Der Außendienst saß wochenlang im Homeoffice fest. Und auch jetzt ist der Arztbesuch auf nicht absehbare Zeit mit strengen Hygieneregeln verbunden. Pharmaunternehmen lassen sich einiges einfallen, um Lösungen für ihre Vertriebsmitarbeiter zu finden. 6 Tipps, wie der Außendienst gestärkt aus der Krise geht.
Von heute auf morgen können Pharmaberater und -referenten ihren Job nicht mehr ausüben. Zumindest nicht mehr so, wie sie es seit Jahrzehnten gewohnt sind. Die Coronapandemie bedeutete das vorübergehende Aus für den direkten Kontakt mit Ärzten und Apothekern. Viele Vertriebsmitarbeiter befinden sich derzeit immer noch im Homeoffice. Einige besuchen ihre Kunden in Kliniken, Zentren und Arztpraxen bereits wieder. Allerdings sind besondere Vorsichts- und Hygienemaßnahmen Pflicht. Für die Pharmaberater und -referenten  ist es damit um einiges schwerer, überhaupt Gehör bei den Ärzten zu finden. Auch das persönliche Miteinander fehlt, wenn die Außendienstler ihre Inhalte vermitteln möchten. Doch viele Pharmaunternehmen lassen sich nicht beirren und nutzen die Coronazeit, um ihre Vertriebsmitarbeiter weiterzubilden. Sie gehen neue Wege in der Kommunikation und bauen die Zusammenarbeit mit dem Innendienst aus. 6 Tipps, wie Sie den Außendienst in der Krisenzeit stärken.

1. Die Ärzte für digitale Vertriebskanäle begeistern

Florian Saur, AstraZeneca: „Die Pandemie ist ein starker Katalysator für den virtuellen Kontakt mit den Ärzten und wir werden diesen Weg auf jeden Fall weitergehen.“ © Ulrike Schacht

Florian Saur, AstraZeneca: „Die Pandemie ist ein starker Katalysator für den virtuellen Kontakt mit den Ärzten und wir werden diesen Weg auf jeden Fall weitergehen.“ © Ulrike Schacht

Für viele Ärzte ist Face-to-Face immer noch die präferierte Wahl, wenn es um den Besuch ihres Pharmaberaters geht. „Insbesondere Hausärzte bevorzugen mit Abstand den persönlichen Kontakt“, sagt Florian Saur, Vice President Respiratory & Immunology bei AstraZeneca. Das habe eine aktuelle Marktforschung des Pharmakonzerns ergeben. Dennoch erfährt auch die Digitalisierung in Praxen und Kliniken derzeit deutlichen Aufwind. Wesentlich mehr Ärzte bieten inzwischen Videosprechstunden an, nehmen an virtuellen Fortbildungen teil oder informieren sich digital. Das Online-Portal von aerzteblatt.de kam beispielsweise während der Krisenzeit auf bis zu 14 Millionen Page Impressions in einem Monat (Stand März). Ein Umdenken findet also statt. Daher sollten auch Pharmaunternehmen digitale Vertriebskanäle nicht nur als kurzweilige Notlösung betrachten. Stellen sie ihre Ärztekommunikation breiter auf, sind auf Dauer ein engerer Austausch und kürzere Kontaktintervalle möglich. Neben den regelmäßigen Hausbesuchen können die Außendienstmitarbeiter ihre Ärzte auch mal schnell zwischendurch via Video-Call, E-Mail oder Telefon erreichen. Vor allem die jüngere Ärztegeneration dürfte für solche Konzepte empfänglich sein. Für Florian Saur von AstraZeneca ist der digitale Vertrieb unbedingt ein Zukunftsmodell: „Die Pandemie ist ein starker Katalysator für den virtuellen Kontakt mit den Ärzten und wir werden diesen Weg auf jeden Fall weitergehen.“

