Fresenius-Gruppe baut telemedizinische Angebote aus
Fresenius-Gruppe, entwickelt digitale Angebote für die Rehabilitation und Nachsorge. Momentan arbeite man mit zwei Systemen, also mit TeLiPro und Curalie. Perspektivisch wolle mab alle Angebote über Curalie zusammenführen, so das Unternehmen. Durch den Zusammenschluss entsteht der erste Anbieter, der in allen Sektoren des Gesundheitswesens, von der ambulanten über die stationäre Versorgung bis zur Nachsorge, Patienten digital begleitet. Da die DGG erst seit einigen Wochen zu uns gehört, befinden wir uns hierzu allerdings noch in der Planungsphase.Bernd Altpeter, Geschäftsführer der Digitale Gesundheitsgruppe (DGG) GmbH und Prof. Dr. Matthias Köhler, Chief Medical Officer von Curalie, berichten im Interview, wie sich das Unternehmen jetzt aufstellen möchte.
Health Relations: Curalie hat die Digitale Gesundheitsgruppe in Frankfurt übernommen. Laut Pressemeldung ist das erste Ziel, 150.000 Versicherte als Nutzer zu gewinnen. In welchem Zeitraum und wie wollen Sie das erreichen?Bernd Altpeter:Wir betreuen aktuell mehr als 5.000 Patienten und rund 50 Kostenträger nehmen an unseren besonderen Versorgungsverträgen teil. Wenn wir das am Beispiel Diabetes Typ 2 festmachen, bedeutet das, dass wir über bereits bestehende Verträge schon jetzt rund 87.000 Versicherte erreichen, die damit einen Anspruch auf eine digitale Versorgung haben.
Prof. Dr. med. Matthias Köhler: Außerdem sind wir mit der Rentenversicherung und verschiedenen Verbänden im Austausch, um unsere Nachsorgeangebote in die Regelversorgung integrieren zu können. Parallel erweitern wir mit Hochdruck unsere Gesundheitsprogramme um weitere Indikationen wie beispielsweise die Nachsorge kardiologischer Patienten. Ein großes Netzwerk von Gesundheitsexperten aus dem Fresenius-Unternehmen unterstützt uns dabei. Unsere eigenen Reha-Einrichtungen binden wir ebenfalls schrittweise an. Schon damit können deutschlandweit viele Patienten von unseren digitalen Programmen profitieren. Mit all diesen Maßnahmen wollen wir in den nächsten drei Jahren die 150.000 Nutzer erreichen.
Health Relations: Covid-19 hat der Telemedizin einen Boom beschert. Wie nehmen Sie das von Arzt- und Patientenseite wahr?Bernd Altpeter:Ich spreche gegenwärtig fast täglich mit Ärzten und diese spiegeln mir in den meisten Fällen einen echten Bedarf an digitalen Angeboten zurück. Sie sind dankbar für die neuen Möglichkeiten, weil sie auf diese Weise weiterhin mit ihren Patienten in Kontakt bleiben können. Das Gleiche gilt natürlich auch umgekehrt für Patienten. Bedenken treten in diesen Zeiten stärker in den Hintergrund und der Nutzen solcher Angebote wird deutlicher. Das bedeutet natürlich nicht, dass leichtfertig mit dem Thema umgegangen wird.
Info: Die aktuelle Situation stellt Ärzte und Patienten aufgrund der hohen Ansteckungsgefahr vor große Herausforderungen, deshalb hat sich das Curalie entschieden, seine digitalen Angebote und die digitale Plattform "TeLiPro Gesundheitseinrichtungen" während der Corona-Krise kostenfrei anzubieten. Die Programme richten sich aktuell an Herz- und Nierenpatienten, Diabetiker und orthopädische Patienten, werden aber kontinuierlich ausgebaut. Die Webseite finden Sie unter www.curalie.info. Hier können sich Interessierte auch direkt anmelden.
Beide Unternehmen entwickeln digitale Gesundheitsangebote für Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen. Die DGG wendet sich mit der telemedizinischen Plattform „TeLiPro“ an Haus- und Fachärzte. Curalie, eine Tocher der"Wir müssen die Regulierung entschlacken und sollten sie viel stärker an die einzelnen Bedarfe der Nutzer anpassen."Prof. Dr. med. Matthias Köhler: Das kann ich nur bestätigen! Auch, wenn der Anlass wenig erfreulich ist, zeigen sich gerade in dieser Situation die großen Vorteile digital unterstützter Patientenbetreuung. Da sich jetzt verständlicherweise alles auf Covid-19-Patienten fokussiert, geraten Menschen mit chronisch bestehenden Problemen zunehmend in den Hintergrund. Gleichzeitig gehören sie zur Hochrisikogruppe und sollten soziale Kontakte möglichst vermeiden, dazu gehören auch Arztbesuche in vollen Wartezimmern. Reha-Maßnahmen im Heilverfahren-Bereich sind quasi ganz pausiert. Angesichts dieser Situation, haben wir uns entschieden, unsere digitalen Angebote Ärzten und Gesundheitseinrichtungen kostenfrei zur Verfügung stellen. So hoffen wir, einen Beitrag dazu zu leisten, die medizinische Versorgung der Menschen aufrechtzuerhalten. Health Relations: Sind Sie für dieses Wachstum an Nachfrage gewappnet?Prof. Dr. med. Matthias Köhler: Das ist ja gerade der Vorteil digitaler Interventionen, dass sie „skalierbar“ sind. Wir wollen möglichst viele Menschen erreichen, mit diesem Ziel sind wir angetreten. Denn angesichts der zunehmenden Zahl chronisch kranker, alter Menschen