Frankfurter Rotkreuz-Kliniken: „‚Teamgeist erleben‘ war unser Pilot, um das Silodenken aufzubrechen“
"Teamgeist erleben" war revolutionär und hat für Aufsehen gesorgt. Aber die Kampagne war nur die Spitze des Eisbergs aus Strategie und Umstrukturierung. Dr. Marion Friers und Martin Camphausen von den Frankfurter Rotkreuz-Kliniken im Interview.
Health Relations: Ihre Kampagne "Teamgeist erleben" besticht vor allem durch absolute Authentizität. Viele eigene Mitarbeiter haben an der Kampagne partizipiert und ihr zu einem viralen Erfolg verholfen. Wie konnten Sie so viele Kollegen für Ihre Idee überzeugen?
"Der Erfolg und die Zukunft von Krankenhäusern wird sich auch daran entscheiden wird, ob ausreichend qualifiziertes Personal zur Verfügung steht", Dr. Marion Friers, Geschäftsführerin Personal, Pflege & Kommunikation bei den Frankfurter Rotkreuz-Kliniken

"Wir verstehen unter Interner Kommunikation eben nicht die Versendung einer Mitteilung aus den oberen Etagen, durch die Mitarbeiter huldvoll Herrschaftswissen mitgeteilt kriegen. Es geht hier um das Engagement der Mitarbeiter", Martin Camphausen, Leiter Unternehmenskommunikation und Pressesprecher bei den Frankfurter Rotkreuz-Kliniken
„Nicht alleine Medizin macht ein Krankenhaus besonders“ ist eine der Grundideen der Arbeitgebermarke der Frankfurter Rotkreuz-Kliniken
Health Relations: Wie war Ihre strategische Herangehensweise?Friers: Für mich ist wesentlich, dass es immer auch um Unternehmenskultur geht und die hat eben sehr viele Facetten. Der erste und vielleicht wichtigste Schritt war es, die mitarbeiterorientierte Personalpolitik strategisch aufzusetzen. Wir sind ein Haus in der Trägerschaft der Schwesternschaften vom Roten Kreuz, durch diesen Gedanken der Schwesternschaft spielen unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schon immer eine besondere Rolle. Themen wie Qualifizierung, die Förderung von Frauen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, gute Arbeitsbedingungen etc. – all das war uns schon immer Verpflichtung. Durch den Aufbau der Arbeitgebermarke haben wir aber systematischer und strategischer an unserer Mitarbeiterorientierung gearbeitet. Der Erfolg und die Zukunft von Krankenhäusern wird sich auch daran entscheiden wird, ob ausreichend qualifiziertes Personal zur Verfügung steht. Deshalb haben wir dies in der Geschäftsführung zu unserer wichtigsten Agenda gemacht. Natürlich können wir nicht alle Wünsche erfüllen, aber wir können daran arbeiten, mit unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gemeinsame Lösungen zu entwickeln. Das bedeutet aber auch unsere Führungskräfte genau darauf zu fokussieren. In einer dezidierten Führungskräfteentwicklung haben wir unsere Führungskräfte trainiert, eine lebensphasenorientierte Personalführung zu verfolgen. Wir arbeiten an einer offenen Kommunikations- und Feedback-Kultur – alles Themen, die selbstverständlich klingen, im Krankenhaus aber doch immer noch zu wenig praktiziert werden. Wer an der Unternehmenskultur arbeitet, arbeitet immer auch an der Unternehmensorganisation. Auch unsere Managementstruktur haben wir neu aufgesetzt und die bekannte Trias „Pflege-Medizin-Verwaltung“ im Krankenhaus durch einen Leitungskreis ersetzt. Mit den Mitteln moderner Unternehmensführung endeten die Verteilungskämpfe. Sie wurden durch Kooperation und Lösungsorientierung ersetzt. Und – auch das ist nicht ganz unwichtig – wir haben uns für eine strategische