Kristina Ostertag: „Haltung ist für GSK keine Marketingstrategie“
Marketingtrends 2020. Viele Consumer Marken, beispielsweise der bekannte Hamburger Limonadenhersteller Fritz, machen es vor. Sie beziehen politisch oder gesellschaftlich zu aktuellen Themen wie Brexit, Handelszölle oder Migration Stellung und nutzen das auch im Marketing. Funktioniert das in Ihren Augen auch in der Pharmabranche?
Kristina Ostertag: Auch wir finden es wichtig, Haltung zu zeigen. Allerdings lassen sich die Vermarktung von Limonade und Medikamenten auf Grund der hohen regulatorischen Anforderungen im Bereich Pharma nicht miteinander vergleichen. Deshalb sehen wir Haltung nicht als Marketing-Instrument, sondern als etwas viel Grundlegenderes. Unsere Haltung drückt sich zum Beispiel in unseren Werten aus, zu denen Respekt und Transparenz ebenso zählen wie Integrität und Patientenfokus. Uns ist wichtig, dass alle unsere Mitarbeiter diese Werte leben, im Unternehmen aber auch extern beim Umgang mit allen, mit denen wir kommunizieren – etwa Ärzte, Patienten, Krankenkassen, Zulassungsbehörden. Selbstverständlich ist Haltung wichtig, gerade in Zeiten, in denen populistische (Werbe-)Sprüche Hochkonjunktur haben. Aber Haltung ist für GSK keine Marketingstrategie, sondern sie ist Teil unserer Unternehmenskultur.
Health Relations: Ralf E. Strauß, Präsident des Deutschen Marketing Verbands, formulierte zum Thema Haltung: "Echte Haltung erfordert ein aktives, manchmal auch unbequemes Management." Ist Haltung zeigen und kommunizieren eine Aufgabe des Managements alleine? Oder greift das tiefer in das Unternehmen hinein?
Kristina Ostertag: Haltung geht uns alle an. Dazu ein Beispiel: Als es Ende 2018 zu vermehrten Neonazi-Aufmärschen in Dresden kam, gab es ein Statement von allen Standortleitern der GSK-Niederlassungen in Deutschland, darunter auch die Standortleiterin in Dresden. Darin hieß es wörtlich: „Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine Errungenschaft, die es stets zu verteidigen und zu gestalten gilt.“ Und weiter: „Alle Standortleiter von GSK in Deutschland appellieren an die Verantwortung aller Bürgerinnen und Bürger in unserem Land: Respektieren wir einander. Reden wir miteinander. Diskutieren wir. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass in einem freien, weltoffenen, vielfältigen Deutschland alle Menschen friedlich miteinander leben.“ Wenige Monate später, im Mai 2019, haben wir die „Charta der Vielfalt“ unterschrieben – für uns eine Selbstverständlichkeit.
Health Relations: Haltung zeigen bei gesellschaftlichen oder auch politischen Diskussionen und diese auch zu kommunizieren, ist einer der "Haltung kennt keine Grenzen, auch nicht innerhalb unseres Unternehmens."Health Relations: Und wie zieht sich das ins Unternehmen hinein? Kristina Ostertag: Haltung zeigen bei uns aber nicht nur Führungskräfte oder Pressesprecher, sondern alle im Unternehmen. So verschickte zum Beispiel ein Mitarbeiter in Dresden unmittelbar nach der Europawahl im vorigen Jahr eine Rundmail an 50 KollegInnen, in der er klar Position bezog für eine Gesellschaft, in der alle Menschen frei und ohne Angst leben können. Das Echo auf diese Mail war enorm. Sie wurde vielfach geteilt und weitergeleitet und die Reaktionen waren durchwegs positiv – viele KollegInnen boten an, den Versender der Mail bei seiner Arbeit mit Geflüchteten in Dresden zu unterstützen. Kurzum: Haltung kennt keine Grenzen, auch nicht innerhalb unseres Unternehmens. Das zeigt sich übrigens auch im Rahmen unseres sozialen Engagements: So arbeiten ausgewählte GSK-Mitarbeiter aus aller Welt zum Beispiel für einige Monate als so genannte PULSE-Volunteers in gemeinnützigen Organisationen mit, zumeist in einem Entwicklungsland. Die Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland haben darüber hinaus die Möglichkeit, im irischen Schloss Barretstown für ein bis zwei Wochen als ehrenamtliche Betreuer bei Sommercamps mitzuarbeiten, die dort für schwer und chronisch kranke Kinder aus Europa angeboten werden. Nicht zuletzt gibt es bei