2. Den Außendienst zum Multichannel-Experten ausbilden

Der Aufschwung der neuen Vertriebskanäle bedeutet für den Außendienst von Pharmaunternehmen gleichzeitig: Neue Fertigkeiten müssen entwickelt werden. Dazu zählt für AstraZeneca beispielsweise ein „digitaler Führerschein“. Heißt: Die vergangenen Wochen hat das Unternehmen dazu genutzt, seine Mitarbeiter in der virtuellen Arztkommunikation fit zu machen. Es gab Kommunikationstrainings zu Themen wie „Virtuelle Gespräche mit Ärzten führen“ oder „Digitale Veranstaltungen organisieren“. Am Ende steht das Ziel, die Vertriebsmitarbeiter zu digitalen Experten auszubilden.
Fabrizio Guidi, Sanofi Deutschland: „Auch Ärzte und Patienten sind zunehmend digital unterwegs. Diesem veränderten Informationsverhalten passen wir uns an.“, © Sanofi

Fabrizio Guidi, Sanofi Deutschland: „Auch Ärzte und Patienten sind zunehmend digital unterwegs. Diesem veränderten Informationsverhalten passen wir uns an.“ © Sanofi

Viel gelernt in den vergangenen Wochen haben auch die Außendienstmitarbeiter von Sanofi. Beispiele dafür sind „die Durchführung zahlreicher virtueller Schulungen über Medical Learning oder der Sanofi eAcademy. Hinzu kommen Webinare und Workshops per Zoom, eigens eingerichtete Online-Portale und E-Mail-Newsletter, um den Ärzten individuell aktuelle Informationen zur Verfügung zu stellen“, sagt Fabrizio Guidi, Vorsitzender der Geschäftsführung von Sanofi in Deutschland.

3. Die Pharmaberater mit digitalen Formaten unterstützen

Dr. Katrin Venth, Bayer Vital: „Podcasts bieten dem Außendienst in einer Zeit, in der persönliche Besuche nur schwer möglich sind, einen Kontakt per Telefon oder Video-Call.“, © Bayer Vital GmbH

Dr. Katrin Venth, Bayer Vital: „Podcasts bieten dem Außendienst in einer Zeit, in der persönliche Besuche schwer möglich sind, einen Kontakt per Telefon oder Video-Call.“, © Bayer Vital GmbH

Pharmaunternehmen unterstützen ihre Vertriebsmannschaft zunehmend mit digitalen Formaten. Der Leverkusener Konzern Bayer veröffentlichte beispielsweise eine Podcast-Serie zu Arzt-relevanten Themen rund um COVID-19. Dabei werden Inhalte wie „Greift Corona das Herz an?“ oder „Corona in der Arztpraxis“ von Ärzten für Ärzte erläutert. „Die Podcasts bieten dem Außendienst in einer Zeit, in der persönliche Besuche nur schwer möglich sind, einen Kontakt per Telefon oder Video-Call, erklärt Dr. Katrin Venth, Leitung General Medicine Marketing und Projektkoordinatorin bei der Bayer Vital in Leverkusen. Die Bayer-Tochter Jenapharm bietet seinen Pharmareferenten mit Live-Webinar-Angeboten für Gynäkologen einen Ansatzpunkt im Bereich Frauengesundheit. Auch AstraZeneca hat zu Beginn der Krise innerhalb weniger Wochen ein globales Webinar auf die Beine gestellt. Fachexperten aus der ganzen Welt trafen sich dabei virtuell und referierten vor mehr als 10.000 Ärzten. Davon nahmen 350 aus Deutschland teil. Der Erfolg des Formats veranlasste das Pharmaunternehmen, fortan alle zwei Wochen eine COVID-19-Frage-Antwort-Session mit einem deutschen Experten anzubieten. Regelmäßig wählen sich weit über 100 Ärzte dazu ein, berichtet das Unternehmen.
© Deutscher Ärzteverlag / ASCO Direct (Collage)

© Deutscher Ärzteverlag / ASCO Direct (Collage)