Unternehmenskommunikation entschieden - , auch in der Geschäftsführung angesiedelt - , die genau diesen Prozess intern wie extern begleitet. Kommunikation als Teil der Wertschöpfung zu begreifen, ist sicherlich für die meisten Krankenhäuser noch immer Neuland. Leider. Health Relations: Wie verlief die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit?Camphausen: Ein weiterer wichtiger struktureller Schritt: Personalabteilung und Unternehmenskommunikation müssen Hand in Hand arbeiten. Um das zu erreichen, haben wir die Thematik Personalmarketing und Personalrekrutierung in die Verantwortung der Unternehmenskommunikation gegeben. Viele haben uns hier für verrückt erklärt. Keine Frage, es ist ungewöhnlich, aber wirksam. Die Ansprache der Bewerber läuft nun ebenso professionell, wie die dezentralen Bewerbergespräche durch unsere Abteilungsleiter und das Onboarding durch unsere Personalabteilung. Alle arbeiten Hand in Hand. Genau das wollen wir in der Geschäftsführung erreichen. Friers: Das war unser erster „Test oder Pilot“, um Silostrukturen aufzubrechen und vernetzte Zusammenarbeit strukturiert zu fördern. Der Erfolg gibt uns heute Recht. Wenn Fachwissen kombiniert wird, entstehen gute Lösungen und aus guten Lösungen entwickelt sich der Erfolg. Genau deshalb werden wir die Thematik „Vernetzung“ von Abteilungen auch weiter in unseren Häusern verfolgen. Im Herbst 2016 haben wir daher das Organisationsentwicklungsprojekt „Abenteuer Agilität“ gestartet.Martin Camphausen setzte mit seinem Best Case Vortrag Impulse bei der BIG AWARD Jurysitzung 2017
Health Relations: Wie hätten Sie reagiert, wenn die Interviews und Workshop-Ergebnisse überwiegend pessimistisch ausgefallen wären?Friers: Dann hätten wir das als Arbeitsauftrag verstanden. Jede Form von Feedback ist für uns ein Schatz. Natürlich ist man traurig über schlechtes Feedback, aber im Grunde arbeiten wir doch selbst in dem Unternehmen, wir wissen doch auch, wo die Aspekte sind, die nerven. Und je mehr Hinweise wir bekommen, umso besser können wir gemeinsam daran arbeiten, dass die nervigen Aspekte aufhören und es genau das Unternehmen wird, in dem wir uns wohl fühlen, für das wir unsere ganze Kraft einsetzen wollen. Darum ging es ja bei den Interviews und Workshops. Deshalb haben wir dafür ja auch die externe Agentur gehabt. Dem Externen sagt man „was Sache“ ist, dem Geschäftsführer sagt man immer, dass „alles ganz super“ ist. Schade eigentlich, aber so ist das in fast allen Unternehmen. Wir haben durch die Interviews viele Impulse bekommen, woran wir arbeiten können. Und wir haben herausgefunden, dass wir zum Zeitpunkt der Befragung in den Augen einiger Mitarbeiter „nicht jung, unmodern und unorganisiert“ waren. Genau solche Informationen brauchen wir, damit wir uns weiterentwickeln können. Wir haben auch viel Lob bekommen, das war toll und hat uns alle sehr motiviert. Auch das ist ein Effekt. Health Relations: "Teamgeist" macht den Markenkern der Frankfurter Rotkreuz-Kliniken aus. Welche Elemente lassen ihn so aufleben?Friers: Teamgeist entsteht in den einzelnen Teams vor allem dann, wenn die Teams auch selbst verantworten dürfen, wenn sie sich selbst organisieren dürfen. Das gilt auch für einen Schichtbetrieb und unterschiedliche Berufsgruppen. Vor allem gilt das, wenn man die Vereinbarkeit von Beruf und Familie groß schreibt. Selbstbestimmung und Verlässlichkeit sind Themen für alle Berufe. In den Frankfurter Rotkreuz-Kliniken setzen wir deshalb