Charité: „Wir erleichtern ausländischen Fachkräften den Einstieg“
Die Berliner Charité hat sich einiges einfallen lassen, um Mitarbeiter aus dem Ausland zu gewinnen. Ein Interview mit PD Dr. Joachim Seybold über modernes Integrationsmanagement und warum sogar Fußballspielen dazugehört.
Health Relations: Herr Dr. Seybold, wie wichtig ist für die Charité die Rekrutierung neuer Mitarbeiter?PD Dr. med. Joachim Seybold: Die Charité hat 13.700 Beschäftigte, darunter fast 4.000 Ärzte und Wissenschaftler sowie 4.400 Pflegekräfte. Wir müssen jedes Jahr 270 Pflegekräfte einstellen, um die normale Fluktuation auszugleichen. Darüber hinausgehend haben wir in den letzten Jahren weiteres Personal aufgebaut, sodass heute über 300 Pflegekräfte mehr als noch vor drei Jahren bei uns arbeiten. Das Rekrutieren neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist für uns ausgesprochen wichtig. Deshalb war es für uns immer ein Thema, zusätzliche Pflegekräfte zu gewinnen, zunehmend auch aus dem Ausland."Wir sind nur in Ländern aktiv, die über genügend Pflegekräfte zur Versorgung der eigenen Bevölkerung verfügen."Health Relations: Wie gehen Sie dabei vor?Joachim Seybold: Bereits heute stammen zwölf Prozent der Initiativbewerbungen von Pflegekräften aus dem Ausland. Zusätzlich haben wir ein Programm etabliert, über das wir Pflegekräfte aus Albanien und Mexiko in die Charité aufnehmen und integrieren. Programme für geflüchtete Pflegekräfte und Ärzte sind ebenfalls ein Thema, jedoch tragen sie zahlenmäßig weniger zum Personalaufbau bei als die Programme mit Albanien und Mexiko. Health Relations: Warum arbeiten Sie gerade mit diesen Ländern zusammen?Joachim Seybold: Wir legen großen Wert darauf, nur mit Ländern zusammenzuarbeiten, die eine andere Alterspyramide haben als wir in Deutschland, in denen es also viele junge, gut ausgebildete und mobile beziehungsweise auch arbeitslose Pflegekräfte gibt. Wir sind nur in Ländern aktiv, die über genügend Pflegekräfte zur Versorgung der eigenen Bevölkerung verfügen. Aus Albanien kommen derzeit etwa 30 Pflegekräfte pro Jahr zu uns, die in ihrem Heimatland ausgebildet wurden und dort auch schon eine sprachliche Qualifikation auf Sprachniveau B2 erhalten haben. Insgesamt arbeiten heute 90 Pflegerinnen und Pfleger aus Albanien bei uns und neun Pflegekräfte aus Mexiko. Von dort erwarten wir zukünftig 25 bis 30 Pflegekräfte pro Jahr. Health Relations: Wie wichtig ist das Erlernen der deutschen Sprache für die neuen Mitarbeiter?Joachim Seybold: Extrem wichtig. Sehr gute Sprachkenntnisse gewährleisten die Akzeptanz bei Patienten und Personal und sorgen auch für die raschere Integration. Daraus resultiert eine höhere Zufriedenheit mit der eigenen Lebens- und Arbeitssituation. Heimweh und eine eventuelle Rückkehr werden dadurch vermieden.
"Erfreulicherweise sind alle Pflegekräfte aus den Programmen mit Albanien und Mexiko bei uns geblieben."Health Relations: Welche Probleme gibt es heute noch beim Rekrutieren von ausländischen Mitarbeitern? Und worauf kommt es bei der Integration an?Joachim Seybold: Schwierigkeiten gibt es nach wie vor bei der Berufsanerkennung. Die in Berlin dafür zuständige Landesbehörde will zum Beispiel stets Originalunterlagen zu den immerhin schon beglaubigten Kopien sehen. In manchen Ländern vertraut man Originale aber ungerne der Post an, zum Beispiel in Mexiko. Wir kümmern uns also selbst darum, dass die Originale sicher in Deutschland ankommen. Dann dauert es manchmal viele Monate, bis eine im Ausland erworbene Berufsqualifikation in Deutschland anerkannt wird. Die Integration der neuen Mitarbeiter ist sehr wichtig, allerdings auch sehr aufwendig. Wir haben bei uns ein Integrationsmanagement aufgelegt, das den Einstieg in das Leben in Deutschland durch vielfältige Hilfestellungen erleichtert, zum Beispiel, wenn es darum geht, eine Wohnung oder einen Kitaplatz zu finden und zugleich aber auch ein Programm gegen Heimweh darstellt. Health Relations: Wie sieht denn das "Programm gegen Heimweh" aus?Joachim Seybold: Dabei organisieren wir beispielsweise kulturelle Samstage und andere Gruppenaktivitäten für unsere Pflegerinnen und Pfleger, sogar eine Fußballmannschaft hat sich schon gebildet. Eine eigens eingerichtete What's-App-Gruppe wird nahezu rund um die Uhr genutzt. Neben Kitaplätzen, die wir zur Verfügung stellen konnten, kümmern wir uns auch um den Familiennachzug. Denn wir wollen ja, dass unsere neuen Kolleginnen und Kollegen nicht nur kommen, sondern auch bei uns bleiben. Erfreulicherweise sind alle Pflegekräfte aus den Programmen mit Albanien und Mexiko bei uns geblieben.
Priv.-Doz. Dr. med. Joachim SeyboldMBA ist stellvertretender Ärztlicher Direktor der Charité Universitätsmedizin Berlin.