Inwieweit kann der Einsatz von Big Data und Künstlicher Intelligenz (KI) im Krankenhaus helfen, Ärzte bei der Arbeit zu entlasten? Prof. Dr. Holger Holthusen, Medizinischer Direktor bei der Knappschaft Kliniken GmbH, stellt verschiedene Projekte aus seinen Kliniken vor.
Das erste Projekt heißt
ADAPI (Automatisierte Dokumentation des Arzt-Patienten-Dialogs) und wird in Zusammenarbeit mit der Firma Lang.tech und dem Fraunhofer Institut durchgeführt. Bei Patientengesprächen trägt der Arzt ein Mikrofon. Eine
Spracherkennungssoftware filtert relevante Passagen aus den Gesprächen heraus und überträgt diese automatisch in das KIS-System. Das System erkennt etwa Terminvereinbarungen, erstellt Briefe und trägt auf einer Plattform eine Nachricht an den weiterbehandelnden Arzt ein. Von solchen Lösungen verspricht sich Holthusen eine deutliche Verbesserung der Arbeitsprozesse im Krankenhaus.
Ein anderes Projekt hat den Namen "Mona". Dahinter steht ein fest am Intensivbett installiertes System, das den oftmals sehr
komplizierten Patientenverlauf zusammenfassen kann, sodass nur noch die wesentlichen Informationen erhalten bleiben. Dabei werden beispielsweise die relevanten Labordaten KI-gestützt aus einer großen Anzahl von Labordaten herausgefiltert. Darüber hinaus werden die heute mehr als 800 medizinischen Leitlinien mithilfe von Checklisten-Elementen auf ihre Einhaltung überprüft. Außerdem kann das System vergütungsrelevante Parameter und Patienteninformationen aktiv überwachen und proaktiv abfragen. Und schließlich gibt es eine KI-gestützte sprachgesteuerte Extraktion von Fachwissen aus Datenbanken sowie eine Dokumentation in der Patientenakte per Sprachbefehl. "Besonders letzteres wird möglicherweise die Arbeit auf der Intensivstation revolutionieren", glaubt Prof. Dr. Holger Holthusen.
Nicht nur die
Verbesserung des Workflows erleichtert Ärzten die Arbeit, auch unterstützende Systeme bei der Behandlungsentscheidung, sogenannte
Decision Support Systems, tun das. Mit solchen Lösungen beschäftigt sich das Projekt
Radiomics, bei dem quantitative Bildmerkmale in großen medizinischen Bilddatenbanken analysiert werden. Die Technik ermöglicht außerdem eine
Workload-Reduktion durch
Smart Elimination und hilft beim Auffinden seltener Erkrankungen, z. B. durch das Erkennen gesunder Thorax-Röntgenaufnahmen und deren Kennzeichnung.
Darum kann KI Ärzte bei der Arbeit entlasten
Health Relations: Wie kann der Einsatz von KI angesichts von Pflege- und Ärztemangel helfen?Prof. Dr. Holger Holthusen:KI kann die umfänglichen Dokumentationspflichten des Pflegepersonals und der Ärzte unterstützen und teilweise übernehmen. Insbesondere kommen dafür sprachanalysierende Systeme in Betracht. Weiterhin kann KI Eintragungen in die elektronische Patientenakte auf Vollständigkeit und Plausibilität überprüfen. Darüber hinaus kann KI Informationen aus bereits digitalisierten Daten (PDMS-Daten, Laborserver, Hygienedatenbank, etc.) filtern, zusammenführen und nach Analyse Empfehlungen für prophylaktische und therapeutische Tätigkeiten abgeben. Pflege und Ärzteschaft bleiben somit mehr Zeit für Kernaufgaben.
Health Relations: Viele Krankenhäuser leiden unter Ärztemangel. Kann KI unterstützen, indem sogar Stellen eingespart werden können?Prof. Dr. Holger Holthusen: Das sehe ich auf absehbare Zeit nicht. Der Faktor Mensch ist für Behandlung und Genesung unabdingbar und wurde lange unterschätzt. Die moderne Arbeitswelt und die Technisierung der Medizin haben die Kontaktzeit Patient – Therapeut (Pflege eingeschlossen) über die Jahre immer weiter verkürzt. Meine Hoffnung ist, dass KI sinnvoll genutzt dort wieder mehr Spielräume eröffnet, und zwar nicht nur zum Wohle von Patient, sondern auch für Pflege und Ärzteschaft, da diese daraus eine hohe Befriedigung und Selbstbestätigung ziehen können.
Health Relations: Die Bundesregierung wird Fördermittel für die Digitalisierung der Krankenhäuser bereitstellen. Sie sagen, dass Sie überlegen, Personal für die Beantragung der Fördermittel aus dem Krankenhauszukunftsgesetz einzustellen. Welche Fachkräfte werden dafür gesucht?Prof. Dr. Holger Holthusen:In Klinikverbünden wie die Knappschaft Kliniken GmbH mit 13 Krankenhäusern, inklusive eines universitären Klinikums, ist eine kleine aber feine Abteilung für Forschungskoordination und das Projektmanagement sinnvoll. Nur ein Teil der Aufgaben betrifft dabei die Antragstellung. Als Qualifikation für die Leitung einer solchen Abteilung sollten Erfahrungen in der Betreuung von Forschungsprojekten vorhanden sein. Eine Promotion in Medizin oder einem naturwissenschaftlichen Fach wäre ideal.