Wenn ein Chefarzt eine neue Stelle antritt, kann es schon mal knirschen: Neue Strukturen und unausgesprochene Spielregeln erschweren den Start. Hier setzt das Onboarding Coaching an.
Beim Onboarding Coaching begleitet ein professioneller externer Coach das neue Mitglied der Führungsebene in dieser wichtigen Phase. Denn ob der Start erfolgreich ist oder nicht, hängt nur zum Teil von der Fachkompetenz ab – ebenso wichtig ist es, die neuen Strukturen zu verstehen, inoffizielle Spielregeln zu erkennen und geschickt Netzwerke zu knüpfen.
Das Düsseldorfer Unternehmen
HealthCare Personalmanagement GmbH berät und unterstützt Einrichtungen des Gesundheitswesens in allen Bereichen des Personalmanagements und Recruitments. Als Experten im Bereich Healthcare bringen sie die richtigen Fach- und Führungskräfte mit den passenden Arbeitgebern zusammen. Wir sprachen mit der Geschäftsführerin Dorothea Rickert und der Onboarding-Spezialistin Petra Graak über die Hürden, die ein neu eingestellter Chefarzt nehmen muss.
Health Relations: Wie sind Sie zum Onboarding Coaching gekommen?Dorothea Rickert: Wir haben das Coaching vor über einem Jahr fest in unser Portfolio aufgenommen, weil es immer mehr Anfragen gab – zum einen von Seiten der Bewerber, der Ärzteschaft, die ganz gezielt ein Coaching nachfragten, etwa um sich optimal zu bewerben, zum anderen aber auch von Seiten der Kunden. Seitdem wir dieses Coaching anbieten, haben 15 bis 20 % der Chefarztanwärter, die wir vermittelt haben, das Angebot von sich aus in Anspruch genommen, und der Bedarf von Klinikseite wächst ebenfalls.
Petra Graak: Wir weisen die Kliniken schon vor der Ausschreibung einer Position darauf hin, dass die Möglichkeit eines Onboarding Coaching besteht.
Die Kunden haben verstanden, dass der Bedarf nicht aus einem defizitären Hintergrund erwächst, und die Bewerber verstehen das Angebot als zusätzlichen Benefit eines Arbeitgebers.
Health Relations: Wie läuft so ein Coaching ab?Petra Graak: Wenn der Kunde uns beauftragt, gibt es einen sogenannten
Dreiecks-Kontrakt zwischen dem Kandidaten, der Klinik und uns. Coaching-Themen bleiben in diesem Fall meist im beruflichen Rahmen, während bei einer Beauftragung durch einen Kandidaten auch persönliche Themen behandelt werden können. Bei einer privaten Beauftragung bleiben außerdem die Inhalte zwischen dem Coachee und dem Coach vertraulich; bei dem Auftrag durch eine Klinik wird diese zumindest über den Prozessrahmen informiert. Außerdem gibt es im letzteren Fall die Möglichkeit, sich zu Anfang und/oder zum Ende des Coachings mit allen drei Parteien zusammenzusetzen und die Rahmenbedingungen und Ergebnisse zu besprechen.
Ein Onboarding Coaching dauert in der Regel zwischen sechs Monaten und einem Jahr und beginnt vor Stellenantritt. Während der ersten Wochen ist die Begleitung üblicherweise sehr eng und nimmt dann im Verlauf des Coachings ab.
Petra Graak beim Coachen.
Health Relations: Welche Inhalte sind typisch für ein Onboarding Coaching?Petra Graak: Als Coach habe ich die Möglichkeit, in einem geschützten Rahmen ein offenes Feedback dazu zu geben, wie ich den Coachee wahrnehme.
Thematischer Schwerpunkt ist oft die neue Unternehmenskultur – oft gibt es unausgesprochene Spielregeln in einem neuen Haus, und das sind die Fallen, über die der Coachee später stolpert. Jedes Haus hat so seine Eigenheiten. Ein weiterer Themenschwerpunkt besonders für Kandidaten, die zum ersten Mal in eine Chefarztposition wechseln, ist die neue Rolle an sich. Was möchte ich an mir verändern, um möglichst gut wahrgenommen zu werden? Der Chefarzt hat ja nicht nur eine "interne" Wirkung, sondern präsentiert das Haus auch nach außen.
Der Chefarzt hat ja nicht nur eine "interne" Wirkung, sondern präsentiert das Haus auch nach außen. In einem Onboarding Coaching können aber auch strukturelle und organisatorische Verbesserungen oder die wirtschaftliche Arbeitsweise eines Anwärters besprochen werden.
