Alexion hat die Initiative "change4RARE" ins Leben gerufen, die Aufklärungsarbeit in Sachen Seltene Erkrankungen leistet. Stephanie Ralle-Zentgraf, Director of Communications, Alexion Pharma Germany GmbH, berichtet, warum Ärzt:innen mit ihrem Unternehmen in den Austausch gehen, um mehr über das Thema zu erfahren.
In diesem Beitrag lesen Sie:
- Warum change4RARE gestartet wurde,
- wie Alexion auf die Initiative aufmerksam macht,
- wie in der Kommunikation Ärzt:innen und Patient:innen abgeholt werden,
- welche Rolle es für Alexion spielt, Wissen über seltene Erkrankungen zu stärken,
- welche Wissenslücken es bei Ärzt:innen und Patient:innen zu schließen gilt und
- wie die Zielgruppen auf die Initiatiove reagieren.
Health Relations: Was zeichnet Ihre Initiative aus?Stephanie Ralle-Zentgraf: change4RARE ist eine Initiative mit einem starken Netzwerk von mehr als 30 hochrangigen Expert:innen aus verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens, in dem unterschiedliche Meinungen in verschiedenen Formaten zusammengeführt werden und Wissen gebündelt wird. Dabei ist sie lösungsorientiert und erarbeitet praxisnahe Vorschläge, wie die Diagnostik und Versorgung der Menschen mit seltenen Erkrankungen verbessert und wie diese gemeinsam mit Entscheidungsträgern erreicht werden können. Im Rahmen der Werkstattgespräche Ende 2023 haben wir Expert:innen erneut zusammengebracht, um die Agenda der Initiative für die kommenden beiden Jahre weiterzuentwickeln und Maßnahmen zu identifizieren, mit denen wir unsere Ideen in die Praxis umsetzen können. Mit unserer Agenda 2025 streben wir weiterhin danach, das Leben der Menschen mit seltenen Erkrankungen nachhaltig zu verbessern.
Health Relations:Warum haben Sie die Initiative gestartet und was erhoffen Sie sich damit?Stephanie Ralle-Zentgraf: Die Initiative entstand aus der Idee, die Wahrnehmung für die ungelösten Herausforderungen bei der Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen zu vergrößern und die öffentliche Diskussion darüber zu beleben. Denn: Allein in Deutschland leben etwa vier Millionen Menschen mit einer der über 7.000 seltenen Erkrankungen, und noch immer warten sie im Durchschnitt fast fünf Jahre auf die korrekte Diagnose. Und auch dann sieht es für die meisten von ihnen schlecht aus, denn für über 90 Prozent der Erkrankungen stehen keine geeigneten Therapien zur Verfügung.
Health Relations: Wie kann das sein? Stephanie Ralle-Zentgraf:Bisherige Maßnahmen, wie die Einführung von Forschungsanreizen und die Gründung von Zentren für seltene Erkrankungen reichen nicht aus, um die Versorgung der Betroffenen zu verbessern. Daher haben wir die Initiative gegründet, um die Kräfte zu bündeln, um mit einer Stimme zu sprechen und Lösungen für eine bessere Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen vorzuschlagen und gemeinsam mit den anderen Akteuren im Gesundheitssystem umzusetzen.
was ist Change4RARE?
change4RARE ist ein virtueller Hub mit Ein- und Ausblicken von Expert:innen sowie Diskussionsrunden über seltene Erkrankungen (Orphan oder Rare Diseases). Es werden unterschiedliche Meinungen von Patientenvertreter:innen, Ärzt:innen und weiteren Expert:innen in Form von Interviews, Round Table Diskussionen und Insights zusammengebracht, um gemeinsam drängende Handlungsfelder zu identifizieren. Durch die Diskussionen und interaktiven Inhalte soll der Dialog über seltene Krankheiten vorangetrieben werden.
Mit dem Whitebook "Seltene sind nicht selten!" wollen führende Expert:innen aus verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens auf die Situation von Menschen mit seltenen Erkrankungen aufmerksam machen und ihre Versorgung verbessern. Es umfasst eine Reihe von Lösungsansätzen für drängende Probleme in den Bereichen Datenerhebung und -nutzung, Patientenpartizipation, Versorgungsprozesse und -strukturen, die im Rahmen der Initiative change4RARE in den vergangenen Monaten erarbeitet wurden.
Health Relations: Die Initiative lebt von regem Austausch und einer möglichst hohen Teilnehmerzahl. Wie machen Sie darauf aufmerksam und welche Kanäle haben Sie dafür genutzt?Stephanie Ralle-Zentgraf:Wir nutzen verschiedene Kanäle. Zentrale Anlaufstelle ist unsere
Webseite. Dort wird umfassend über die Initiative, die beteiligten Expert:innen sowie die entwickelten Inhalte informiert. Zusätzlich stärken wir das Bewusstsein für unser Anliegen durch aktive Präsenz in verschiedenen digitalen Fachmedien und auf Social-Media-Plattformen. Wir nehmen regelmäßig an Kongressen und Veranstaltungen in der Gesundheitsbranche teil, um die Initiative auch im direkten Austausch mit der Fach-Community zu positionieren.
