Serie: Healthcare-Influencer. Warum Roche auf Ambassadors statt Influencer setzt
Healthcare-Influencer setzen sich zunehmend auch in der B2B-Kommunikation durch. Nicht bei allen Unternehmen sorgt das für Begeisterung. Die Roche Pharma AG beobachtet den Trend mit Skepsis. Warum? Das haben wir Anja Steininger gefragt.
Experten wie beispielsweise HashtagLove-Inhaberin Marlis Jahnke sind sich einig: Influencer sind auch in der B2B-Kommunikation relevant – und dieser Trend wird bleiben. Influencer Marketing ist gekommen, um zu bleiben; das gilt auch für die Healthcare-Branche. Doch neben den Befürwortern gibt es auch kritische Stimmen in der Gesundheitsbranche. Denn gerade der streng regulierte Healthcare-Markt hat seine Tücken. Das Unternehmen Roche Pharma gehört zu diesen Skeptikern – und vermeidet den Begriff Influencer in der Unternehmenskommunikation. Stattdessen setzt der Konzern auf Employee Advocacy, auf die eigenen Mitarbeiter, die dem Pharma-Unternehmen ein Gesicht verleihen.
Doch wird der Mitarbeiter damit nicht zum Influencer? Wir haben mit Anja Steininger, Team Lead Corporate Communications bei der Roche Pharma AG, über Markenbotschafter, emotionale Geschichten und die sehr bewusste Abgrenzung vom Begriff Influencer Marketing gesprochen.
Health Relations: Frau Steininger, auf unsere Anfrage, ob Sie mit uns über Ihre Influencer-Marketing-Maßnahmen sprechen möchten, reagierten Sie irritiert. Dabei fungieren in Ihrer digitalen Serie „Meine Sicht“ doch Ihre Mitarbeiter als Markenbotschafter, also als Influencer.Anja Steininger: Ja, ich habe die Anfrage mit Überraschung gelesen. Im ersten Moment habe ich mich nicht angesprochen gefühlt, denn ich hätte unsere Aktivitäten in der Unternehmenskommunikation nicht mit Influencer-Marketing oder Marketing überhaupt überein gekriegt. Für mich sind Influencer Menschen, die von außen über ein Produkt oder ein Unternehmen sprechen, also eher ins klassische Marketing gehören. Aus meiner Sicht sind unsere Mitarbeiter eher als Ambassadors oder Multiplikatoren zu sehen, die aus dem Unternehmen heraus dem Unternehmen ein Gesicht geben.
Health Relations: Wobei diese genau dadurch zu Markenbotschaftern werden, also als Influencer für Roche agieren. Oder?Anja Steiniger: Das würde ich so nicht bezeichnen und ich halte das für Pharma auch für problematisch. Der Bereich Pharma-Unternehmenskommunikation ist ein sehr sensibler. Unser Dach ist das Heilmittel-Werbegesetz. Und dieses reguliert auch den Bereich Marketing stark. Als Unternehmen beobachten wir daher neue Entwicklungen, wie die Arbeit mit Influencern, erst einmal vorsichtig.
