Starke Frauen in Entscheiderpositionen verstehen - und supporten. Wie sich die B2B-Ansprache durch Gender Marketing verändert und welche Learnings die Dentalindustrie für sich gewinnt. Lars Kroupa im Interview.
Health Relations: Welcher Nutzen entsteht für Zahnärztinnen und Zahnärzte durch Gender-Marketing?Lars Kroupa: Erfolgreiche Unternehmen müssen sich heute sehr intensiv mit den Bedürfnissen ihrer Zielgruppe auseinandersetzen. Bereits bei der Entwicklung der Produkte und bei der Formulierung von Botschaften macht es Sinn, die unmittelbaren, individuellen Bedürfnisse von weiblichen und männlichen Zahnärzten gegenüberzustellen und zu berücksichtigen. Der Nutzen liegt dann klar auf der Hand und resultiert in optimal abgestimmten Produkten und einer besseren Kommunikation zwischen Unternehmen und ihren Kunden.
Ein Fakt der Studie VIA-Dent Gender-Marketing war z.B., dass Ästhetik für Frauen eine wesentlich bedeutendere Rolle spielt als bei Männern. Bei einer wachsenden Anzahl von Zahnärztinnen kann diese Erkenntnis dazu führen, dass verschiedene Aspekte bei
Produktdesign und Kommunikationsdesign an Bedeutung gewinnen können.
Health Relations: Was halten Sie Kritikern entgegen, die Gender-Aspekte in der Kommunikation für überflüssigen Hokuspokus halten? Lars Kroupa: Kritik in der Gender-Diskussion ist berechtigt, wenn platte Klischees bedient werden. Eine klischeehafte Ansprache von Gender-Aspekten ist gerade im B2B-Markt in jedem Fall kontraproduktiv. Aber Frauen und Männer zeigten auch im Rahmen dieser Untersuchung
unterschiedliche Bedürfnisse und Motivationen. Geschlechterspezifische Verfassungen in der Werbung können nachweisbar zu einer höheren Identifikation mit dem Produkt führen. Und welches Unternehmen kann es sich erlauben, Bedürfnisse der beiden Zielgruppen – Frauen und Männer – zu ignorieren?
Health Relations: Wie sollte sich eine genderoptimierte Kommunikation gestalten?Lars Kroupa: Soviel vorweg: es gibt nicht den alleinigen Königsweg.
Es kann sinnvoll sein, ein individuelles Werte-Raster in Bezug auf die Leistungen des Produktes geschlechterspezifisch herauszuarbeiten. Im nächsten Schritt werden dann Gemeinsamkeiten, der ‚geschlechterspezifische gemeinsame Nenner’, herausgearbeitet. Tatsächlich haben Zahnärztinnen und Zahnärzte mehr Gemeinsamkeiten und mehr Verbindendes als Unterschiede. In diesem Fall wird sowohl Frau als auch Mann emotional angesprochen: intelligent, auf Augenhöhe, mit Leichtigkeit und mit Überraschungseffekt. Es gibt Marken im B2C-Bereich, die diese Strategie sehr erfolgreich umsetzen, wie z.B. Apple. Andere Firmen wie zum Beispiel Mercedes sprechen die Zielgruppe der Frauen zusätzlich sehr individuell, aus weiblicher Sicht, mit weiblichen Testimonials an.
Die aktuelle Mercedes-Charmeoffensive mit Namen „She’s Mercedes“ sucht den Dialog mit außergewöhnlichen Frauen. In Interviews und persönlichen Portraits sprechen sie über die Herausforderung, den Beruf etc. Auch die Firma STIHL, die sehr männlich geprägt ist, entwickelt aktuell Gender-Konzepte, um entsprechende Produkte wie Gartenprodukte etc. an die weibliche Kundin zu kommunizieren. Aus Kommunikationssicht sehen wir großes Potential auch für Unternehmen im B2B-Bereich und empfehlen individuell entwickelte Gender-Konzepte. Im Dentalbereich entstehen hier sehr gute Möglichkeiten zur Differenzierung im Wettbewerb. Einige Dental-Produkte rufen geradezu nach einer genderspezifischen Ansprache.
Health Relations: Was sind die größten Gemeinsamkeiten und was die größten Unterschiede?Zahnärztinnen sehen sich gern als "Helfende und Heilende", die das Miteinander mit den Patienten schätzen und den handwerklichen Charakter ihrer Tätigkeit. Das zeigt die Studie "VIA-DENT Gender-Marketing" der Agentur WHITE & WHITE.
Lars Kroupa: In der Faktenbeurteilung von Anzeigen gibt es zwischen weiblichen und männlichen Zahnärzten wenige Unterschiede. Zu den wichtigsten beruflichen Herausforderungen zählen für Zahnärztinnen und Zahnärzte gleichermaßen, eine hohe Behandlungsqualität zu liefern, ein guter Arbeitgeber zu sein und mit dem medizinischen Fortschritt mithalten zu können. Die größten Unterschiede liegen in der beruflichen Motivation und bei beruflichen Herausforderungen.
Zahnärztinnen sehen sich gern als „Helfende und Heilende“, die das Miteinander mit den Patienten schätzen und den handwerklichen Charakter ihrer Tätigkeit. Das gesicherte wirtschaftliche Einkommen ist bei ihnen von geringerer Bedeutung als bei Zahnärzten. Letztere schätzen, neben der Bedeutung des ärztlichen Wirkens, wirtschaftliche Erfolge und den Spaß am Beruf.
Health Relations: Welche greifbaren Möglichkeiten entstehen für interessierte Unternehmen?Lars Kroupa:Bereits jetzt ist es zum Beispiel beim Deutschen Ärzteverlag möglich, Anzeigenmotive im Split-Run-Verfahren genderspezifisch zu platzieren. Das bedeutet, dass ein weibliches Anzeigenmotiv in den selektierten Ausgaben für Zahnärztinnen erscheint. Das entsprechende männliche/neutrale Motiv wird in den anderen Ausgaben veröffentlicht. Es ist im Deutschen Ärzteverlag auch bereits möglich, Teilbeilagen oder Einhefter genderspezifisch jeweils nur an Männer oder Frauen zu adressieren. Kleiner Tipp: Im Online-Bereich ist es für jedes Unternehmen einfach möglich, seine Werbeschaltungen und Botschaften genderspezifisch zu adressieren und so die unterschiedliche Wirksamkeit zu testen.
Health Relations: Vielen Dank für das interessante Gespräch, Herr Kroupa!
Markenstratege und Creative Director Lars Kroupa berät Healthcare-Unternehmen. Schwerpunkt seiner Berliner Design-Agentur WHITE & WHITE: Kommunikationsstrategien für die Dentalbranche.