Dorothea Rickert: Wenn wir heute Chefarztausschreibungen haben, kommen viele Bewerbungen bereits aus Chefarztpositionen –
es ist nicht immer der leitende Oberarzt, der Chefarzt wird; das Karussell bewegt sich auch auf Chefarztebene. Diese Kandidaten bringen natürlich andere Erfahrungen mit als jemand, der in eine neue Position aufsteigt.
Auch wenn Sie Bewerber, die von einem privaten Träger kommen, bei dem die ökonomischen Aspekte eine große Rolle spielen, in ein konfessionelles Haus vermitteln, in dem ein ganz anderes Leitbild herrscht, müssen Sie diese Bewerber ganz anders vorbereiten.
Health Relations: Inwiefern unterscheidet sich das Coachen im medizinischem Bereich von anderen Branchen?Petra Graak: Das Coachen von medizinischem Personal unterscheidet sich im Wesentlichen nicht von anderen Branchen: Es geht eigentlich immer darum zu verstehen, was einen antreibt. Hinzu kommt beim Arzt aber das
Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichem Denken und dem ethischen Anspruch. Der Spagat zwischen diesen Themen kommt beim Coachen von Ärzten schneller zum Tragen als wenn man etwa jemanden aus dem Marketing berät.
Eine weitere Besonderheit für Mediziner ist der fehlende Ursache-Wirkung-Zusammenhang im Coaching.
Das Zusammenspiel mit Menschen an einem Arbeitsplatz unterscheidet sich von der Diagnostik, bei der eine bestimmte Behandlung eine bestimmte Wirkung erzielt. Hier kann ich dem Coachee neben meinem Feedback Methoden an die Hand geben, um die nicht vorhersagbaren Reaktionen von Kollegen und Untergebenen besser zu verstehen.
Coaching im medizinischen Bereich ist auch deshalb so sinnvoll, weil ein hervorragender Operateur ja nicht automatisch auch hervorragend führen kann.
Dorothea Rickert: Coaching im medizinischen Bereich ist auch deshalb so sinnvoll, weil ein hervorragender Operateur ja nicht automatisch auch hervorragend führen kann.
Neben der fachlichen Fähigkeit zählt auch die Persönlichkeit. Wenn nicht beides stimmt, richtet das in den Kliniken großen Schaden an. Deswegen versucht man heute frühzeitig, den neuen Kollegen zu fördern und zu unterstützen.
Health Relations: Welche Vorteile hat ein Onboarding Coaching für eine Klinik?Dorothea Rickert: Im Gesundheitswesen herrschen anders als in der freien Wirtschaft zum Teil noch verkrustete Strukturen, die ein offenes Miteinander verhindern. In der Vergangenheit kam es vor, dass Geschäftsführer einer Klinik als allerletzte Maßnahme vor der Kündigung eines Chefarztes ein Coaching angeordnet haben – das hat natürlich keinen Erfolg. Basis eines erfolgreichen Coachings ist das frühzeitige Einsetzen und das freiwillige Mitwirken des Coachees.
Petra Graak: Was Kliniken noch lernen müssen, ist, Coachings nicht nur für Mitarbeiter anzubieten, die "auf der Kippe stehen" – Coaching ist am sinnvollsten bei Mitarbeitern, die besonders gut sind und denen so geholfen werden kann, noch besser zu werden.
Ein Coaching vor dem Antritt einer neuen Position mindert für die Klinik das Risiko einer Fehlbesetzung.Ein Coaching vor dem Antritt einer neuen Position mindert für die Klinik das Risiko einer Fehlbesetzung. Darüber hinaus hilft es dem Coachee dabei, nicht so schnell das Handtuch zu schmeißen und nicht in jedes Fettnäpfchen zu treten.
Wenn der Coachee die Spielregeln innerhalb eines Hauses schneller erkennt, kann er souveräner reagieren und früher beginnen, Entscheidungen zu treffen.Dorothea Rickert ist Geschäftsführerin der HealthCare Personalmanagement GmbH. Das Unternehmen ist eine auf das Gesundheitswesen spezialisierte Personalberatung mit Sitz in Düsseldorf. Seit über zwölf Jahren vermittelt HealthCare Personalmanagement hochqualifizierte Führungskräfte und Mediziner an deutsche Kliniken, Praxen, Reha-Einrichtungen und Pharma-Konzerne.
Petra Graak ist ausgebildete Supervisorin (DGSv), Coach und Trainerin DVNLP sowie Diplom-Kauffrau mit langjähriger Erfahrung als Personalleiterin eines internationalen Unternehmens der Pharmaindustrie.Bilder im Beitrag: © HealthCare Personalmanagement GmbHTitelbild: © fotolia.com/Jenny Sturm