Oft heißt es noch immer der Chefarzt und nicht die Chefärztin, denn in vielen Fachbereichen stehen Männer in der Klinikhierachie an der Spitze, selbst wenn es sich eigentlich um ein "weibliches" Fachgebiet handelt. Hier sind zehn Facharztrichtungen dargestellt, in denen es wenige Bewerber auf Chefarztposten gibt.
Schon seit Jahren studieren mehr Frauen Humanmedizin als Männer. Man könnte nun theoretisieren, dass mit dem höheren Frauenanteil klassische Männerdomänen, wie etwa chirurgische Fächer, feminisiert werden.
Dem ist aber nicht so, wie die Facharztanerkennungen aus dem Jahr 2018 zeigen: Die Frauenheilkunde, die Kinder- und Jugendpsychiatrie und die Kinder- und Jugendmedizin sind bei Frauen noch immer am beliebtesten, während sich Männer für chirurgische Fächer, wie die Thoraxchirurgie oder die Neurochirurgie, entscheiden.
Interessant ist, dass der Bewerbermangel auf Chefarztpositionen sogar in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und in der Frauenheilkunde groß ist,
obwohl diese beiden Fachrichtungen bei Ärztinnen so beliebt sind. Eine mögliche Ursache für die Bewerberinnenunlust könnte die schwierige Vereinbarkeit von Chefarztposition und Familie sein, denn als Chefärztin hat man nicht nur eine medizinische und personelle Verantwortung, sondern auch eine unternehmerische und ist zeitlich entsprechend gebunden. Bei der Wahl zwischen einem 16 Stundentag im Klinikum und einem 10 Stundentag + Familienzeit entscheiden sich viele Ärztinnen für Letzteres.
Hier mangelt es an Chefärztinnen und Chefärzten
Aber nicht nur in den von Frauen beliebten Facharztrichtungen besteht ein Mangel an Chefarztbewerbungen.
Auch in der Viszeralchirurgie und der Kardiologie sind die Bewerber knapp, wie der Chefarztindex zeigt, den das ärztliche Consulting-Unternehmen
mainmedico erstellt hat. In dem Index wird dargestellt, in welchen ärztlichen Fachgebieten der Bewerbermangel an Chefärzten und Chefärztinnen besonders groß ist.
Um den Index zu ermitteln, hat Dr. Wolfgang Martin von mainmedico errechnet, wie viele tätige Oberärzte/Oberärztinnen eines bestimmten Fachgebiets rechnerisch auf eine Chefarztposition desselben Gebiets kommen. Das bedeutet: Je niedriger der Indexwert ist, desto weniger potenzielle Bewerber gibt es pro Stelle.
Basis für den Index war die Auswertung von 480 Chefarztausschreibungen im Deutschen Ärzteblatt.Fachgebiete mit wenigen Bewerbern auf Chefarztposten
Der Index zeigt: Am Schwierigsten ist die Suche nach einem Chefarzt oder einer Chefärztin in der Gastroenterologie und in der Pneumologie. Würden alle Oberärzte/Oberärztinnen dieser beiden Fachrichtungen mit einem Schlag arbeitslos, gäbe es pro Chefarzt-Stellenanzeige im Deutschen Ärzteblatt durchschnittlich nur 32 Bewerber.
Schaut man sich die Pneumologie an, haben kleinere Häuser bei der Suche nach neuen Chefs und Chefinnen größere Probleme als renommierte Kliniken, wie etwa die Uniklinik Heidelberg. Der dort tätige medizinische Geschäftsführer der Thoraxklinik Heidelberg, Univ.-Prof. Dr. med. Felix Herth, sagt:
„Die Thoraxklinik Heidelberg hat einen gewissen nationalen Ruf, sodass wir bisher nie Probleme hatten, offene Stellen zu besetzen." Allerdings ist nicht nur die gute Reputation des Hauses, sondern auch eine
Kommunikation auf Augenhöhe zwischen Chef oder Chefin und Assistenzarzt Teil der Mitarbeiterstrategie. „Ein Kriterium ist, sich als Chefarzt deutlich weniger wichtig zu nehmen", so Prof. Dr. Herth.
Und genau hier könnte dann auch ein personalstrategischer Schlüssel liegen: Frauen sind gegenüber den hierarchischen Strukturen im Krankenhaus skeptischer als Männer, so Dr. Wolfgang Martin. Wenn die Begegnung auf Augenhöhe zwischen Chefärztin und Assistenzarzt nicht nur in der Theorie akzeptiert ist, sondern auch im Klinikalltag gelebt wird, gewinnt der Chefarztposten bei Frauen an Attraktivität.
Geringer Anstieg bei Frauen in medizinischen Top-Positionen
Denn in manchen Kliniken ist es ja noch immer so: Der Chefarzt schreitet bei der Visite voran, untergeordnete Ärztinnen und Ärzte, Medizinstudenten und Krankenschwestern folgen ihm und lauschen seinen Worten.
Dass diese Art der Mitarbeiter- und Patientenkommunikation vielen emanzipierten Ärztinnen übel aufstößt, liegt auf der Hand. Aber oft fehlt es an Ideen, alte, tradierte Muster aufzubrechen.
Ein interessanter Ansatz wird hier in der Evangelischen Elisabeth Klinik Berlin-Mitte verfolgt. Interessant nicht nur deswegen, weil hier ein moderner Führungsansatz gelebt wird, sondern auch die eigenen Ressourcen kreativ umverteilt wurden.
Seit August 2017 leiten Dr. Angelika Behrens und Dr. Vera Stiehr gemeinsam die Abteilung für Innere Medizin. Eine Chefarzt-Prozession am Morgen bei der alle Anwesenden die Klappe zu halten haben? Das ist hier rein physikalisch gar nicht möglich.