Mit der Kampagne "Teamgeist erleben" haben sich die Frankfurter Rotkreuz-Kliniken einen Namen gemacht. Dr. Marion Friers und Martin Camphausen über neue Wege im Employer-Branding.
Health Relations: 2015 haben Sie die Kampagne "Teamgeist erleben" gestartet. Läuft sie noch?
Dr. Marion Friers: Wir bewerben die Kampagne nicht mehr aktiv, aber haben regelmäßig Vorträge gehalten und veröffentlichen auch immer noch zu dem Thema. Die Microsite
http://www.teamgeist-erleben.de/ ist außerdem noch online und bleibt auch online. Über das
Kurzbewerbungs-Tool auf der Seite bewerben sich auch immer noch Interessenten. Hier heißt die Devise: Hürden so weit wie möglich runter. Wir fragen dort nur die wichtigsten Daten ab, um überhaupt in Kontakt mit den Bewerbern treten zu können. Es gibt absichtlich keine Uploadfunktion. Mittlerweile gibt es mehrere Nachahmer, aber wir waren die Ersten mit dieser Vorgehensweise.
Beim Kurzbewerbungs-Tool heißt die Devise: Hürden so weit wie möglich runter. Wir fragen nur die wichtigsten Daten ab.
Camphausen: Das Kurzbewerbungs-Tool haben wir regelmäßig auf Facebook veröffentlicht und es wurde sehr gut angenommen. Eines der Felder heißt „Was mir wichtig ist“. Es ist kein Pflichtfeld, aber die allermeisten Bewerber füllen auch das mit mehreren Sätzen aus.
Health Relations: Wie war die Resonanz auf die Kampagne bei den Bewerbern?
Friers: Die Qualität der Bewerbungen ist insbesondere in der Pflege stark gestiegen. Seit der Kampagne haben wir keine Stelle in der Pflege offen. Ich kenne kein anderes Krankenhaus in einem großen Umkreis, welches dasselbe von sich behaupten kann. Wir konnten in den Funktionsdiensten sogar kleine Bewerberpools aufbauen und auch darüber nachbesetzen.
Camphausen: Außerdem hat sich die Zahl der Initiativbewerbungen sehr stark gesteigert. Hier konnten wir ganze 45% verbuchen. Aber auch die Bewerbungszahl allgemein hat sich gesteigert. Man muss außerdem bedenken: Nicht jeder Bewerber sagt, dass er uns über die Kampagne gefunden hat. Viele geben so oder so klassischerweise die Homepage an und haben Hemmungen davor, in Bewerbungsanschreiben zu sagen, dass sie uns auf Facebook oder über andere Wege gefunden haben.
Seit der Kampagne haben wir keine Stelle in der Pflege offen. Ich kenne kein anderes Krankenhaus in einem großen Umkreis, das dasselbe von sich behaupten kann.
Health Relations: Was hat die Kampagne denn so erfolgreich gemacht?Martin Camphausen: Die Kampagne ist multimedial angelegt, weil wir die Bewerber überall dort abholen wollten, wo sie sich aufhalten. Bei den vielen heterogenen Berufsbildern im Krankenhaus keine leichte Aufgabe. Daher haben wir so breit wie möglich online und offline gestreut. Microsite, Außenwerbung, Image-Videos, Social Media, Pressearbeit, Interne Kommunikation, Sportereignisse, Mitarbeiterfeste, da kommt einiges zusammen.
Steckbrief Kampagne "Teamgeist erleben"
Außenwerbung mit vier Haupt-Motiven auf Bussen, Großplakaten, Litfaßsäulen, Infoscreens und Trainpostern und Image-Videos.Alle Motive und Videos sind ausschließlich mit den Mitarbeitern des Frankfurter Rotkreuz-Kliniken e.V. entstanden. Die Mitarbeiter haben außerdem Selfies von sich vor den Außenwerbungsmaßnahmen gemacht. Die Aktivitäten und Erfolge wurden auf Facebook begleitet, Fachpresse und Tagespresse einbezogen. Zudem gab es Guerilla-Marketing-Maßnahmen (Sticker, Fahrradsattelcover, Buttons und Postkarten).
Health Relations: Sie haben Mitarbeiter aktiv in die Kampagne einbezogen. Wie hat sich das intern ausgewirkt?
