Der erste Eindruck zählt. Wenn der neue Arzt anfängt, entscheiden die ersten Arbeitswochen, ob er bleibt oder das Krankenhaus lieber fluchtartig wieder verlassen möchte. Erste Kliniken setzen daher auf einen strukturierten Onboarding-Prozess. Dabei müssen sie mehrere Schritte beachten.
Qualifizierte Ärzte zu finden, ist für Krankenhäuser heutzutage nicht einfach. Umso größer ist die Erleichterung, wenn der Arbeitsvertrag unterzeichnet ist. Wer aber meint, nun sei alles in trockenen Tüchern, der irrt. Mehr als 30 Prozent der neu eingestellten Mitarbeiter in Unternehmen springen schon vor dem ersten Arbeitstag wieder ab. Das ergab eine Umfrage der Haufe Group unter mehr als 600 Personalverantwortlichen. Auch in Krankenhäusern lauert die Gefahr, dass der Arzt sich vor Jobbeginn doch noch für eine andere Stelle entscheidet. Hat eine Klinik allerdings ein gutes Onboarding, bindet das Mitarbeitende bereits vor dem offiziellen Start. Darüber hinaus vermeidet ein strukturierter Einarbeitungsprozess Leerläufe, chaotische Einarbeitungstage und mitunter hohe Nachbesetzungskosten. Die Neuankömmlinge integrieren sich schneller ins Team und den Vorgesetzten und Kollegen wird die Unsicherheit in der Einarbeitungsphase genommen. Ein professionelles Onboarding kann also ein wesentlicher Vorteil im War for Talents sein. Dabei gilt: Je früher die Einarbeitung ansetzt, desto schneller fühlen sich neue Ärzte an ein Krankenhaus gebunden und kommen ins produktive Arbeiten. Dazu gehören mehrere Schritte, die Kliniken beim Aufsetzen eines Onboarding-Prozesses beachten sollten:

1. Kliniken müssen die Onboarding-Stressoren kennen

Wenn Krankenhäuser einen guten Prozess aufsetzen möchten, müssen sie sich erst einmal in ihr Gegenüber hineinversetzen und die Onboarding-Journey durchspielen. Denn dann wird sehr schnell klar, was zu tun ist und woran es fehlt. Dazu gehören Überlegungen wie:
  • Was braucht die neue Chirurgin, damit sie sich von Anfang an sicher fühlt?
  • Wie können wir dem Assistenzarzt aus dem Ausland helfen, sich schneller zu integrieren?
  • Wen stellen wir dem Neuankömmling zur Seite?
Dr. Lars Holldorf, © Dr. Holldorf Consult GmbH

Dr. Lars Holldorf, © Dr. Holldorf Consult GmbH

Zuweilen passiert es auch, dass vollmundige Versprechungen aus dem Bewerbungsgespräch in der Praxis nicht umgesetzt werden. Die Folge wären enttäuschte Erwartungen und eine große Verunsicherung. Kein guter Start für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. „All das sind sogenannte Onboarding-Stressoren“, sagt der Personalstratege Dr. Lars Holldorf. Und die können darüber entscheiden, wie gut sich ein Arzt im neuen Krankenhaus einlebt und wie wohl er sich fühlt. Damit gemeint sind Faktoren, die neue Mitarbeiter daran hindern, ihr volles Potenzial abzurufen. Ein gutes Onboarding sorgt hingegen dafür, dass Ärzte schneller produktiv arbeiten.

2. Das Onboarding von Anfang bis Ende denken

Eine Willkommensmappe drucken und die übliche Vorstellungsrunde durch die Abteilung drehen – von einem Onboarding-Prozess erwarten Ärzte heute mehr. Personaler sollten die Einarbeitung neuer Kollegen daher von Anfang bis Ende denken. Dazu gehört, dass sie ihren Prozess auf die Stelle zuschneiden und dabei individuelle Bedürfnisse berücksichtigen. Sprich: Wenn sprachliche Barrieren da sind, diese schnellstmöglich ausräumen. Oder wenn ein Arzt zwischen unterschiedlichen Krankenhausbetreibern wechselt, kulturelle Werte des neuen Hauses vermitteln. Darüber hinaus empfiehlt es sich, die Einarbeitung in Zeitphasen einzuteilen. Idealerweise beginnen diese bereits bei Vertragsunterzeichnung und können mitunter bis zu einem Jahr dauern.  Das ist beispielsweise bei ausländischen Fachkräften nicht selten der Fall, weiß Lars Holldorf. Während des gesamten Verlaufs müssen dabei die Verantwortlichkeiten geklärt sein, damit nicht nur der Neue, sondern auch der langjährige Mitarbeiter weiß, was er zu tun hat. Krankenhäuser, die ihr Onboarding erstmals als ganzheitlichen Prozess aufsetzen, können in einem Workshop hilfreiche Impulse sammeln.

