Geteilte Führung in Kliniken: Wie Chefarzt-Tandems gelingen

Trend zu Teilzeitverträgen in medizinischen Berufen wächst. Auch auf der Chefetage von Kliniken werden flexibles Arbeiten und Jobsharing beliebter.
Meike Gresch und Sabine Ott-Jacobs leiten seit Januar die Kinder- und Jugendpsychiatrie des Asklepios Klinikums Harburg. Acht Jahre saß Sabine Ott-Jacobs allein auf dem Chefarztsessel. Jetzt teilt sie ihren Bereich mit ihrer langjährigen Oberarzt-Kollegin. Entscheidender Grund für die Einführung der Doppelspitze ist der teils umgesetzte, teils geplante Ausbau der Klinik. Aber auch der Wunsch, die für die Klinik so wichtige Netzwerkarbeit zu intensivieren. In den Krankenhausalltag übersetzt heißt das: Zu zweit lassen sich Termine mit Kooperationspartnern wie Schulen, niedergelassenen Fachärzten oder anderen Institutionen besser aufteilen und realisieren.
Hinzu kommt ein weiterer Grund, den Sabine Ott-Jacobs nicht mehr missen möchte: „Es ist bereichernd, gewisse Dinge zu teilen und gemeinsam zu reflektieren. Vorher habe ich – trotz gutem Austausch mit Oberärzten – mit mir selbst verhandeln müssen. Denn als Chef ist man in der letztendlichen Entscheidungsfindung immer allein.“
Der gemeinsame Austausch sorge schlicht und ergreifend für mehr Zufriedenheit und Sicherheit in den Entscheidungswegen, so die Chefärztin. Daher seien Jobsharing- oder Teilzeitmodelle auch nicht nur ein zukunftsweisendes Modell für Frauen mit Kindern.
Ob eine geteilte Führungsarbeit funktioniert, hat für sie vielmehr mit dem „Menschsein und nicht mit dem Geschlecht“ zu tun. Denn trotz aller Vorteile läuft ein Chefarzt-Tandem nicht von allein. Wenn gewisse Voraussetzungen nicht gegeben sind, kann das Modell schnell scheitern. Da sind sich die beiden Psychiaterinnen einig.
Sechs Tipps von dem Harburger Führungsduo, wie Jobsharing auf der Führungsetage von Kliniken funktionieren kann ...
Sind die Verantwortungsbereiche klar zugeordnet, erleichtert das den Abstimmungsprozess. Sprich: Die Zeit, den Gegenpart über Patienten, Entscheidungen oder anstehende Aufgaben auf dem Laufenden zu halten, wird geringer. „Andernfalls verliert man sich in der Übergabe“, erklärt Meike Gresch.
Die beiden Chefärztinnen des Asklepios Klinikums Harburg haben ihre Zuständigkeiten daher klar unterteilt. Während Sabine Ott-Jacobs die Therapiestation für Eltern und Kinder und die Tageskliniken leitet, verantwortet Meike Gresch den stationären Bereich. Natürlich gibt es auch gemeinsame Aufgaben, etwa die konzeptuellen Belange der Klinik und die Ambulanz. Enge Absprachen sind daher in einem Führungsduo immer erforderlich.
Überstunden, Überlastung, Unterbesetzung. In vielen Kliniken ist das nicht die Ausnahme, sondern der Regelbetrieb. Immer mehr Ärzte und Ärztinnen sehnen sich daher nach mehr Freizeit und einer ausgeglichenen Work-Life-Balance. Der 
Sabine Ott-Jacobs leitet im Jobsharing die Kinder- und Jugendpsychiatrie des Asklepios Klinikums Harburg. © Torben Röhricht
1. Lange Vertrautheit erleichtert die Arbeit im Tandem
Ein „Sich-bereits-Kennen“ ist ein wesentliches Erfolgskriterium. Wenn ein Führungsduo schon zusammengearbeitet hat, wissen die beiden Chefarztanwärter und auch die Klinik, ob die menschliche Ebene funktioniert. „Gerade auf der Führungsebene kann es schnell zu Rivalitäten um die Hoheit der Leitung kommen, die dann auf destruktive Weise ausgetragen werden“, so Sabine Ott-Jacobs. Das Risiko ist deutlich geringer, wenn man weiß, wie der andere tickt und wo sich empfindliche Stellen verbergen. Eine lange Vertrautheit und die Fähigkeit, sich in den Gegenpart hineinversetzen zu können, verringern das Konfliktpotenzial.2. Verantwortung teilen, statt sich in der Übergabe verlieren

Meike Gresch, seit Januar neue Chefärztin im Führungstandem am Asklepios Klinikum Harburg. © Torben Röhricht