bereits heute in hohem Maße auf dezentrale Verantwortungsstruktur mit Gestaltungsspielraum in den Teams statt zentraler Steuerung. Das hilft enorm bei der Mitarbeitermotivation. Wir haben eine sehr familiäre Unternehmenskultur und auch die Teams sind manchmal fast wie Familien – mit allen emotionalen Vor- und Nachteilen. In den Interviews und Workshops kamen die vier Werte Teamgeist, Zeit (für Patienten), Qualifikation und Wertschätzung heraus. Der Teamgeist wurde mit großem Abstand am häufigsten genannt. Daher heißt die Kampagne „Teamgeist erleben“. Und natürlich fördern wir diesen Teamgeist auch durch gemeinsame Erlebnisse, Sportereignisse, Veranstaltungen, einer Betriebssportgruppe, Teamaktionen, gemeinsame Feiern. Da sind wir schon sehr aktiv. Health Relations: Welche Maßnahmen konnten Sie umsetzen? Camphausen: Aktiv war die Kampagne in 2015 über mehrere Phasen hinweg. Angefangen haben wir ab Mitte März mit der Viralen Phase, dann haben wir zwei umfangreiche Außenwerbungsphasen im Juni und September durchgeführt, an die eine Guerilla-Phase im September und Oktober angeschlossen hat. Ständige Begleiter waren die Interne Kommunikation, aber auch Presse- und Fachpressearbeit. Unseren First Mover-Effekt haben wir voll ausnutzen können und waren überall sichtbar. Alle reden davon, dass Pressemitteilungen tot sind. In gewisser Hinsicht stimmt das, aber man muss sich eben mit guten Storys auf anderen Wegen an die Redaktionen wenden, um abgedruckt zu werden. Samt Planung und Umsetzung hat alles knapp über eineinhalb Jahre gedauert und sich über drei Budgetjahre erstreckt. Da haben sich die 100.000 Euro gut verteilt. Eine kurze Anekdote zum Kampagnenstart: „Teamgeist erleben“ ist ja eine wirkliche Bottom-up-Kampagne, bei der wir gezeigt haben, was in der Internen Kommunikation steckt, wenn man sie ernsthaft betreibt. Wir haben alle Schritte lange im Voraus erklärt und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur über alle Maßnahmen aufgeklärt, sondern sie immer fest eingebunden und der Kampagne so im wahrsten Sinne Gesicht gegeben. Davon leben die Kampagne und die gesamte Arbeitgebermarke. Eine Ausnahme haben wir allerdings absichtlich gemacht: Wir haben nicht den genauen Tag bekanntgegeben, wann wir rausgehen. Wir wollten sehen, ob unsere Maßnahmen zum Start von alleine auffallen und was dann passiert. Es sollte eine Überraschung werden – und sie ist gelungen. Uns hat das total gefreut. Wir haben Swing Cards in Kampagnenoptik mit der Aufschrift „Für meine Patienten nehme ich mir keine Zeit. Ich habe sie.“ in die Frankfurter U-Bahnen hängen lassen und abgewartet. Noch am selben Vormittag haben uns etliche Anrufe und Mails von Angehörigen und Patienten erreicht, und Kollegen kamen mit Handyfotos als Beweisen zu uns. „Wisst ihr eigentlich, dass da jemand einfach so Werbung für uns macht?“ Das war genauso lustig wie schön. Die Aufbruchsstimmung war ab da zum Greifen spürbar.Out of Home und Guerilla mit Pakaten, Swing Cards und Fahrradsattelcovern – In 2 Phasen war alles drin
Die Mitarbeiter machten mit – bei der Entstehung und mit reichlich Social Media Selfies nach dem Release

Die Bewerber-Microsite ist das Kernstück von "Teamgeist erleben": Mit Authentizität, Mitarbeiterorientierung und einer Candidate Journey, die durch ihre Einfachheit zum Bewerben einlädt. Und dem Ergebnis, dass die Frankfurter Rotkreuz-Kliniken bereits den Luxus genießen, einen eigenen Bewerberpool aufbauen zu können.