Health Relations:Sie richten sich mit dem Angebot an alle Interessierten, damit sind Mediziner:innen und auch Patient:innen gemeint. Wie holen Sie beide Gruppen ab? Stephanie Ralle-Zentgraf: Wir binden Expert:innen aus verschiedenen Disziplinen ein, z.B. aus den Kreisen der Patient:innen, der Medizin, der Versorgung und Forschung, der Politik, der Gesundheitsökonomie, der Ethik, des Rechts sowie der Arzneimittelhersteller. Im Rahmen unserer verschiedenen Formate setzen wir uns inhaltlich mit den relevanten Herausforderungen bei der Versorgung der Menschen mit seltenen Erkrankungen ein und erarbeiten gemeinsam Lösungsansätze dafür. Wir betrachten dabei im Detail alle Aspekte, die die Versorgung der Betroffenen beeinflussen. Das beginnt bei der Forschung und beim Marktzugang für geeignete Therapien und geht über die Partizipation der Patient:innen bis hin zum Umgang mit Daten und der Gestaltung von Versorgungsprozessen.
In der letzten Round Table Diskussion „
Seltene sind nicht selten“ haben wir uns auf konkrete Umsetzungsideen, zum Beispiel auf die Aufklärung von Patient:innen zur besseren Erhebung von Daten, die Etablierung einer Lotsenstruktur zur Entlastung der Ärzt:innen und Patient:innen oder auch die Stärkung der Patientenstimme in der Politik fokussiert.
Health Relations: Welche Rolle spielen Sie in Ihrem Selbstverständnis als Pharmaunternehmen, wenn es darum geht, Wissen über seltene Erkrankungen zu stärken?Stephanie Ralle-Zentgraf:Vorschläge für Initiativen, Maßnahmen und Veränderungen zur Verbesserung der Versorgung von Patient:innen mit seltenen Erkrankungen können aus unserer Sicht nicht in Silos oder getrieben durch einzelne Partikularinteressen erarbeitet werden. Wir meinen, dass eine gemeinsame Anstrengung aller Akteure im Gesundheitswesen angesichts der schwierigen Situation der vielen Menschen mit seltenen Erkrankungen erforderlich ist, dass jeder Vorschlag gewürdigt werden sollte. Wir müssen das Gemeinwohl und den Blick auf ganzheitliche Aspekte in den Vordergrund stellen, um die Ziele einer schnelleren Diagnostik und einer verbesserten Versorgungsqualität zu erreichen. In unserer langjährigen Zusammenarbeit mit Expert:innen aus unterschiedlichen Bereichen haben wir in Diskussionen Einblicke und Einschätzungen gesammelt, gemeinsame Inhalte erstellt, Personen vernetzt und Wissen miteinander verknüpft. Dieser interdisziplinäre Ansatz hilft, Barrieren und Hemmnisse zu identifizieren und abzubauen und damit den Dialog über die Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen voranzutreiben. Angesichts des Potenzials unserer Ideen sind wir mehr denn je motiviert, unser Wissen weiter auszubauen.
"Vorschläge für Initiativen, Maßnahmen und Veränderungen zur Verbesserung der Versorgung von Patient:innen mit seltenen Erkrankungen können aus unserer Sicht nicht in Silos oder getrieben durch einzelne Partikularinteressen erarbeitet werden."
Health Relations: Sie kommen immer wieder mit Patient:innen und Mediziner:innen in Kontakt und klären über Seltene Erkrankungen auf. Welche typischen Wissenslücken gibt es auf Mediziner- und welche auf Patientenseite? Stephanie Ralle-Zentgraf: Die medizinische Ausbildung ist auf häufige Krankheiten fokussiert und vernachlässigt die Besonderheiten der seltenen Erkrankungen. Im Rahmen der hausärztlichen Versorgung ist zum Teil nicht eindeutig, welche diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten für Menschen mit seltenen Erkrankungen bestehen – im Besonderen, wenn noch keine Diagnose vorliegt. Auch die Datenverarbeitung und der Datenschutz spielen in der Versorgung eine große Rolle. So erschweren unklare Datenschutzregelungen die Nutzungsmöglichkeiten bei der Erhebung von Daten zur Diagnosestellung und zum Patientenmonitoring. Patient:innen weisen oft eine sehr ausgeprägte krankheitsspezifische Expertise auf. Unser Gesundheitssystem ist jedoch von einer hohen Komplexität geprägt, sodass es für einzelne Patient:innen kaum mehr möglich ist, umfassend über die unterschiedlichen Möglichkeiten des Zugangs zu Diagnostik und Therapieoptionen oder in Fragen der Organisation und Finanzierung ihrer Versorgung informiert zu sein. Deswegen sind Patientenvertreter:innen für die Unterstützung einzelner Betroffener so wichtig. Die Funktion und die Kompetenzen der Patientenvertretung müssen weiter gestärkt werden.
Health Relations:Wie wird Ihre Initiative angenommen? Gibt es Zielgruppen, die besonders positiv oder zahlreich reagieren?Stephanie Ralle-Zentgraf:Wir erfahren einen großen Zuspruch aus der Ärzteschaft und von Patient:innen, gerade nach Veröffentlichung des Whitebooks im September 2023. Es besteht zudem ein großes Interesse der Politik an den konkreten Lösungsideen zur Verbesserung der Versorgung, die (weiter-)entwickelt wurden. Besonders hervorzuheben ist das starke Engagement aus Forschung und Lehre an unseren verschiedenen Formaten, unter anderem bei Round-Table-Diskussionen oder Werkstattgesprächen. Wir legen einen großen Wert auf den gemeinsamen Austausch mit den Patientenorganisationen und binden aktiv indikationsübergreifende wie auch -spezifische Organisationen ein.