Selfie der Mitarbeiter © Frankfurter Rotkreuz-Kliniken
Friers: Die vier Werte „Teamgeist, Zeit (für Patienten), Qualifikation und Wertschätzung“ stammen von unseren Mitarbeitern
. Dadurch stehen alle felsenfest hinter diesen Werten und der Kampagne. Dass sich so viele Kolleginnen und Kollegen zum Mitmachen beim Fotoshooting für die Kampagnenplakate bereiterklärt und am Videodreh 120 der knapp über 500 Kollegen teilgenommen haben, bestärkt das umso mehr.
Denn alleine wer sich dazu bereit erklärt, Großplakate von sich mit einem Firmenlogo daneben in ganz Frankfurt hängen zu lassen, der steht wirklich hinter seinem Unternehmen.
Wer bereit ist, Großplakate von sich mit dem Firmenlogo daneben in ganz Frankfurt hängen zu sehen, der steht wirklich hinter seinem Unternehmen.
Health Relations: Inwieweit hat die Kampagne dazu beigetragen, sich als Arbeitgeber positiv vom Wettbewerb abzugrenzen?
Friers: Nach anfänglichem Belächeln melden sich nun viele Kliniken deutschlandweit für Hintergrundgespräche. Aber auch aus anderen Branchen sind wir oft auf die Kampagne angesprochen und um Austausch gebeten worden. Beim Employer Branding geht es ja darum, nicht die Marke als solche bekannter zu machen, sondern eben das Besondere eines Arbeitsgebers herauszustellen. All die Dinge, die bei einem selber anders und besser sind als bei der Konkurrenz. Das haben wir gemacht, um möglichst passgenaue Kandidaten insbesondere auch in Bezug auf die Unternehmenskultur zu finden. Denn das ist genauso wichtig wie formelle Qualifikationen.
Nach anfänglichem Belächeln melden sich nun viele Kliniken deutschlandweit für Hintergrundgespräche.
Camphausen: Gleichzeitig hat der First Mover-Effekt für sehr viel Aufsehen gesorgt. Die Kampagne hat so viele Ebenen, dass man sie erklären muss, um die Tragweite klarzumachen. Die Möglichkeit zur Erläuterung haben wir in Form von vielen Vorträgen bekommen. Das überwältigende Interesse auch heute, etwa ein Jahr nach dem Ende des aktiven Bewerbens der Kampagne, zeigt, dass es offenbar ein Bedürfnis nach einer solchen Kampagne im Klinikwesen gab.
Health Relations: Nutzen Sie Ihre Erfahrungen mit "Teamgeist erleben" für aktuelle Kampagnen?Friers: Auch wenn wir die Kampagne derzeit nicht unter dem Label „Teamgeist erleben“ bewerben, haben wir den Teamgeist erleben-Effekt in andere Kampagnen einfließen lassen. So zum Beispiel in unsere Kampagne „
Dann wieder ich“ zur klinischen Leistungsseite, die wir zum Start des Fachbereichs Schulterchirurgie aufgesetzt haben. Auch hier spielt das Employer Branding eine wichtige Rolle.
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Vier Hauptmotive der Kampagne „Dann wieder ich“
Camphausen: Über das eigentlich sehr
klassische Instrument eines Foto-Wettbewerbs und der entsprechenden Vorbereitung in der internen Kommunikation haben wir Dutzende Mitarbeiter aus allen Bereichen an der Kampagne teilhaben lassen.
Das Employer Branding ist damit also auch Teil unseres Klinikmarketings. Die Abstimmung und Verkündung der Sieger erfolgte auf Facebook – und später in unserem Mitarbeitermagazin „teamPULS“.
Health Relations: Sie sind auch auf Facebook, Xing und YouTube unterwegs – wie sieht Ihre Kommunikationsstrategie aus?Camphausen: Die Strategie heißt, überhaupt erst mal den Dialog anzubieten und keine Angst vor Interaktion zu haben. Denn davor scheut man sich im Klinikwesen ungemein. Ob er genutzt wird, ist etwas anderes. Jeder der genannten Kanäle erfüllt seinen eigenen Zweck. Über Facebook können wir Informationen verbreiten, die uns nahbarer machen als auf einer starren Homepage. Das nutzen wir gerade für unsere Arbeitgebermarke. Wir sprechen dort mögliche Bewerber genauso an wie Patienten. Es ist der einzige Kanal, auf dem wir duzen. Dem Trend von vor wenigen Jahren, eigene Facebook-Karriereseiten zu unterhalten, haben wir widerstanden, weil das aus unserer Sicht nicht sinnvoll ist.