und der immer weniger zur Verfügung stehenden Menschen im arbeitsfähigen Alter, müssen wir umdenken und neue Wege gehen. Das System wird auf Dauer so nicht finanzierbar sein. Mithilfe digitaler Therapieangebote können sich Healthcare Professionals auf das Wesentliche in der Arzt-Patienten-Beziehung fokussieren und mit weniger Zeitaufwand mehr Patienten betreuen. Ein einmal entwickeltes digitales Programm steht gleichzeitig vielen Menschen zur Verfügung, ohne jedoch die Zahl der Betreuer proportional ansteigen lassen zu müssen. Bernd Altpeter: Wir waren bereits im Vorfeld gut aufgestellt, da wir schon im Rahmen der Innovationsfond-Projekte eine Skalierbarkeit sicherstellen mussten. Health Relations: Oft ist es der Arzt, der die Aufgabe hat, Vertrauen beim Patienten aufzubauen, wenn es um Telemedizin geht. Was unterstützt den Mediziner dabei?Bernd Altpeter: Zunächst kann man sagen, dass die Patienten in ihrem privaten Alltag zunehmend mehr digitale Angebote nutzen. Immer mehr ältere Menschen – also unsere Hauptzielgruppe – verwenden zum Beispiel Messenger-Dienste fast täglich, um soziale Kontakte zu pflegen. Außerdem gibt es immer weniger technische Barrieren, weil fast jeder inzwischen ein Smartphone besitzt. Aus Studien wissen wir, dass ein Großteil der deutschen Bevölkerung schon jetzt bereit ist, Gesundheitsdaten online mit einem Arzt zu teilen. Und weil sich Angebote immer weiter verbessern, nimmt auch der Nutzen für die Patienten immer weiter zu. Und wenn etwas funktioniert, steigt automatisch die Bereitschaft zur Nutzung. Ärzte können beispielsweise jederzeit Therapieanpassungen remote durchführen und überwachen. So muss der Patient für Kontrollen nicht mehr regelmäßig in die Praxen kommen, um einfache Abfragen des Wohlbefindens durchzuführen. Prof. Dr. med. Matthias Köhler: Aus ärztlicher Sicht ist gerade die Verbindung von direkter und digitaler Betreuung ein echter Vorteil. Digitale Therapieformen sollen und können dabei Arzt und Therapeut keinesfalls ersetzen, sondern in ihren Therapiemaßnahmen unterstützen. Studien zeigen, dass digitale Angebote besonders dann effektiv wirken, wenn sie als „blended care“, also als Kombination von digitaler Intervention und persönlichem Kontakt zum Arzt oder Therapeuten durchgeführt werden. Gerade die individuell in den Tagesablauf einplanbaren Therapieelemente werden von vielen Menschen sehr positiv wahrgenommen, auch wegen der eingesparten Fahr- und Wartezeiten. Entscheidend ist natürlich auch die Qualität. Sämtliche Inhalte unserer Produkte werden deshalb gemeinsam mit unseren medizinischen und therapeutischen Experten auf aktuellem Stand der Forschung erstellt. Danach werden sie wissenschaftlich von unabhängigen universitären Institutionen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und der Zufriedenheit der Nutzer evaluiert. Nach den bisherigen Daten sind die Patienten sehr zufrieden. Curalie selbst ist zudem zertifizierter Medizinproduktehersteller und berücksichtigt alle Anforderungen des Qualitäts- und Risikomanagements. Health Relations: Was müssen wir jetzt tun, Ihrer Meinung nach, um die Telemedizin auch nach der Krisenzeit dauerhaft im Gesundheitssystem zu verankern? Was sind die wichtigsten drei Maßnahmen?Bernd Altpeter: Wir müssen die Regulierung entschlacken und sollten sie viel stärker an die einzelnen Bedarfe der Nutzer anpassen. Wir sind noch immer sehr technokratisch. Wir definieren Technologien und sollten doch eher Rahmenbedingungen, Schnittstellen und Anwendungsfälle festlegen. Zudem muss es klare Vergütungsstrukturen geben, und zwar nicht nur für Technologien, sondern für Anwendungsfälle. Wir brauchen eine klare Definition von medizinischem und ökonomischem Nutzen und damit einhergehend klare Erhebungsstandards.Prof. Dr. med. Matthias Köhler: Digitale Gesundheitsangebote müssen leichter zugänglich werden, und zwar für Patienten wie für Gesundheitsexperten gleichermaßen. Dazu gehören neue Vergütungsmodelle und die Integration in die Regelversorgung. Darüber hinaus müssen Strukturen geschaffen werden, um die Qualität solcher Angebote zu messen und damit sicherzustellen. Begleitende Studien zur Wirksamkeit sollten Standard werden, um die Programme kontinuierlich weiterentwickeln zu können. Health Relations: Vielen Dank für das Gespräch.
Info: Die aktuelle Situation stellt Ärzte und Patienten aufgrund der hohen Ansteckungsgefahr vor große Herausforderungen, deshalb hat sich das Curalie entschieden, seine digitalen Angebote und die digitale Plattform "TeLiPro Gesundheitseinrichtungen" während der Corona-Krise kostenfrei anzubieten. Die Programme richten sich aktuell an Herz- und Nierenpatienten, Diabetiker und orthopädische Patienten, werden aber kontinuierlich ausgebaut. Die Webseite finden Sie unter www.curalie.info. Hier können sich Interessierte auch direkt anmelden.