Gute Assistenzärzte darf man nicht mit schlechten Arbeitsbedingungen drangsalieren, davon ist Chefarzt Prof. Baberg, Helios, überzeugt.

Status, Prestige, Geld – Generationen von Klinikärzten waren bereit, dafür 24-stündige Bereitschaftsdienste zu schieben und das Privatleben auf ein Minimum zu reduzieren. "Uns war das Geld wichtiger als die Freizeit“, erzählt Prof. Dr. med. Henning T. Baberg im Gespräch mit Health Relations. „Wir haben gerne mehr Schichten gemacht, um dadurch mehr Geld zu verdienen. Heute ist das anders.“ Die von Soziologen und Generationsforschern mit dem Buchstaben Y versehene Generation hat andere Prioritäten: Die zwischen 1980 und 1999 geborenen Millennials wollen lieber Freizeit als Geld, mehr Zeit mit der Familie verbringen, Freiräume haben, sich selbst verwirklichen. Wie lässt sich dieser Wertewandel mit der Arbeitsrealität in den Krankenhäusern vereinbaren? "Wir haben unser Dienstsystem auf ein Schichtdienstsystem mit 40 Stunden umgestellt" „Die Kliniken müssen sich auf diesen Wandel einstellen“, so Baberg, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik und Poliklinik für Kardiologie und Nephrologie im HELIOS Klinikum Berlin-Buch. An den Kernarbeitszeiten lasse sich von den Arbeitsabläufen her recht wenig ändern. Aber die langen Bereitschaftsdienste, die zu Wochenarbeitszeiten über 60 Stunden geführt hätten, seien überholt. „Wir haben unser Dienstsystem im internistischen Bereich, aber auch in vielen chirurgischen Kliniken, auf ein Schichtdienstsystem mit 40 Stunden umgestellt. Die Spät- und Nachtschichten sind dabei Vollarbeitszeiten und werden mit Freizeit ausgeglichen“, berichtet er.

Die Generation der „Alles-Hinterfrager“?

"Die jungen Ärzte wollen Führung und fordern sie auch ein" Den Buchstaben Y (im Englischen wie „why“ ausgesprochen, also „warum) hat die Generation nicht nur verliehen bekommen, weil sie auf die Generation X folgt. Es heißt, die Millennials hinterfragen alles, und auch die Vorgaben des Chefs werden nicht ohne nachzuhaken als richtig akzeptiert. Bekommen das auch die Chefärzte in den Kliniken zu spüren? „Das Gefühl habe ich nicht“, verneint Baberg.  „Ich erlebe eher, dass die jungen Ärzte Führung wollen und diese auch einfordern. Früher hätte man als Assistenzarzt die Anweisung bekommen „Das ist jetzt Ihre Station, kümmern Sie sich darum“, heute läuft das alles „mehr nach Stundenplan ab, die Assistenten wollen genau wissen was sie wann und wie machen sollen“.
Prof. Dr. med. Henning T. Baberg, HELIOS Klinikum Berlin-Buch

Prof. Dr. med. Henning T. Baberg, HELIOS Klinikum Berlin-Buch

Das könnte jedoch, wie Baberg vermutet, weniger der neuen Generation als den Fortschritten im Gesundheitswesen geschuldet sein. „Wir arbeiten heute anders als noch vor 20 Jahren, es gibt viel mehr Vorgaben von außen, man denke nur an die evidenzbasierte Medizin, für viele Erkrankungen gibt es Leitlinien, die vorgeben, wie behandelt werden soll.“ Es gibt heute nicht mehr die ein oder die andere Schule, nach der behandelt wird. „In Kliniken, in denen leitliniengerecht behandelt wird, gibt es also nicht wirklich Grund, ständig nach einem Warum zu fragen.“

Von wegen arbeitsscheu

Die Generation Y weist dem Privatleben eine höhere Priorität zu als es frühere Generationen getan haben, manchmal resultiert das im Verwurf der Arbeitsscheuheit. Aber eigentlich ist das Gegenteil der Fall: Die Millennials  waren schon an der Uni diejenigen, die freiwillig zusätzliche Kurse und Praktika belegt haben, im Ausland waren oder sich sozial engagierten. „Wir bekommen von den Universitäten extrem engagierte und aufgeklärte junge Menschen, die mehr gemacht haben, als ausreichend gewesen wäre, und die einen großen Wissenshunger haben, den wir als Arbeitgeber erfüllen müssen“, berichtet Baberg. Die Forderung nach Fort- und Weiterbildung ist eine der wichtigsten, die ich immer wieder höre“, betonte er. "Die Arbeitgeber müssen den Wissenshunger der jungen Menschen erfüllen" Und die Kliniken täten gut daran, möglichst viele der Forderungen der neuen Generation zu erfüllen. „Als ich vor 20 Jahren angefangen habe, als Arzt zu arbeiten, gab es eine Ärzteschwemme. Mir war klar, wenn mein Vertrag nicht verlängert wird, finde ich nicht so schnell eine neue Anstellung“, berichtet Baberg. „Heute sind wir in der Klinik dankbar, wenn wir gute Assistenzärzte haben und werden sie nicht mit schlechten Arbeitsbedingungen drangsalieren“, bringt Baberg es auf den Punkt. Wenn die Generation Y Eigenverantwortung, strukturierte Weiterbildung, Freizeit und Vereinbarkeit von Familie und Beruf fordert, hat sie gute Chancen. Das Krankenhaus nebenan sucht nämlich auch nach guten Assistenzärzten.