In Social Media heißt unsere Strategie: den Dialog anzubieten und keine Angst vor Interaktion zu haben.
Friers: Das Personalmarketing haben wir vor über zwei Jahren in die Unternehmenskommunikation gezogen. Gerade beim Employer Branding haben wir gemerkt, wie gut und sinnvoll diese Entscheidung war. Denn alles, was Potenzial zum Pushen der Arbeitgebermarke hat, kann auf diese Weise viel besser auf der Klaviatur der Unternehmenskommunikation abgebildet und strategisch eingesetzt werden. Auch und insbesondere in den Sozialen Medien. Unsere YouTube-Videos zu "Teamgeist erleben" sind sehr gut angekommen. Alleine in der ersten Woche gab es fast 2.000 Plays, mittlerweile sind wir bei über 4.200. Unter den Videos gibt es außerdem Interaktion. Auch Kritik ist dabei, aber genau darum geht es ja bei Sozialen Medien. Die Frage ist nur wie man darauf reagiert.
Camphausen: Da Gesundheits- und Krankenpflegekräfte eher weniger auf XING zu finden sind, sind wir dort auch nicht sehr aktiv, denn die größte Zahl unserer Mitarbeiter sind Pflegekräfte – kununu wird außerdem nicht in dem Maße genutzt, wie wir es bräuchten, um eine kritische Masse zu erreichen. Das, was dort steht, ist sehr gut, aber es sind eben nicht viele Bewertungen. Beim Active Sourcing spielt XING aber wiederum gerade für speziellere Stellen eine tragende Rolle und wir haben bereits sehr erfolgreich einige Stellen besetzt.
Das Personalmarketing haben wir vor über zwei Jahren in die Unternehmenskommunikation gezogen.
Health Relations: Worauf kommt es Ihnen beim Employer Brandig an?Camphausen: Ganz klar: Dass man nicht versucht, Perfektion darzustellen, sondern Echtheit. Dass man einfach ist, wie man ist. Das ist immer noch der überzeugendste Auftritt. Dann zieht man genau jene Bewerber an, die zum Unternehmen passen und sich in den Teams wohlfühlen werden. Man darf nichts verkaufen, was man später nicht einhalten kann.
Friers: Es ist nicht alleine die Medizin, die ein Krankenhaus besonders macht, sondern der tägliche Einsatz aller Menschen, die dort arbeiten. Kliniken werben bisher zumeist mit Modellen statt Mitarbeitern und mit auf Hochglanz polierten Ärzten. Wenn Pflegekräfte vorkommen, dann ist es außerdem die hübscheste Krankenschwester, die man finden konnte. Nichts gegen die hübsche Krankenschwester, aber das ist eben nicht das, worum es geht. Auf die Qualität der Patientenbehandlung kommt es an.
Dass man nicht versucht, Perfektion darzustellen, sondern Echtheit. Dass man einfach ist, wie man ist. Das ist immer noch der überzeugendste Auftritt.
Dr. Marion Friers ist Geschäftsführerin Personal, Pflege & Kommunikation des Frankfurter Rotkreuz-Kliniken e.V. Die promovierte Politikwissenschaftlerin verfügt über ein breites Spektrum an Führungserfahrungen in unterschiedlichen Branchen und hohe Fachkompetenz im Bereich Unternehmenskommunikation, Personalmanagement, Personal- und Organisationsentwicklung sowie Veränderungsmanagement.
Martin Camphausen ist Leiter Unternehmenskommunikation & Pressesprecher des Frankfurter Rotkreuz-Kliniken e.V. und verantwortet neben der Kommunikation auch das Employer Branding sowie das Personal- und Rekrutierungsmarketing. Vor seiner Zeit im Krankenhaus hat Camphausen in der Politik gearbeitet.
(alle Fotos: © Frankfurter Rotkreuz-Kliniken)