Viele OTC- und Healthstyle-Marken verdanken ihren Erfolg nicht nur klarer strategischer Fundierung und kreativer Kommunikation. Entscheidend ist immer auch, dass Ärzte und ihre Mitarbeiter den Marken positiv gegenüberstehen. Was bedeutet das für die Marketing-Kommunikation von Unternehmen und Agenturen?
Richtig ist: immer mehr Menschen informieren sich heute im Internet und reflektieren in den sozialen Medien. Das gilt auch für Gesundheitsfragen. Ärzte und ihre Mitarbeiter bleiben aber eine der wichtigsten Informationsquellen. Und spielen immer noch die entscheidende Rolle, wenn es um Vertrauen geht – gerade für Gesundheitsmarken der wichtigste Wert überhaupt.
Mangel an Vertrauen
OTC-Produkte oder medizinisch positionierte Marken brauchen klare Botschaften, einen leicht verständlichen Nutzen als Voraussetzung für den Aufbau von Vertrauen. Das ging schon 2012 aus einer Studie der Strategieberatung Sempora hervor, die zeigte, dass es den meisten Konsumenten schwer fällt, Marken eindeutig einer Indikation zuzuordnen (vgl. Schäffler, Birte 2012: Lassen den Marken ihre Claims. In. Healthcare Marketing, Jahrgang 7, Ausgabe 11, S. 12 ff.). Und wenn der Verbraucher gar nicht so genau versteht, wofür ein Produkt wirklich gut ist, wird er natürlich erst Recht eine fachlich kompetente Person nach ihrer Meinung fragen.
Meinungsbildner Arzt und Praxis
Hausärzte sind näher an den Patienten als Fachärzte. Wer eine empfindliche Haut hat, landet z.B. nur selten beim Dermatologen. Zum Facharzt geht man eben erst, wenn man wirklich krank ist.
Leichte Beschwerden kuriert der Patient heute selbst, fragt aber häufig seinen Arzt um Rat. Und der sollte sich dann zumindest nicht gegen ein OTC- oder Gesundheitsprodukt aussprechen.
Doch es ist nicht nur der Arzt, dessen Meinung sich positiv oder negativ auf OTC-Verwender auswirken kann.
Das gesamte Praxis-Team dient den Patienten als „Reflektionszone“. Als „stille Empfehler“ werden die Mitarbeiter nach Gesundheitstipps und ihrer Beurteilung von Produkten gefragt. Marken, die das übersehen, leiden schnell unter mangelnder Akzeptanz, einem schlechten Image und sinkenden Absatzzahlen.
Gerade für OTC- und gesundheitsrelevante Produkte lohnt es sich, Ärzte und ihre Mitarbeiter zu informieren, die Wirkungsweise bzw. den Nutzen ihrer Produkte zu präsentieren und zu belegen. Doch warum sollten sich Ärzte überhaupt für Produkte interessieren, die nicht verordnet werden müssen? Zum Beispiel weil sie davon profitieren, wenn sie weniger Zeit in Leistungen investieren müssen, die sie nicht abrechnen können.
Und das Praxisteam? Das belegt gerne den eigenen Kompetenzanspruch der Praxis, legt sogar Informationsmaterial, das gut gemacht ist, in der Praxis aus. Schließlich unterhält es wartende Patienten sinnvoll über die häufig nur allzu abgegriffenen Exemplare der immer noch typischen Lesezirkel-Zeitschriften hinaus. Allerdings sollten Informationsmaterialien möglichst neutral gestaltet und
eher redaktionell als werblich daher kommen. Das gilt erst Recht für medizinisch positionierte Produkte, die Praxen unter anderem auch Proben zur Verfügung stellen können – gerade weil sie keine Arzneimittel sind.
Empfehlungen müssen rechtlichen Anforderungen genügen
Grundsätzlich sind natürlich alle rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten, insbesondere Paragraf 1 des Heilmittelwerbegesetzes:
Ärzte sind „kein Medium“, das man einfach „einspannen“ kann, um Produkte bekannt zu machen und ihren Absatz zu fördern. Sie können durch Tipps und Empfehlungen keinen finanziellen Vorteil für sich ziehen, leisten also auch keine werbliche Tätigkeit für Produkte oder Marken.
Ihr Nutzen ergibt sich aus den Vorteilen, die sich für ihre Patienten im Zusammenhang mit Bedürfnissen ergeben, denen der Arzt nicht mit abrechenbaren bzw. erstattungsfähigen Leistung begegnen kann.Die „grüne Gedankenstütze“ für Verbraucher
Mit dem Grünen Rezept hat sich eine Form der Empfehlung für OTC-Produkte herausgebildet, die den Verbrauchern hilft, sich zu erinnern und dabei die Praxis entlastet.
Ziel der Einführung im Jahr 2009 war es, die ärztliche Therapie mit rezeptfreien Arzneimitteln nach dem Erstattungsausschluss bei den gesetzlichen Krankenkassen zu unterstützen. Und das funktioniert gut. Mehr als 70% der Ärzte nutzen es, Tendenz steigend. Laut IMS Health resultiert ca. ein Viertel der Nachfrage nach OTC-Produkten aus dieser Form der Empfehlung. Insbesondere Mittel gegen Erkältungen und Schmerzen sowie Nischenprodukte, die zu kleinen Arzneimittel-Segmenten gehören, profitieren hiervon. Laut Dr. Uwe May vom BAH sehen Patienten das Instrument positiv. Daran ändert auch die kritische Haltung der Verbraucherverbände nichts (vgl.: Forumhome GmbH,
Grünes Rezept beliebt bei Ärzten.