Wir haben in der Vergangenheit sehr technisch über unser Geschäftsmodell gesprochen, die Abläufe und Prozesse erklärt und den menschlichen Aspekt vernachlässigt.Health Relations: Sprechen wir also von Ambassadors. Und kommen zu Ihrer Serie "Meine Sicht" und Ihrem Magazin "Für ein besseres Leben". In in der digitalen Serie "Meine Sicht" binden Sie Ihre eigenen Mitarbeiter in ihre Kommunikation ein, lassen Sie auf der Unternehmens-Homepage über ihre persönliche Sicht zum Thema Mut sprechen. Im Magazin schildern Mitarbeiter unter anderem ihren Arbeitsalltag. Welche Ziele stecken hinter dieser Strategie?Anja Steininger: Wir sind ein Pharmaunternehmen mit dem klaren Schwerpunkt auf Forschung und Innovation. Wir stellen nur verschreibungspflichtige Medikamente her. Mit uns hat man nur Berührung, wenn man sehr krank ist und der Arzt Medikamente verschreibt. Man kennt uns als Marke somit eher nicht in der breiten Öffentlichkeit. Dazu kommt dieses allgemeine Bild vom unpersönlichen Pharmaunternehmen, das Medikamente herstellt und viel Geld verdient. Das war’s. Damit bleibt aber das eigentliche Geschäftsmodell im Dunkeln. Health Relations: Heißt, es braucht Ambassadors, um das Geschäftsmodell zu kommunizieren?Anja Steininger: Ja. Wir haben in der Vergangenheit sehr technisch über unser Geschäftsmodell gesprochen, die Abläufe und Prozesse erklärt und den menschlichen Aspekt vernachlässigt. Wer steckt denn hinter den Prozessen? Was zeichnet uns als Unternehmen denn wirklich aus? Diese Fragen haben wir in unserer Kommunikation lange vernachlässigt. "Meine Sicht" und das Magazin "Für ein besseres Leben" (Print-Magazin, Auflage 6000 Exemplare, Anm. der Red.) haben das Ziel, zu zeigen, welche Menschen und Werte hinter dem Unternehmen stehen. Zum Beispiel haben wir 2016 unseren ökonomischen, ökologischen und sozialen Fußabdruck gemessen. Wir wollten schauen: Wie stehen ökonomische, ökologische und soziale Faktoren in Relation? Wir stellten fest: Unsere Profitabilität steigt, genau wie unsere Mitarbeiterzufriedenheit; unser CO2 Ausstoß dagegen sinkt. Das sind Werte, die uns selber begeistern. Und das sind genau die Werte, für die das Unternehmen und die Mitarbeiter stehen, die sich tagtäglich hier einsetzen. Genau solche Inhalte möchten wir kommunizieren. Wir möchten dem Unternehmen, das eine blaue Raute ist und das viele – wenn überhaupt - nur mit Pillen in Verbindung bringen, ein Gesicht geben. Das Magazin und die "Meine Sicht"-Serie bieten einen Blick hinter die Mauern, wenn man so will. Health Relations: Wie haben Sie die Mitarbeiter, die Teil dieser kommunikativen Maßnahme sind, ausgewählt?Anja Steininger: Natürlich war es bei der "Meine Sicht"-Serie für uns wichtig, dass die Entscheider unseres Unternehmens sich hier ebenso äußern wie ausgewählte Forscher und Wissenschaftler. Heißt, zuerst kamen unser Vorstand Prof. Dr. Hagen Pfundner und die Sprecherin der Geschäftsführung der Roche Diagnostics, Dr. Ursula Redeker, zu Wort. In diesem Jahr haben wir die Serie fortgesetzt und haben angefangen, uns speziell dem Thema Mut zu nähern. Mut ist einer unserer Unternehmenswerte. Weil wir immer sehr mutig neue Wege gegangen sind, Innovationen hervor gebracht haben, nichts nachahmen. Wir haben uns gefragt: Was bedeutet Mut eigentlich für uns? Und für unsere Mitarbeiter? Wir haben diese Frage unter anderem unserem medizinischen Direktor Dr. Stefan Frings gestellt, der uns berichtete, was sein Beruf mit einer Fahrt im Wildwasserkajak gemein hat und dass Mut auch von sorgfältiger Planung abhängt. Außerdem haben wir Mitarbeiter angesprochen, die zu unserem ökologischen Engagement passen. Wir haben zum Beispiel eine Außendienstflotte, die natürlich viel im PKW unterwegs