In den letzten zehn Jahren kamen wieder etwas mehr junge Ärzte in die Kliniken und Praxen – bislang ist das aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Die Gesellschaft altert, und mit ihr die Ärzteschaft. Lag der Anteil der unter 35-jährigen Ärzte 1993 noch bei 26,6%, betrug er bei der letzten Erhebung im Jahr 2014 gerade einmal 18,3%. Dennoch: Es gibt Grund zur Hoffnung für die medizinische Versorgung im Land. Seit einem Tiefpunkt im Jahr 2005 – damals betrug der Anteil der unter 35-Jährigen in der deutschen Ärzteschaft nur noch 15,4% – gibt es wieder etwas mehr junge Ärzte (
Ärztestatistik der Bundesärztekammer (BÄK) 2014).
Woher kommt der Nachwuchs, und wird er ausreichen, um den hohen Bedarf der kommenden Jahrzehnte zu decken? „Der Anteil an jungen Ärzte verläuft kongruent mit den Absolventenzahlen in der Humanmedizin“, erklärt Dr. Max Kaplan, Vizepräsident der Bundesärztekammer. „Sie waren von 1993 bis 2005 deutlich rückgängig, gingen aber ab 2006 wieder leicht nach oben und haben sich inzwischen auf einem Wert von etwa 9600 im Jahr eingependelt.“
Eine weiterer möglicher Grund für die leichte Erholung der Nachwuchszahlen: „Wir erleben zur Zeit eine deutliche Ost-West-Wanderung junger Ärzte, insbesondere aus Polen, Tschechien, Rumänien und Ungarn nach Deutschland“, so Kaplan. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl ausländischer Ärzte in Deutschland mehr als verdoppelt.
Das Problem ist noch lange nicht gelöst
Das Problem des Nachwuchsmangels in der Ärzteschaft sei mit dem leichten Aufwärtstrend bei den unter 35-jährigen Ärzten allerdings noch lange nicht gelöst, betont Kaplan. Denn der Bedarf ist enorm: „Die Zahl der Behandlungsfälle hat allein im ambulanten Bereich in den letzten zehn Jahren um 152 Millionen zugenommen. Und diese Zahlen werden weiter steigen, schon allein aufgrund der demographischen Entwicklung der Bevölkerung.“
Der Bedarf an medizinischen Leistungen nimmt also zu, das Arbeitszeitvolumen pro Arzt dagegen ab. „Auch in der Ärzteschaft bekommt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einen immer höheren Stellenwert. Viele Kollegen sind in Teilzeit tätig oder bevorzugen – auch im ambulanten Bereich –ein Angestelltenverhältnis“, erklärt Kaplan. Und wenn das Arbeitszeitvolumen pro Arzt abnehme, dann benötige man für die gleiche Versorgung eben mehr Ärzte.
Doch woher sollen die kommen? „Wir brauchen mehr Studienplätze“, betont Kaplan, „mindestens 10% mehr.“ Vor der Wiedervereinigung habe es in Westdeutschland 12.000 Studienplätze gegeben, heute seien es 10.000, aber fünf Bundesländer mehr.
Bessere Auswahlkriterien für künftige Medizinstudenten
Der BÄK-Vizepräsident betont außerdem, dass der Zugang zum Medizinstudium verändert werden müsse. „Eine gute Abiturnote hilft vielleicht, das Studium erfolgreich zu durchlaufen, sie garantiert aber noch lange nicht, dass der Student hinterher in die Patientenversorgung geht, vielleicht sogar Landarzt wird.“ Dafür müssten neben der Abiturnote noch andere Auswahlkriterien Anwendung finden, etwa psychosoziale Kompetenzen oder Berufserfahrung in anderen Gesundheitsberufen. „Wer die medizinische Versorgung schon kennengelernt hat und dann Medizin studiert, der geht hinterher eher auch in die Patientenversorgung“, so Kaplan.
Mehr jungen Menschen das Studium der Medizin zu ermöglichen, ist eine Sache. Damit sie nach erfolgreichem Studienabschluss auch wirklich in die Patientenversorgung gehen und nicht zur nächsten Unternehmensberatung, muss auch das Berufsbild des Arztes attraktiver werden.
„Die beruflichen Rahmenbedingungen müssen so gestaltet sein, dass die jungen Leute mit Begeisterung in den Beruf gehen“, sagte Kaplan. Und dazu gehören flexible Arbeitszeiten und die Ermöglichung von Teilzeitarbeit ebenso wie an Klinken angeschlossene Kindergärten mit großzügigen Öffnungszeiten.
Lebensqualität auch als Landarzt
Auch im niedergelassenen Bereich muss sich einiges tun: Kaplan nennt als Lösungsansätze die Delegation von Aufgaben an das Praxisteam und die stärkere Kooperation von Ärzten untereinander, aber auch mit anderen Gesundheitsberufen. Und im ländlichen Bereich müsse der ärztliche Bereitschaftsdienst neu strukturiert werden, um die Lebensqualität der Ärzte dort zu verbessern.
Mit solchen und ähnlichen Maßnahmen habe man bereits erste Erfolge erzielt, so Kaplan. Und als effektiv hat sich auch eine Maßnahme gegen das brennendste Problem der medizinischen Versorgung, den Mangel von Hausärzten auf dem Land, erwiesen: „Durch unser
Förderprogramm Allgemeinmedizin für junge Kollegen, die eine Verbundweiterbildung zum Hausarzt machen, konnten wir deren Zahl seit 2010 um 55% erhöhen.“