Willkommen beim Praktikum im Tiny Hospital! Das Klinikum Dortmund warb mit einem Instagram-Live-Event um Nachwuchs für die Pflege. Klinikchef und OP-Roboter waren beim Dreh dabei.
6 Uhr morgens. Klopf, Klopf… die Medikamentenverteilung beginnt. Da blinkt Zimmer 2 – der Patient braucht Hilfe bei der Körperpflege. Dann wird das Frühstück verteilt, aber nicht in Zimmer Nr. 1! Frau Vilo muss nüchtern bleiben, denn für sie geht’s gleich in den OP. Während die Pflegekraft sie dafür vorbereitet, klingelt das Telefon, ein Notfall wird angekündigt…wer kümmert sich um die Angehörigen?
So sieht echter
Krankenhausalltag aus, zumindest fast. Denn die Wände der Station, auf der diese Vorgänge passieren, bestehen aus Sperrholz, das Inventar und die Figuren sind Spielzeug. Zudem misst die Abteilung gerade mal 40 x 40 Zentimeter, hat aber trotzdem alles Wichtige, was dazu gehört: vier Zimmer mit Ruf-Leuchten über jeder Tür, Stationspult mit Telefon und Medikamenten- sowie Übersichtsplänen. Auch ein Medikamentenwagen steht bereit, selbst ein kleiner Infusionsständer fehlt nicht.
Das
Minimodell steht auf einer Liege im OP-Saal 9 des Klinikums Dortmund, wo soeben noch eine Leber operiert wurde. Gesteuert werden die Vorgänge auf der „kleinsten Station der Welt“ vom OP-Roboter Da Vinci. Normalerweise entfernt er zum Beispiel Tumore, heute heben drei seiner Greifer Playmobilfiguren hoch, der vierte Arm ist die Kamera. Am Schaltpult sitzt Prof. Dr. Maximilian Schmeding, Direktor der Klinik für Chirurgie. Das Ganze ist eine originelle PR-Aktion des Klinikums Dortmund, um Pflegenachwuchs anzuwerben. Denn der könnte wegen Corona bundesweit zunehmend ausbleiben. Im März 2021 wurde die vom OP-Roboter gesteuerte Frühschicht auf der Mini-Station live über den Instagram-Account (@klinikumdo) des Klinikums gezeigt. Die Zuschauer waren eingeladen, ein kurzes Praktikum vom Sofa aus zu absolvieren.
Kurzpraktikum als Social-Media-Event
„Wir wollten mit diesem digitalen ‚Kammerspiel‘ aufzeigen, wie vielfältig die Arbeitsabläufe auf einer Station sein können“, erklärt Marc Raschke, Leiter der Unternehmenskommunikation.
Dafür dampften sie acht Stunden auf rund 30 Minuten zusammen. Und in dieser kurzen Zeit bekam man auf spielerische Weise tatsächlich einen guten ersten Einblick des Pflegealltags, von Verbandswechseln über Blutabnehmen bis zur Dokumentation. Einige der Vorgänge, beispielsweise was bei einer Neuaufnahme zu beachten ist, wurden fachkundig von der Pflegewissenschaftlerin Andrea Besendorfer erklärt.
Auch die besonderen Herausforderungen des Berufs kamen zur Sprache. So wurde erläutert, dass täglich etwas Unvorhergesehenes passiert und Pflegekräfte sich immer wieder neu organisieren müssen. Auch das hohe Maß an Reglements wurde angesprochen, zum Beispiel in punkto Hygiene. „Das verkompliziert den Alltag an vielen Stellen. Das muss man der Fairness halber auch sagen“, so Raschke, der den Film moderierte. Zwischendurch meldeten sich Zuschauer und fragten im Chat, für wie viele Patienten eine Pflegekraft im worst-case zuständig sei. „Man sollte zehn Patienten nicht überschreiten“, antwortete Besendorfer.
Am Ende gab’s und gibt’s für die Zuschauer sogar eine Praktikums-Urkunde. Die können Interessierte nach wie vor screenshooten und sollten sie auch unbedingt ihrer Bewerbung beilegen.
10.000 Aufrufe in weniger als 24 Stunden
Das „Tiny Hospital“ ist kein Hochglanz-Werbestreifen. Die Aktion wurde von der Unternehmenskommunikation ausgedacht und durchgeführt. „Ich habe die Spielfiguren von Nachbarskindern ausgeliehen. Die Station wurde von einer Kollegin in der Garage gebastelt. Ihr Vater half bei der Elektrik. Den OP-Saal im Klinikum als Austragungsort haben wir nach Feierabend genutzt“, schildert Raschke. Und genau deswegen wirkt das Ganze so authentisch, was bei der Zielgruppe gut ankam. „In weniger als 24 Stunden wurde unser Social-Media Experiment mehr als 10.000 mal aufgerufen. Inzwischen haben es sogar einige Schulen geteilt, was optimal ist. Denn so erreichen wir genau den Nachwuchs“, erklärt Raschke. Auch die Filmcrew hatte offensichtlich Spaß während des Drehs, was zugleich ein Licht auf die Unternehmenskultur wirft. Als das Mittagessen im Tiny Hospital serviert wird, gab’s ausgerechnet Linsensuppe! „Und dass in der Bauchchirurgie“, kommentierte Besendorfer belustigt. Mit dem Eintreffen der Kollegin für die Nachmittagsschicht endet der originelle Werbespot nach 37 Minuten. Ob es bald eine echte Neue sein wird?
Ideen passend zur Zielgruppe
Schon in der Vergangenheit fiel das Klinikum Dortmund durch außergewöhnliche Maßnahmen zur Stärkung der Arbeitgeber-Marke auf. Mal nahmen sie
Geräusche aus dem OP auf und kreierten daraus ein eigenes Musikstück, um neue Operations-Technische-Assistenten zu gewinnen. Ein anderes Mal wurden Mitarbeiter mit Desinfektionsmitteln wie für eine Parfümreklame fotografiert. Oder sie hängten ihren Azubis Kameras über die Schulter, die sie durch ihren Alltag begleiteten, und schnitten daraus einen Film, der einem Computerspiel ähnelte.
Auf die Idee eines
corona-konformen Social-Media-Live-Events kam das Team im Sommer letzten Jahres. Um die Werbetrommel für eine Blutspende-Aktion zu rühren, wollte man ursprünglich Freiwillige in einem Escape-Room live Rätselfragen beantworten lassen. Aufgrund der Pandemie schob man die Veranstaltung dann ins Internet – zeitgemäß, nicht nur wegen Covid-19. „Nahezu alle frisch gebackenen Schüler unserer angegliederten Schule für Gesundheitsberufe sagen, dass sie über unsere sozialen Kanäle zu uns gefunden haben“, erklärt Raschke. Und wenn‘s richtig gut wird, sorgt das anschließende Medienecho für noch mehr Aufmerksamkeit. Der WDR war auch schon da. Jetzt aber mit einem großen Filmteam.
Wer das Live-Experiment verpasst hat, kann es nachträglich auf YouTube anschauen:
https://www.youtube.com/watch?v=GaR4yQs5qwg&t=9s