Philips gründet mit dem Health Innovation Port (HIP) Hamburgs ersten Coworking Hub mit Fokus auf eHealth, Gesundheit und Medizintechnik. Und setzt damit auf Networking statt Konkurrenzdenken. Ein Gespräch über Marktdynamik, Komfortzonen und Visionen
Immer mehr branchenfremde, kleinere Start-ups drängen auf den Healthcare-Markt. Die großen Konzerne müssen auf diese Entwicklung reagieren. Das Unternehmen Philips Deutschland setzt auf Networking und kündigte 2016 die
Gründung eines Coworkings Hubs, dem Health Innovation Port (HIP) an. Seit dem ersten Quartal 2017, so das Unternehmen, haben Health-Start-ups hier die Möglichkeit, im Headquarter von Philips Deutschland in Hamburg Fuhlsbüttel auf rund 1.000 Quadratmetern Bürofläche innovative Konzepte zu entwickeln und kreativ zu arbeiten.
Der Deal: Philips profitiert von der Dynamik der Start-ups und bietet ihnen im Gegenzug Raum und Netzwerk.Wir haben mit Annette Halstrick, Communications Manager Brand, Communication, Digital & Event bei Philips, über den HIP und dessen Zielsetzung gesprochen."Exakt am Puls der Zeit." Annette Halstrick, Communications Manager Brand, Communication, Digital & Event bei Philips
Health Relations: Frau Halstrick, wie viele Unternehmen und Start-ups haben sich im HIP angesiedelt? Und in welchen Bereichen sind diese tätig?Annette Halstrick: Mittlerweile haben acht Start-ups ihre Arbeit im HIP aufgenommen. Diese Zahl kann sich aber auch immer wieder ändern. Wir verpflichten niemanden, sich für einen bestimmten Zeitraum an den HIP zu binden. Sofern es persönlich und inhaltlich passt, dürfen die Start-ups aber so lange im HIP arbeiten, wie sie möchten. Platz ist zurzeit für bis zu 50 Personen. Inhaltlich dreht sich die Arbeit der Start-ups selbstverständlich um das Thema Gesundheit. Dabei sind wir nicht festgelegt auf bestimmte Bereiche; ob aus dem regulierten oder nicht-regulierten Gesundheitswesen, als hard- oder software-basierte Lösung. Bei uns finden die verschiedensten Konzepte Raum, sich zu entwickeln. Der Gesundheitsmarkt ist sehr divers, und genau das wollen auch wir im HIP abbilden. Angesprochen werden dabei Konsumenten sowie das B2B-Segment.
Health Relations: Der Health Innovation Port soll, so schreiben Sie, innovativen Start-ups die Möglichkeit geben, vom Netzwerk Ihres Unternehmens zu profitieren. Aber profitiert nicht auch Philips wiederum von den Unternehmen?Annette Halstrick: Natürlich gibt es nicht nur für die Start-ups Vorteile – auch Philips und die Partner, wie z.B. die Techniker Krankenkasse, versprechen sich Einiges vom HIP! Große Konzerne besitzen zwar ausreichend Ressourcen, laufen aber Gefahr, den Anschluss an aktuelle Entwicklungen im Digital-Health-Bereich zu verlieren. Sie können oft mit der Geschwindigkeit und dem Spirit der Start-ups nicht mithalten und verlieren zudem auch als Arbeitgeber an Attraktivität. Mit dem HIP wollen wir die Vorteile beider Ökosysteme zusammenführen und die digitale Zukunft der Gesundheitsbranche aktiv mitgestalten.
Health Relations: Woran hapert es bei den Branchenriesen? Warum laufen sie Gefahr, den Anschluss zu verlieren?Annette Halstrick: Ich würde nicht sagen, dass es hapert, denn auch wir unterhalten weltweite Forschungseinrichtungen und ebenso interne Acceleratoren-Programme, die pausenlos neue Ideen und Lösungen hervorbringen. Nicht umsonst sind wir Patent-Europameister. Wichtig ist aber dabei, dass man den Blick über den Tellerrand behält; dass es auch einmal eine Disruption gibt, die etwas Neues entstehen lässt. Vielleicht wird man damit zunächst aus seiner gewohnten Umlaufbahn hinausgestoßen und verlässt die Komfortzone. Aber genau das bietet das größte Potential für Innovationen.
Also, Querdenken, Geschwindigkeit und Flexibilität – das ist es, was wir uns davon versprechen.Health Relations: Haben sie mit den Start-ups gemeinsame Projekte oder gar neue Produkte oder Geschäftsmodelle entwickelt?Annette Halstrick: Wir sehen bei einigen Start-ups großes Potential – auch für eine zukünftige Zusammenarbeit. Dennoch ist das keinesfalls die Voraussetzung, als Start-up im HIP zu arbeiten, dass diese grundsätzlich Bereitschaft haben müssen, mit uns oder den Partnern zu kooperieren. Bislang gibt es einzelne Sondierungsgespräche und eine intensive Vernetzung mit den Fachabteilungen, um zu prüfen, welche innovativen Ideen der Start-ups sich hier anbieten könnten, um den Weg gemeinsam fortzusetzen.
"Wir sind vorsichtig auf 550 qm gestartet mit dem HIP, haben aber von vornherein bei unserer Planung eine Expansion auf bis zu 1000 qm auf dem Firmengelände einkalkuliert."Health Relations: Eine Idee, die im HIP geboren wurde und Sie besonders fesselt?Annette Halstrick: Eine? Acht! Es scheint mir fast unfair, nur ein Start-up zu erwähnen, da mich alle Ideen gleichermaßen mitreißen. Ich nenne mal eine aus dem B2B-Bereich:
jung diagnostics. Mittels computergestützter Analysen von neuro-radiologischen Daten sollen zum Beispiel Alzheimer und andere dementielle Erkrankungen früher erkannt und für Multiple-Sklerose-Patienten die optimale Therapie gefunden werden. Aber auch aus dem Konsumenten-Segment gibt es etwas, was mich besonders berührt:
Don't be patient. Dieses Start-up richtet sich mit einem Portal an Patienten und bietet aktuelles, patientenverständlich aufbereitetes Wissen und Zugang zu aktuellen medizinischen Studien, um die bestmögliche Therapie für die jeweilige Erkrankung zu finden.
Health Relations: Auf einer Skala 1 (Misserfolg) bis 10 (Erfolg): Wo sehen Sie den Health Innovation Port? Werden Sie expandieren? Oder so weitermachen?Annette Halstrick: Ganz klar bei einer 11! Wir sind vorsichtig auf 550 qm gestartet mit dem HIP, haben aber von vornherein bei unserer Planung eine Expansion auf bis zu 1000 qm auf dem Firmengelände einkalkuliert. Und die Reaktionen der Öffentlichkeit, das Feedback der Start-up-Szene, das große Interesse der Partner und derer, die es werden wollen, zeigen, dass wir mit dem Health Innovation Port exakt am Puls der Zeit sind.
Titelbild: © Philips