ist. Hier wollten wir für Transparenz sorgen, haben den Alltag von Mitarbeitern schildern lassen, aber auch dargestellt, wie wir unsere Verantwortung wahrnehmen, indem wir eben energiesparsame Firmenwagen zur Verfügung stellen. Wir haben also die Themen gesetzt und dann recherchiert, welche Mitarbeiterin und welcher Mitarbeiter hierzu eine spannende Geschichte erzählen kann. Health Relations: Die Stories sind dramaturgisch perfekt und emotional erzählt, arbeiten mit eindrucksvollen Bildern. Ganz provokativ gefragt: Ist das noch glaubhaft und authentisch?Anja Steininger: Ich finde es spannend, wie Sie das wahrnehmen. Tatsache ist: Es sind echte Menschen, die bei uns arbeiten, die von ihrem Leben und ihrer Arbeit berichten. Und zwar genau so. Natürlich passen die Inhalte zu unserem Thema. Wenn Dr. Stefan Frings nicht Wildwasser-Kajak fahren sondern Briefmarken sammeln würde, hätten wir uns sicherlich überlegt, ob er der richtige Protagonist für die Serie "Mut" ist. Tatsache ist: Uns ist Ehrlichkeit und Transparenz sehr wichtig. Der falsche Weg wäre es, Geschichten aus dem Effekt heraus zu erzählen. Das ist nicht unser Weg. Natürlich sind die Stories sehr gut erzählt, ganz im Sinne von packendem Storytelling. Sie sollen das Thema Mut ja auch wiedergeben, den Leser packen und unsere Sicht der Dinge, unsere Unternehmenswerte widerspiegeln.
Unser Ziel in der Unternehmenskommunikation ist der langfristige Vertrauensaufbau und dies möchten wir mit authentischen Geschichten aus der Roche-Welt erreichen.Health Relations: Wer sind Ihre Leser? Wie definieren Sie Ihre Zielgruppe?Anja Steininger: Wir möchten mit der Serie und dem Magazin zum einen Ärzte und Wissenschaftler, zum anderen die interessierte Öffentlichkeit und potenzielle Mitarbeiter bzw. Bewerber erreichen. Health Relations: Wie erreichen Sie diese?Anja Steininger: Die digitalen Inhalte teilen wir über unsere sozialen Kanäle, allen voran Facebook, was unser stärkster Kanal ist. Wir sind mit der Performance dort sehr zufrieden. Das Magazin legen wir in unserem Unternehmen und an Orten, an dem wir uns als Unternehmen präsentieren, aus. Beispielsweise auf Messen, gegebenenfalls an Universitäten oder ähnliches. Aus unserer Sicht ist diese Maßnahme auch ein überaus geeignetes Tool für unser Employer Branding. Und somit möchten wir natürlich auch die Young Talents und potentielle Mitarbeiter erreichen, mit dem Thema Mut ansprechen und für unser Unternehmen interessieren. Health Relations: Wie geht es 2018 weiter mit "Meine Sicht"?Anja Steininger: Im September 2017 haben wir die Kampagne gestartet und wir sehen, dass das Thema relevant ist. 2018 werden wir deshalb, mit Unterstützung der Agentur Zum Goldenen Hirschen in Berlin, die Serie weiterentwickeln. Wir planen beispielsweise, auch Patienten über das Thema Mut zu befragen. Denn um eine schwere Krankheit zu besiegen, braucht es viel Mut. Auch Start-ups, die mutig neue Wege in der Forschung gehen, kommen in Frage. Wir werden also weiterhin Mut als Thema aufgreifen und abseits der Bereiche Therapie und Produkte als kommunikative Botschaft in unserer Unternehmenskommunikation platzieren. Health Relations: Das heißt, Sie planen auch externe Protagonisten einzubinden? Vermeiden Sie auch hier den Begriff Influencer?Anja Steininger: Aus meiner Sicht sind die Arbeit mit Mitarbeitern und Ambassadors und jene mit Influencern zwei Paar Schuhe mit unterschiedlichen Zielen. Unser Ziel in der Unternehmenskommunikation ist der langfristige Vertrauensaufbau und dies möchten wir mit authentischen Geschichten aus der Roche-Welt erreichen. Anja Steininger ist Team Lead Corporate Communications bei der Roche Pharma AG in Grenzach-Wyhlen. (Foto: Roche) Beitragsbild: Adobe Stock