Die fortschreitende Digitalisierung hat inzwischen alle Bereiche des Gesundheitssystems erfasst, und Fachkräfte in der Medizininformatik werden händeringend gesucht. Branchenmessen wie die conhIT versuchen, Arbeitgeber und potenzielle Arbeitnehmer zusammenzubringen.
Der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern macht Krankenhäusern zu schaffen: Laut einer Untersuchung der Initiative für qualifizierten IT-Nachwuchs in der Gesundheitswirtschaft (INIT-G) hat derzeit lediglich jede dritte deutsche Klinik Medizininformatiker angestellt. "Aktuell verzeichnen wir permanent rund 100 offene Stellen. Perspektivisch wird der Bedarf jedoch um etwa zehn bis 20 Prozent steigen. Daher gilt es jetzt, in die Ausbildung im Bereich Gesundheits-IT zu investieren, damit die Nachwuchstalente rechtzeitig dem Markt zur Verfügung stehen", sagt Prof. Paul Schmücker, Präsident des conhIT-Kongresses, Professor an der Hochschule Mannheim und Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Und einfach nur einen IT-Kaufmann einzustellen, reiche nicht: "Die Prozesse sind mittlerweile sehr komplex und immer stärker medizinisch orientiert. Daher werden gut ausgebildete IT-Experten mit Expertise im Gesundheitswesen gesucht."
Neue Fachkräfte braucht das Land!
Schmücker beschreibt das Problem so: "Ärzten fehlt der Informatikhintergrund, und Informatikern fehlt häufig das Wissen um diagnostische und therapeutische Behandlungsmethoden, das Gesundheitssystem und dessen Mechanismen. Hier setzen Studiengänge der Medizinischen Informatik an, die beide Bereiche abdecken. Aber auch klassische Informatiker werden in Krankenhäusern gesucht – gerade wenn es darum geht, Hardware, Netz und administrative Anwendungssysteme zu etablieren. Um medizinische Prozesse mit IT-Lösungen zu optimieren oder IT-Strategien zu entwickeln, sind wiederum Medizinische Informatiker gefordert."
"Wir brauchen mehr Bachelor- und Masterstudiengänge."Mit dem Problem stehen Krankenhäuser aber nicht alleine da. Auch auf Herstellerseite wird es für MedTech-Unternehmen immer schwieriger, geeignetes Personal zu finden. Gesucht wird vor allem in den Bereichen Softwareentwicklung, Projektmanagement und Beratung. Stellen gibt es aber auch in der Produktentwicklung, in der Implementierung und im Support. Dabei ist die Branche auf hochqualifizierte Mitarbeiter angewiesen, um in einem so dynamischen und gleichzeitig sensiblen Markt hochwertige Produkte entwickeln, anbieten und einsetzen zu können. Eine Strategie von Firmen, um an gutes Personal zu kommen, ist, geeignete Kandidaten bereits an der Hochschule und der Universität abzuwerben. Langfristig muss aber in die Ausbildung investiert werden, so Schmücker. "Wir brauchen mehr Bachelor- und Masterstudiengänge."
Karriere-Networking auf der conhIT
Viele Verbände und Interessenvertreter haben das Problem erkannt und bemühen sich um die Förderung des Nachwuchses und Networking-Events. Konkrete Unterstützung, um Unternehmen und Nachwuchstalente zusammenzuführen, gab es auch auf der Messe conhIT - Connecting Healthcare IT, die vom 25. bis zum 27. April in Berlin stattfand. "Mit Veranstaltungen wie der conhIT wollen wir darauf aufmerksam machen, dass die Healthcare-IT-Branche ein attraktives und hoch innovatives Arbeitsfeld ist""Mit Veranstaltungen wie der conhIT wollen wir darauf aufmerksam machen, dass die Healthcare-IT-Branche ein attraktives und hoch innovatives Arbeitsfeld ist", berichtet Schmücker und verweist darauf, dass es auch vom Bundesministerium für Bildung und Forschung Unterstützung gibt – im Rahmen des Fördervorhabens Medizininformatik werden nicht nur Zusammenführung und Austausch der vielfältigen Behandlungs- und Forschungsdaten im Gesundheitswesen vorangetrieben, sondern auch die Medizinische Informatik in Forschung und Lehre soll zukunftsfest aufgestellt werden. "So sollen in den nächsten Jahren neue Professuren und Studiengänge in der Medizinischen Informatik eingerichtet werden – ein guter Ansatz, wie ich finde", so Medizininformatiker Schmücker.
Speed-Networking für die Karriere auf der conhIT 2017
Um den Nachwuchs mit potenziellen Arbeitgebern zusammenzubringen, bot die Messe ein umfangreiches Karriere-Programm an – vom Speed-Networking bis hin zum Nachwuchspreis, mit dem die besten Bachelor- und Masterarbeiten gekürt wurden. Gleichzeitig kooperierte man mit einer Vielzahl von Hochschulen und lud Studierende auf die conhIT ein, damit sie einen Einblick in die Branche bekommen. 2017 sind immerhin über 700 Studierende der Einladung gefolgt.
Laut Schmücker ist es höchste Zeit, sich dem Nachwuchsproblem zu stellen: "Das Problem wird sich verschärfen, denn der Markt wächst. Durch Themen wie zum Beispiel Telemedizin, Gesundheitstelematikinfrastrukturen, m-Health und die Einbindung von Patienten, beispielsweise im Rahmen von Videosprechstunden, treten Prozesse und Lösungen im Gesundheitssektor in den Vordergrund. Hier sind Innovation und Healthcare-IT-Kenntnisse gefragt."
Prof. Dr. Paul Schmücker ist als Professor für das Lehrgebiet "Medizinische Informatik" an der Hochschule Mannheim zuständig. Er ist Leiter der Arbeitsgruppen "Archivierung von Krankenunterlagen" und "Informationssysteme im Gesundheitswesen" der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) e.V. und Mitglied im Fachausschuss "Medizinische Informatik" der GMDS.