Digital Health ist längst kein Standard. Der Corona-Effekt wird offenbar überschätzt. Eine repräsentative Online-Umfrage zeigt: Patient:innen fühlen sich insbesondere von ihren Ärztinnen und Ärzten nur unzureichend informiert. Eine Chance für Pharma?
Das eigene Schlafverhalten mit einer App tracken, die Hausärztin in ihrer Videosprechstunde kontaktieren oder ein Core-Power-Workout in der Fitness-App machen – es gibt zahlreiche Möglichkeiten, digitale Gesundheitsangebote zu nutzen. Die Pandemie gilt als Katalysator für die Digitalisierung. Sie hat viele Nutzer:innen und Patient:innen dazu bewegt, sich für digitale Gesundheitsangebote zu interessieren und sie auszuprobieren. In einer Online-Umfrage hat das Kölner Marktforschungsinstitut anwema untersucht, wie intensiv Menschen Digital-Health-Angebote tatsächlich in ihr Leben integriert haben.
Anja Wenke, Inhaberin anwema

Anja Wenke © anwema

Die breite Masse in der Bevölkerung haben Digital-Health-Angebote noch nicht erreicht: Grundsätzlich interessieren sich zwar 43 Prozent der Erwachsenen für digitale Gesundheitsangebote, denn sie gehen davon aus, dass ihnen die Angebote im Alltag nützen, gleichzeitig signalisieren 23 % kein oder fast kein Interesse daran, 35 % sind unentschieden. „Viele Laien, ob Jung oder Alt, haben eine erwartungsvolle Einstellung gegenüber Digital-Health-Angeboten, finden jedoch keinen richtig guten Einstieg“, sagt Anja Wenke, Inhaberin von anwema.

Videosprechstunde kennen die meisten

Die Videosprechstunde ist der Hälfte aller Befragten inzwischen bekannt, doch nur ein Bruchteil (8 %) hat sie bislang auch genutzt. Für 27 % der 16-34-Jährigen kommt die Nutzung von Telemedizin infrage, bei den über 70-Jährigen sind es 18 %. Etwa 15 % der Jungen und 3 % der Ältesten haben Telemedizin bereits genutzt. Ähnliches gilt für DiGA: Auch sie sind den Patient:innen geläufig, die wenigsten haben sie bislang allerdings genutzt. Und auch nur für gerade mal 18 Prozent kommt das in Zukunft überhaupt infrage.
Die Digitalisierung scheint also trotz Corona-Effekt nur schwer in Gang zu kommen. Um Digital-Health-Angebote aktiv zu nutzen, muss Patient:innen deren Mehrwert klar sein und sie müssen ein hohes Vertrauen in die Qualität und Datensicherheit des Angebots haben. Denn schließlich sollen Apps, DiGA, Online-Therapien etc. vor allem eines: die Qualität der Patient:innen-Versorgung in Deutschland verbessern.

Patient:innen: zu wenig Informationen über digitale Angebote

Wer kann hier entsprechende Aufklärungsarbeit leisten? Allen voran die Krankenversicherungen und Mediziner.innen, sagt die Mehrheit der Befragten.  Doch von Krankenkassen (40 Prozent) und Ärzt:innen (52 Prozent) fühlen sich viele schlecht oder eher schlecht informiert. Das Vertrauen in die Ärzteschaft ist jedoch generell hoch. Medien hingegen scheinen einen Großteil der Aufklärungsarbeit zu leisten.

Pharma kann Patient:innen Einstieg in Digital Health erleichtern

Pharmaunternehmen können zur Aufklärung über digitale Gesundheitsangebote beitragen. Viele Unternehmen bieten digitale Patientenunterstützungsangebote an: sei es als Skill auf Alexa, als App, ein Informationsportal zur Erkrankung oder Chatbots, die gängige Fragen beantworten. Für viele Menschen scheint es problematisch, überhaupt einen Zugang zu solchen digitalen Angeboten zu finden. Laut der Umfrage wissen 46 % der über 70-Jährigen nicht, wie sie mit digitalen Angeboten beginnen sollen. Auch 38 % der 16-34-Jährigen haben dieses Problem. „Pharmaunternehmen könnten hier gut ansetzen und zielführende Informationen für Patient:innen und Ärzt:innen zur Verfügung stellen, damit beide gemeinsam den Einstieg finden.  Um die Barriere zu identifizieren, helfen konkrete Analysen der Digital Health Journey“, sagt Marktforscherin Anja Wenke. Aber auch die RX-Kommunikation können Healthcare- Unternehmen weiter optimieren: „Wer Ärztinnen und Ärzten Wege aufzeigen kann, welchen medizinischen Zusatznutzen bestimmte Digital Health Angebote für spezielle Therapien haben kann, hierzu schult oder nützlichen Support leistet, wird sicherlich hohe Beachtung finden", sagt Anja Wenke.

Fazit

Ein Großteil der Menschen ist davon überzeugt, dass ihnen entsprechende Digital-Health-Angebote im Alltag nützen könnten. Doch es fehlt ihnen an praktischem Wissen, wie sie entsprechende Angebote finden und anwenden, und sie benötigen Kriterien, um besser beurteilen zu können, welche Benefits diese wirklich haben.  Die Studienergebnisse zeigen, dass hier noch viel ungenutztes Potenzial ist.

Über die Studie

In einer bevölkerungsrepräsentativen Online-Umfrage von anwema wurden 1.041 Personen ab 16 Jahren in Deutschland vom 03. bis 12.08.2022 befragt. Ziel war es, herauszufinden, wie sich Corona auf das medizinische Vorsorgeverhalten und eine Veränderung des gesundheitsrelevanten Lebensstils ausgewirkt hat. Ein Teil der Fragen bezog sich auch auf das Interesse an und die Nutzung von Digital-Health-Angeboten.