„Werdet professioneller! Sonst unterschreibt der Bewerber nicht.“
Prof. Dr. Uwe P. Kanning: Die Forschung zeigt, dass gerade Mitarbeiterwerbung sehr gut funktioniert.
Wenn Angestellte also in ihrem Umfeld erzählen: „Wir haben eine freie Stelle in unserer Klinik.“ Das hat nicht nur den Vorteil, dass sich Menschen bewerben – der Pool der Bewerber wird auch qualitativ besser. Die eigenen Mitarbeiter wissen am besten, worauf es in einem Unternehmen ankommt und wie dort gearbeitet wird. Das spiegelt sich dann bei den Bewerbern wider: Sie haben bereits eine bessere Ahnung, worum es bei der Stelle geht.
Health Relations: Wie wichtig sind Anzeigen in Print und Online?
Kanning:Die Anzeige in Print und im Internet ist nach wie vor unerlässlich. Schließlich erfahren potenzielle Bewerber hier von den offenen Stellen. Diese Anzeigen sind natürlich in der Regel standardisiert. Kliniken sollten zusätzlich ihre eigene Internetseite nutzen, um bei den Bewerbern zu punkten. Dort können sie verschiedene Formate platzieren: Videos, Texte und so weiter. Sie sollten spezifisch und ausführlich als Unternehmen bzw. die Stelle präsentieren. Die differenzierte Beschreibung macht Jobangebote attraktiv.
Zur Person: Prof. Dr. Uwe P. Kanning ist Wirtschaftspsychologe und doziert an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Hochschule Osnabrück. Er forscht zum Beispiel zu Themen wie Personalauswahl, Leistungsbeurteilung, Sozialen Kompetenzen, Motivation, Arbeitszufriedenheit und unseriösen Methoden der Personalarbeit.
Health Relations: Kliniken haben angesichts des Fachkräftemangels in der Medizin inzwischen eine ganze Reihe verschiedener Auswahlmethoden parat, um den passenden Arzt zu finden. Welche sind besonders erfolgsversprechend?„Bewerber wollen auf keinen Fall über den Tisch gezogen werden. Sie reagieren positiv auf Ehrlichkeit und Authentizität.“Health Relations: Was kommt bei Bewerbern denn besonders gut an? Kanning:Mut zur Ehrlichkeit! Natürlich ist es wichtig, Vorzüge des Unternehmens und der jeweiligen Stelle vorzustellen. Aber Unternehmen sollten sich auf jeden Fall davor hüten zu lügen, denn Übertreibungen fallen Bewerbern häufig auf – und die Kliniken fallen letztendlich durch. Da unterscheidet sich gutes Personalmarketing ganz klar von Produktmarketing. Bei klassischer Werbung sind die Menschen Übertreibungen und Schönrederei gewissermaßen gewohnt. Bewerber allerdings wollen auf keinen Fall über den Tisch gezogen werden. Sie reagieren positiv auf Ehrlichkeit und Authentizität. Andernfalls nehmen sie die Stelle vielleicht aus den falschen Gründen an. Der Schuss geht schnell nach hinten los: Die Erwartungen der Bewerber werden schnell enttäuscht und der Frust ist groß.Health Relations: Gibt es noch andere Fehler, die Personaler vermeiden sollten? Kanning: Was häufig nicht genug beachtet wird: Das Auswahlverfahren ist ein indirekter Bestandteil des Personalmarketings. Die Bewerber kennen das Unternehmen ja oft nicht, deshalb ist das Auswahlverfahren eine wichtige Visitenkarte. Das A und O ist Schnelligkeit. Bewerber wollen nicht warten müssen. Kliniken und andere Unternehmen müssen schnell sein und zum Beispiel innerhalb eines Tages eine Empfangsbestätigung für eine Bewerbung verschicken. Ansonsten gilt das Gleiche wie für Bewerber selbst: Freundlichkeit und sehr gute Umgangsformen werden auch vom Unternehmen erwartet.