Solche virtuellen Live-Events funktionieren auch über COVID-19-Inhalte hinaus. Ein Beispiel ist das Annual Meeting 2020 der American Society of Clinical Oncology (ASCO). Erstmals fand der weltgrößte Onkologiekongress ausschließlich digital statt (Health Relations berichtete). Das Deutsche Ärzteblatt informierte in Print und online über die Inhalte der Veranstaltung. Pharmaunternehmen konnten eine digitale Sonderpublikation buchen, die dann als gekennzeichneter Artikel auf aerzteblatt.de veröffentlicht wird. Solche Publikationen bieten sich als Aufhänger für ein fundiertes Vertriebsgespräch an.

4. Content is king: Arzt-relevante Inhalte wählen

In einer Zeit, in der Ärzte nur schwer zu erreichen sind, kommt es für den Außendienst umso mehr auf den richtigen Content an. Das, was Ärzte jetzt brauchen, sind relevante und gebündelte Informationen. Diese Erfahrung hat auch Florian Saur bei AstraZeneca gemacht: „Derzeit zeigt sich nochmal stärker, dass Mehrwert Trumpf ist. Wenn wir Angebote haben, die auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten sind, zeigen Ärzte auch in der jetzigen Zeit eine hohe Bereitschaft zum Austausch.“
Marek Hetmann ist Verkaufsleiter Medizin beim Deutschen Ärzteverlag, © Deutscher Ärzteverlag/Immo Fuchs

Marek Hetmann ist Verkaufsleiter Medizin beim Deutschen Ärzteverlag, © Deutscher Ärzteverlag/Immo Fuchs

Diese Einschätzung teilt Marek Hetmann, Verkaufsleiter Medizin beim Deutschen Ärzteverlag. „In COVID-19-Zeiten braucht der Pharma-Außendienst mehr denn je gut aufgesetzte Content-Formate, die tiefer in Inhalte einsteigen und ganz individuell die Bedürfnisse der Ärzte ansprechen.“ Virtuelle Experten-Roundtable, in denen aktuelle Studienergebnisse oder Therapieformen diskutiert werden, bieten beispielsweise eine gute Möglichkeit, um die Aufmerksamkeit der Ärzte zu gewinnen.

5. Medizinisch-fachliche Außendienstschulungen intensivieren

Im vollen Tagesgeschehen der Außendienstler bleibt kaum Zeit für engmaschige intensive Schulungen oder Updates zu aktuellen Themen. Das verordnete Homeoffice bietet jetzt ausreichend Raum, um die Fachexpertise der Vertriebsmitarbeiter im Pharmabereich weiterzuentwickeln. So nutzte AstraZeneca die letzten Wochen, um seine Teams „in vielen aufgestauten Themen fit zu machen“. Gleichzeitig habe das Unternehmen auch die internen Trainingsmethoden weiterentwickelt, um die Außendienstmitarbeiter künftig noch schneller und intensiver zu aktuellen wissenschaftlichen Themen auf dem Laufenden zu halten. Die Erfahrung habe gezeigt, dass virtuelle Meetings auch intern oft eine wesentlich schnellere Lösung herbeiführen. Beispielsweise dann, wenn ein Projekt aus einem Facharztbereich besonders viele Experten aus unterschiedlichen Abteilungen und Standorten erfordert. Einen passenden Termin zu finden und die Anreise zu organisieren sei oft langwieriger.

6. Zusammenhalt von Außendienst und Innendienst stärken

Bei Bayer Vital legte der Außendienst in den letzten Wochen noch ganz andere Qualitäten an den Tag. Mehrere Vertriebsmitarbeiter übernahmen auf freiwilliger Basis Tätigkeiten an Produktionsstandorten des Konzerns in Bitterfeld und Grenzach. Dort helfen sie nach umfassender Einweisung, Produkte zu kontrollieren oder unterstützen die Teams bei administrativen Aufgaben. Für die Außendienstler bringt das neue Erfahrungen mit sich und einen guten Einblick in andere Unternehmensbereiche.