Zusammen mit einer Hochschule wollen die Westküstenkliniken den Studiengang zum Physician Assistant aufbauen. Der bietet eine neue Karriereoption für ausgebildete medizinische Fachkräfte und die Chance, Mediziner zu entlasten.
An der schleswig-holsteinischen Nordseeküste liegen die Westküstenkliniken Brunsbüttel und Heide (WKK). Dr. Anke Lasserre ist Geschäftsführerin der Kliniken und hat ein Ziel vor Augen:
Sie will gut ausgebildete Menschen an ihr Krankenhaus binden oder sogar aus anderen Regionen hierher holen. Dazu soll es künftig in Kooperation mit einer Hochschule den Studiengang zum sogenannten "Physician Assistant" geben.
Ein Physician Assistant stellt ein Bindesglied zwischen Arzt, Pflegekraft und Patient dar. In der Regel übernimmt der Physician Assitant medizinische Aufgaben. Ganz praktisch sind das Vorgespräche zur Patientenaufklärung, Erhebung der Krankengeschichte, Dokumentationsaufgaben oder auch Untersuchungen.
Physician Assistant: vorherige Ausbildung ist Pflicht
Für das Studium zum Physician Assistant ist eine vorherige Ausbildung in einem medizinischen oder pflegerischen Beruf wie Gesundheits- und Krankenpflege, Rettungsassistent oder Medizinische Fachangestellte notwendig.
Das Studium dauert drei Jahre und endet mit einem Bachelor-Abschluss.
Dr. Anke Lasserre © Westküstenkliniken
"Durch den verstärkten Einsatz von Physician Assistants können wir die
Aufgaben im ärztlichen Dienst neu strukturieren und die Mediziner beispielweise von bürokratischen Aufgaben entlasten. Mit der Unterstützung durch die Physician Assistants haben die Ärztinnen und Ärzte letztendlich mehr Zeit für die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten", sagt Dr. Anke Lasserre.
Fertiges Konzept für Studiengang
Die Konzepte für den Studiengang sind fertig,
zurzeit ist das Klinikum auf der Suche nach passenden Kooperationspartnern. Bislang gibt es in Deutschland nur sieben Hochschulen, die einen Studiengang zum Physician Assistant anbieten. Mit verschiedenen Hochschulen diskutiert die Geschäftsführerin unterschiedliche Studienmodelle. Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Dr. Heiner Garg unterstützt das Vorhaben.
Für Physician Assistants bieten die WKK vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Das Klinikum verfügt über 773 Betten und versorgt im Jahr stationär mehr als 30.000 Patienten. Außerdem ist Dr. Anke Lasserre gerade dabei, die Klinik in Brunsbüttel in ein Integriertes Versorgungszentrum umzuwandeln. "Unter dem Dach werden wir die Leistungen einer Klinik mit der Kompetenz niedergelassener Ärzte verzahnen.
Dieses Modell ist bundesweit einmalig und aufgrund seiner besonderen Struktur ein gutes Betätigungsfeld für Physician Assistants." Aber nicht nur strukturell, auch inhaltlich soll sich für die Physician Assistants die Arbeit an den Westküstenkliniken auszahlen: Die WKK investieren insgesamt rund eine Million Euro in Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen.
Skepsis gegenüber dem neuen Berufsbild
Wann ein entsprechender Studiengang auch in Heide eingerichtet werden kann, ist noch offen. Denn manche Ärzte, Pfleger und auch Fachleute auf Ebene des Ministeriums sehen das Berufsbild des Physician Assistant noch skeptisch. Während die Medizin der Verlagerung von Aufgaben kritisch gegenübersteht, fürchtet die Pflege durch die Einführung des neuen Berufsbilds, dass dadurch ausgebildete Pflegekräfte verloren gehen. Dr. Anke Lasserre sieht das anders: Durch die Einführung des Studiengangs sollen junge Menschen einen Anreiz erhalten, eine Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege zu ergreifen.
Mit dem Abschluss entsteht eine weitere Karriereoption. Außerdem können so langjährige Pflegekräfte, die sich beruflich weiterentwickeln wollen, an das Unternehmen gebunden werden. "Sie stehen dann ja weiterhin für die Patientenversorgung zur Verfügung, anstatt die Klinik oder gar die gesamte Branche zu wechseln."
"Wichtig ist es, den Physician Assistant erst einmal dort einzusetzen, wo die Akzeptanz dafür besonders groß ist."
Um Vorbehalte zu entkräften und über das Berufsbild zu informieren, haben die WKK im Frühjahr ein Symposium veranstaltet. "
In der Diskussion hatte es tatsächlich konstruktive Kritik gegeben, aber es gab keine grundsätzliche Ablehnung des neuen Berufsbildes. Dieses Stimmungsbild findet sich ja auch in der Beschlusslage der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung wieder, die den Physician Assistants mittlerweile offen gegenüberstehen", so Dr. Anke Lasserre. Wichtig sei es, den Physician Assistant erst einmal dort einzusetzen, wo "die Akzeptanz dafür besonders groß ist", wie zum Beispiel in der Notaufnahme. "Dann wird der Nutzen schnell konkret erlebbar."
Schon jetzt nehmen die Westküstenkliniken bei der Ausbildung von Physician Assistants eine Vorreiterrolle im Land ein. Als eine von wenigen Kliniken in Schleswig-Holstein bietet sie zurzeit vier Studierenden zum Physician Assistant die Möglichkeit, den praktischen Teil ihres Studiums in Heide zu absolvieren. Auch
andere Kliniken arbeiten bereits mit Physician Assistants.
Die Westküstenkliniken Brunsbüttel und Heide gGmbH (WKK) verfügen über mehr als 770 Klinikbetten. Die Westküstenkliniken am Standort Heide sind Akademisches Lehrkrankenhaus der Universitäten Kiel, Lübeck und Hamburg und verfügen zudem über ein eigenes Bildungszentrum für Berufe im Gesundheitswesen. Als Krankenhaus der Schwerpunktversorgung mit seinen 23 Kliniken und Instituten versorgen die Kliniken jährlich rund 33.000 Patientinnen und Patienten stationär und teilstationär sowie rund 46.000 ambulant. Mit rund 2.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind die Westküstenkliniken nach eigenen Angaben größter Arbeitgeber der Region. Die WKK erzielten in 2016 einen Jahresumsatz von rund 149 Millionen Euro bei einem Überschuss von rund 2,2 Millionen Euro.