Übertreibungen schaden, Fakten überzeugen
Damit ein Produkt von Ärzten oder deren Mitarbeitern empfohlen wird, müssen die Anwendungsgebiete klar umrissen, im Fall von freiverkäuflichen Arzneimitteln die Indikationsfelder und Wirkungsweisen umfassend beschrieben und belegt werden. Handelt es sich um medizinisch positionierte Produkte, verbietet sich das streng genommen.
Aber die klare Auslobung des Nutzens inklusive einer Beweisführung, woraus bzw. wie sich dieser ergibt, ist möglich. Bei vielen Präventionsangeboten ist dies sogar der einzige Weg, die eigene Relevanz zu belegen.
Grundlage sollte in jedem Fall eine differenzierungskräftige Markenstrategie und ein darauf aufbauendes Kommunikationskonzept sein. Die Marke muss sich den Zielgruppen glaubhaft erschließen. Die Herkunft der Marke – im Sinne ihres Begründungszusammenhangs – bildet dabei den Ausgangspunkt für die Kommunikation. Die
Marke Testamed zum Beispiel, konnte sich als Alternative für Diabetiker nur entwickeln, weil ihr die Firma Sebapharma mit ihrem medizinisch-wissenschaftlichen Bereich einen seriösen Absender mitgab. Dieser Hintergrund belegt die Inhalte der Kommunikation mit dem Arzt, betont die Leistungsaspekte, wobei das Unternehmen selbst kaum in Erscheinung tritt. Der Nutzen der Marke ist von entscheidender Bedeutung und in allem zu finden, was sie ausmacht. Ein wichtiger Bestandteil der Kommunikation mit dem Arzt: die Leistungsdimensionen der Marke in ihrer Relevanz für die Patienten.
Doch die Auslobung der Markenleistung ist nicht alles. Es müssen auch eindeutige Kompetenzbeweise geliefert werden.
Wissenschaftliche Fundierung ist bei allen Ärzten von großer Bedeutung. Auch hier gilt für die Kommunikation: Konzentration auf das Wesentliche, vertiefende Informationen auf Anforderung.Nachhaltigkeit durch langfristig angelegte Überzeugung
Um dauerhaft die Bereitschaft für Empfehlungen zu erhöhen, ist die Kommunikation langfristig anzulegen. Dann werden auch medizinisch positionierte Marken im ärztlichen Umfeld wahrgenommen.
Kontinuierliche Kontakte – fast schon im Sinne eines Dialogs – das Erleben ihres Nutzens und die über den unmittelbaren Erfahrungsbereich hinausgehende Darlegung praktischer Beweisführung überzeugen.Es empfiehlt sich, Ärzte und ihre Mitarbeiter als Kooperationspartner zu betrachten und zu behandeln. Es geht um den
Dialog zwischen Praxis und Marke, um die
Identifikation gemeinsamer Interessen als Grundlage für Empfehlungen. Tragen diese dazu bei, dass Ärzte und ihre Mitarbeiter vor allem Zeit und Organisationsaufwand sparen, ist der Nutzen offensichtlich.
Direkte Gespräche als fester Baustein im Kommunikationsmix
Der direkten Kommunikation durch Informations- und
Aufklärungsgespräche vor Ort kommt besondere Bedeutung zu.
Fachpressearbeit, Anzeigen, die Präsenz auf Kongressen und eigene Veranstaltungen, wie zum Beispiel Expertengespräche, kommen hinzu. Praxis-Mailings über aktuelle Entwicklungen oder neue Erkenntnisse sind als „Grundrauschen“ zu begreifen, das eine Marke auch zwischen den Besuchen des Außendienstes im Relevant Set hält.
In vielen Fällen macht es Sinn, die neuen Medien gezielt einzusetzen. Euphorische Vertreter der sozialen Medien seien gewarnt: kaum ein Arzt dürfte interessiert daran sein, mit Dutzenden von Arzneimittel- oder medizinisch positionierten Marken befreundet zu sein.
Eine App, die ihm schnell und unkompliziert hilft, Wirkungszusammenhänge zu erschließen oder zu erläutern, macht dagegen sehr wohl Sinn. So setzt z.B. der Dental-Implantat-Spezialist Straumann aus der Schweiz auf eine App, die hilft, Zahnärzten den Vorteil des eigenen Sortiments im Behandlungszusammenhang zu verdeutlichen.
Empfehlungen stärken die Glaubwürdigkeit
Arztkommunikation macht Sinn, um die Glaub- und Vertrauenswürdigkeit von OTC- und Gesundheitsprodukten zu stärken. Denn trotz der steigenden Relevanz des Internets bleiben Arzt und Praxispersonal die wichtigsten Empfehler, wenn es um Gesundheitsfragen geht.
Durch Empfehlungen erhalten Patienten Sicherheit und Marken eine nachhaltige Verankerung.
Viele OTC-Marken wissen allerdings nicht, wo sie im Prozess zwischen Werbung, Empfehlungen und Kaufverhalten stehen. Als beratende Agentur bieten wir bestehenden Marken an, ihre Positionierung und Kommunikation hinsichtlich ungenutzter Potenziale im Arzt-Marketing zu untersuchen. Hierfür werden die Marke, die bestehende Strategie und bestehendes Kommunikationsmaterial analysiert, im Anschluss Empfehlungen zur Optimierung von Markenkonzept und Kommunikationsstrategie gegeben. Ein Aufwand, der sich gerade für kleinere Marken mit geringeren Budgets schnell in einen wirtschaftlichen Vorteil verwandeln kann.
Dr. Günter Lewald ist Geschäftsführer der Kölner Agentur
PBL Milk GmbH, die 2011 aus der Fusion der Kölner Agenturen Pauli-Bach und Lewald sowie Milk hervorging. Zu den Kunden der Agentur gehören insbesondere Healthstyle- und OTC-Marken, die zum Teil schon seit Jahrzehnten betreut werden.