3. Die Einarbeitung beginnt mit Vertragsunterschrift

Wer kennt das nicht? Vor Jobbeginn macht sich eine gewisse Unsicherheit breit. Ist es auch der richtige Arbeitgeber? Sind die Kollegen nett? Dieses Gefühl können Kliniken den Neuankömmlingen ein Stück weit nehmen, wenn sie ihr Onboarding früh ansetzen. Via E-Mail kann die HR-Abteilung neue Kollegen schon im Vorfeld mit der Unternehmenskultur vertraut machen und viele Fragezeichen ausräumen. Banalitäten wie die Kleidergröße oder die Parkplatzsituation können ebenfalls frühzeitig geklärt werden. Auch welche Mitarbeiter-Benefitprogramme es gibt oder wie Urlaubsregelungen funktionieren, sind interessante Informationen für Jobanfänger. Dazu eignet sich beispielsweise ein kurzes Erklärvideo. „Das muss kein professioneller Film sein. In vielen Fällen reicht auch das Smartphone schon aus“, sagt Lars Holldorf. Auch ein Teamgefühl kann auf diese Weise gelingen. Ein Video von den Kollegen kann den Entschluss der rekrutierten Ärztin festigen und ihr ein gutes Gefühl vermitteln. „Hallo Simone, wir wissen, dass du bald zu unserem Team gehörst. Wir freuen uns auf dich“, ist eine mögliche Botschaft mit großer Wirkung.

4. Mit einer Onboarding-Plattform Prozesse automatisieren

Ein professioneller Onboarding-Prozess, der schon nach Vertragsunterschrift ansetzt, kostet Zeit und Ressourcen. Sicherlich, wenn ein neuer Arzt dadurch schneller ins produktive Arbeiten kommt und die Zusammenarbeit mit den Kollegen gut läuft, zahlt sich das am Ende aus. Und trotzdem müssen Krankenhäuser diesen Prozess erst einmal stemmen. Wie beim Recruiting können automatisierte Prozesse hier helfen. Beispielsweise mit E-Mails, die die neue Kollegin auf die Stelle vorbereiten und sie motivieren. Ohne zusätzliche Ressourcen können diese von der Personalabteilung automatisiert ausgespielt werden. Gleichzeitig läuft über dieses System auch die nötige Abstimmung mit internen Schnittstellen wie EDV, Kleiderkammer, Teamkollegen und Vorgesetzten. Dabei bietet sich ein funktionierendes Bewerbermanagementsystem, das das Onboarding mit übernimmt, an. „Es gibt solche Lösungen und die können Krankenhäuser für weit unter 500 Euro monatlich nutzen“, sagt Lars Holldorf. Diese laufen meist cloudbasiert und ermöglichen so auch die Einarbeitung im Homeoffice. Ein Bedürfnis, das in COVID-19-Zeiten stark zugenommen hat.

Fazit: Einfach mal anfangen …

Am Ende verhilft ein gutes Onboarding Krankenhäusern nicht nur dazu, dass Ärzte schneller produktiv werden, sondern ist auch ein entscheidendes Argument im War for Talents. „Der Prozess muss dabei keineswegs von Anfang an perfekt sein“, sagt Lars Holldorf. „Überhaupt mal zu starten, macht wesentlich mehr Sinn, als lange Zeit über Ideen zu brüten.“
Ob ein Arzt bleibt oder das Krankenhaus schnell wieder verlässt, hängt nicht nur mit seiner fachlichen Einarbeitung zusammen. Auch die soziale Integration spielt eine entscheidende Rolle. Erfahren Sie im nächsten Teil unserer Onboarding-Serie, wie Ärzte schneller ins Team finden … https://www.healthrelations.de/onboarding-neuer-aerzte-krankenhaus/