilddaten oder auch spezielle Lernprogramme (Lernsoftware) sind alle geeignet.
Health Relations: Welche Voraussetzungen müssen diese erfüllen, damit sie gut in den Lernalltag der Lernenden integriert werden können?Prof. Baumgart:Entscheidend ist die Verfügbarkeit der Medien über ein Gerät und eine einheitliche grafische Benutzeroberfläche, die auch bei der Arbeit eingesetzt wird.Entscheidend ist die Verfügbarkeit der Medien über ein Gerät und eine einheitliche grafische Benutzeroberfläche, die auch bei der Arbeit eingesetzt wird. Es geht um die Integration von Arbeit und Weiterbildung, unterstützt durch geeignete Hardware mit rasch abrufbaren Medien.
Health Relations: Welchen Rat würden Sie Arbeitgebern geben, wenn es um die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter geht?Prof. Baumgart: Prodekane für Lehre und Lehrbeauftragte sollten den Einsatz multimedialer Lehre auf tragbaren Geräten am Krankenbett und "blended learning" aktiv in ihre Curricula aufnehmen. Patienten können indirekt von besser aus- und fortgebildeten ÄrztInnen profitieren.
Prof. Baumgart ist Geschäftsführender Oberarzt der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Gastroenterologie, Hepatologie, Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen, leitet das interdisziplinäre Forschungs- und Behandlungszentrum für entzündliche Darmerkrankungen am Campus Virchow Klinikum der Charité und ist gewählter Fellow des Berliner Institutes für Gesundheitsforschung (BIH).Artikelbilder: © Charité – Universitätsmedizin Berlin, Daniel C. BaumgartTitelbild: © Monet/fotolia.com