GSK jedes Jahr einen so genannten „OrangeDay“, an dem unsere Beschäftigten für einen Tag auf freiwilliger Basis in einem sozialen Projekt mitarbeiten – sie renovieren zum Beispiel Spielplätze im Kinderheim, erledigen Malerarbeiten in einer Sozialstation oder unternehmen Ausflüge mit Senioren. Health Relations: Wie aktiv und auch unbequem kann und sollten Pharma-Unternehmen Ihrer Meinung nach ihre Haltung zu aktuellen gesellschaftlichen oder auch politischen Themen kommunizieren? Kristina Ostertag: Auch dazu ein aktuelles Beispiel: Als sich im Januar 2020 verheerende Buschfeuer in Australien ausbreiteten, hat GSK keine Sekunde gezögert: Wir halfen mit einer Produktspende und mit einer Geldspende in Höhe von 350.000 australischen Dollars, die an einen Hilfsfonds des Roten Kreuzes ging, an Naturschutzorganisationen und an unseren Charity-Partner „Save the Children“. Diese Soforthilfe kam von der Konzernleitung, aber darüber hinaus wurde auch ein Spendenkonto eingerichtet, auf das MitarbeiterInnen nach Belieben einzahlen konnten – von dieser Möglichkeit wurde rege Gebrauch gemacht, zumal das Unternehmen die Spendensumme verdoppelt hat. Das Ganze war von uns aber nicht als politisches Statement gedacht, sondern als Geste der Menschlichkeit. Auch so zeigen wir Haltung – und vielleicht mehr, als wenn wir Politiker kritisieren, aber sonst nichts weiter tun würden. Wenn es den Menschen hilft arbeiten wir auch mit Regierungen zusammen – so haben wir etwa 2019 die kolumbianische Regierung bei einem Impfprogramm für Geflüchtete aus Venezuela unterstützt. Wir als Pharma-Unternehmen können unsere Haltung zu aktuellen gesellschaftlichen und politischen Themen am besten dadurch deutlich machen, dass wir Hilfsorganisationen bei der medizinischen Versorgung von Menschen in Not unterstützen.
"Wir erforschen Impfstoffe und machen sie für Patienten zugänglich – schon alleine dadurch zeigen wir Haltung."Health Relations: Ihr Unternehmen hat eines seiner Schwerpunkte im Bereich Impfen. In den letzten Jahren hat sich die Diskussion über dieses Thema in Deutschland vonseiten der Impfgegner verschärft. Jenseits von Aufklärungskampagnen und Co: Wie aktiv kann ein Unternehmen wie GSK an dieser Diskussion teilnehmen und hier Haltung zeigen? Kristina Ostertag: Wir erforschen Impfstoffe und machen sie für Patienten zugänglich – schon alleine dadurch zeigen wir Haltung. Denn Entwicklung und Produktion von Impfstoffen sind aufwändige, kosten- und zeitintensive Prozesse. Daher gibt es auch nur wenige Hersteller, die dazu in der Lage sind. Den „Wert“ dieser Impfstoffe müssen Ärzte und Patienten selbst beurteilen – wir als produzierendes Unternehmen sollten uns bei entsprechenden Diskussionen eher zurückhalten. Es würde ja auch keinen Sinn machen, die Betreiber eines Solarkraftwerks zu fragen, ob sie Sonnenenergie für eine ökologisch sinnvolle Alternative zur Kohlekraft halten. Unsere Verpflichtung sehen wir eher darin, die Impfstoff-Versorgung sicher zu stellen und an der Entwicklung neuer Impfstoffe zu forschen. Deutschland hat sich gegenüber der WHO verpflichtet, neben der Eradikation der Masern auch konnatale Röteln zu eliminieren. Die Impfstoffhersteller sehen es als ihre Aufgabe an, ihren Teil zu einem guten und umfassenden Impfschutz in der Bevölkerung beizutragen und überall wo dies möglich ist, Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung zu stellen. Und was die radikalen Impfgegner angeht: Das ist eine kleine, aber sehr lautstarke Truppe, die für wissenschaftliche Argumente wenig empfänglich ist. Insofern ist hier eine Diskussion ausgesprochen schwierig. Im Gegensatz dazu stehen wir dem Austausch mit Impfskeptikern offen gegenüber – das ist eine wesentlich größere Zahl von Menschen, die genau wissen wollen, ob eine Impfung wirklich nötig ist und warum. Hier sind Argumente und Aufklärung tatsächlich gefragt – und diesem Anspruch kommen wir gerne nach, so zum Beispiel mit Informationsbroschüren sowie auf unseren Webseiten und Social Media-Kanälen Health Relations: Vielen Dank für das Gespräch!