„In Bewerbungsgesprächen werden Kandidaten oft gefragt, was für Hobbys sie haben. Das macht leider gar keinen Sinn.“Health Relations: Gibt es Fragen, die man als Personaler nicht stellen sollte? Kanning: Bewerber haben oft das Gefühl, gefallen zu müssen. In Bewerbungsgesprächen werden sie zum Beispiel gefragt, welche Hobbys sie haben. Das macht leider gar keinen Sinn, weil es gar nichts mit dem Job zu tun hat. Stattdessen sollten sich die Kliniken mit den Leistungen ihrer Bewerber befassen. Viel spannender sind also Fragen, die darauf ausgerichtet sind, wie beispielsweise ein Arzt oder Pfleger mit konkreten Situationen im Berufsalltag umgehen würde. Health Relations: Für die jüngeren Mitarbeiter-Generationen geht es um geregelte Arbeitszeiten und genügend Freizeit für Hobbys und Familie. Wie soll Personalmarketing damit umgehen?Kanning: Da kann ich nur sagen: Vorsicht vor Stereotypen! Bei der vermeintlichen Generation Y sprechen wir von etwa 15 Millionen Menschen. Es ist absurd zu glauben, die seien alle gleich. Sie haben nicht alle die gleichen Bedürfnisse, Vorstellungen und Werte. Unternehmen müssen also auch Bewerber dieser Altersgruppe immer individuell betrachten.
„Vorsicht vor Stereotypen! Bei der vermeintlichen Generation Y sprechen wir von etwa 15 Millionen Menschen.“Health Relations: Sie sagen, externes und internes Personalmarketing ergänzen sich. Bitte erläutern Sie uns wie das in der Praxis aussieht. Kanning: Sie haben andere Strategien, bauen aber im Idealfall aufeinander auf. Extern geht es natürlich immer darum, Leute auf das Unternehmen und offene Stellen aufmerksam zu machen. Intern sollte das Personalmarketing herausfinden, was Mitarbeitern wichtig ist. Was treibt die Mitarbeiter an? Welche Rolle spielen zum Beispiel Arbeitszeitmodelle oder Kinderbetreuung? Kliniken müssen bereit zu Veränderungen sein. Ihnen muss klar sein, dass ihre Mitarbeiter heutzutage leichter neue Jobs finden. Beim Employer Branding ist es deshalb auf keinen Fall mit fünf Unternehmenswerten auf dem Papier getan. Die Werte müssen gelebt werden – das wirkt dann auch positiv nach außen.
„Unternehmenswerte sind längst nicht so wichtig wie viele Firmen denken. Für Bewerber zählen Fakten: Wo arbeite ich? Was verdiene ich?“Health Relations: Apropos Employer Branding – gewinnt man damit neue Kollegen?Kanning: Das ist eine von vielen sinnvollen Marketingmaßnahmen. Aber die Unternehmenswerte sind längst nicht so wichtig wie viele Firmen denken, um sich positiv von Mitbewerbern abzusetzen. Für Bewerber zählen erst einmal Fakten: Wo arbeite ich? Was verdiene ich? Was erwartet man von mir und passt das zu meinen Qualifikationen? Die Unternehmenswerte können aber das Zünglein an der Waage sein, wenn sich ein Bewerber zwischen zwei Jobangeboten entscheiden muss. Ein Unternehmen muss sich zuerst fragen: Was müssen wir tun, um ein guter Arbeitgeber zu werden?Health Relations: Zum Schluss noch Ihr wesentlicher Tipp fürs Personalmarketing der Unternehmen.Kanning:Werdet professioneller! Beim Auswahlverfahren genauso wie bei der Selbstpräsentation – sonst unterschreibt der Bewerber nicht.
Zur Person: Prof. Dr. Uwe P. Kanning ist Wirtschaftspsychologe und doziert an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Hochschule Osnabrück. Er forscht zum Beispiel zu Themen wie Personalauswahl, Leistungsbeurteilung, Sozialen Kompetenzen, Motivation, Arbeitszufriedenheit und unseriösen Methoden der Personalarbeit.