Berlin Chemie bringt in regelmäßigen Abständen den Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes raus. Er präsentiert Forschungs- und Umfrageergebnisse und stellt heraus, wie Diabetolog:innen zur Digitalisierung stehen.
Anja Selig, Gruppenleiterin Medizin Asthma, COPD & Diabetes BERLIN-CHEMIE AG und Michael Bollessen, Produktgruppenleiter Marketing Asthma, COPD, Diabetes & OTC, BERLIN-CHEMIE AG, berichten im Gespräch mit Health Relations, welche Trendthemen sich in der Diabetologie entwickeln und wie der Report hilft, mit ihrer Zielgruppe in Kontakt zu kommen.
In diesem Interview erfahren Sie:
Health Relations: Kürzlich ist der neue Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes 2022 (D.U.T 2022) erschienen. Können Sie die wichtigsten Erkenntnisse kurz zusammenfassen?Dr. Anja Selig:Im Vergleich zu den Ergebnissen aus den Befragungen der vergangenen Jahre eindeutig ist der ungebremste
Trend zur Digitalisierung. Auch im zweiten Jahr der Pandemie sehen wir einen Innovationsschub für digitale Anwendungen und Kommunikationsformen. So bestätigen drei von vier der befragten Ärzt:innen, dass die aktuelle COVID-19-Pandemie ein Treiber für die Digitalisierung ist. Das war zu erwarten und überrascht uns wenig. Neu ist aber, dass sich die Gewichtung der wichtigsten Themenfelder im Vergleich zum Vorjahr verschoben hat: So haben in diesem Jahr die befragten Diabetolog:innen erstmals die (Hybrid-)automatisierten Insulindosierungs-Systeme (AID-Systeme) als das wichtigste Themenfeld der Diabetologie beurteilt. Auch die Beurteilung von Künstlicher Intelligenz (KI) für die Diabetologie wird insgesamt höher eingeschätzt, als das in den vergangenen Jahren der Fall war.
Health Relations: Es ist bereits der vierte D.U.T. Wenn Sie zurückblicken, welche Veränderungen oder Trends lassen sich feststellen? Dr. Anja Selig:Ganz deutlich ist, dass immer mehr Menschen mit Diabetes neue Technologien wie Systeme zur kontinuierlichen Blutzuckermessung (CGM) nutzen. Das trifft auch auf die bereits erwähnten AID-Systeme zu, die für Menschen mit Typ-1-Diabetes mit der Hoffnung auf mehr Unabhängigkeit und ein "normaleres" Leben verbunden sind, denn viele wünschen sich von den neuen Diabetestechnologien eine Erleichterung ihres Lebens mit Diabetes. Auch Nachhaltigkeit und ökologische Themen liegen im Trend: Jeder zweite Mensch mit Diabetes macht sich über das Thema Verpackungsmüll Gedanken und viele wünschen sich wiederverwertbare Utensilien bei der Diabetes-Therapie. Allerdings ist manche Entwicklung auch nicht weiter vorangeschritten. Beispiel Online-Sprechstunde: Trotz Pandemie messen Diabetolog:innen der Online-Sprechstunde nur eine relativ geringe Bedeutung zu, sogar noch geringer als im ersten Pandemie-Jahr 2020; ähnliche Einschätzungen sehen wir bei der Online-Video-Schulung. Das hat uns sehr überrascht.
Health Relations: Wie hilft Ihnen der Report, im guten Kontakt mit den Diabetolog:innen zu sein?Michael Bollessen:Der D.U.T ist ein Projekt des Zukunftsboards Digitalisierung, das von den Fachgesellschaften und Berufsverbänden unterstützt wird. Der Report wird mittlerweile als Barometer für den Stellenwert, den die Digitalisierung in der Diabetologie wahrgenommen. Mit der Unterstützung eines solchen Projektes fördern wir als Unternehmen die Diskussion um wichtige, für die Diabetologie richtungweisende Fragestellungen. Digitalisierung ist ein sehr zentrales Thema für Diabetolog:innen, Praxisteams und auch für die Patient:innen. Was interessiert die Diabetolog:innen an Fragestellungen der Digitalisierung, was bewegt sie? Wie können digitale Lösungen das Diabetesmanagement verbessern?
Der Report greift aber auch Themen auf, die kritisch gesehen werden. Fragestellungen zu Datenschutz oder Ethik. Oder Ängste und Überforderung, die ja auch mit der Digitalisierungsprozessen verbunden sind. Die Themen des D.U.T helfen uns als Unternehmen, die Bedürfnisse der Ärzt:innen und Diabetesteams und auch die der Patient:innen besser zu verstehen. Darüber hinaus ist der Report für die Diabetologie aber auch ein wichtiges Instrument, sich als Fachdisziplin noch mehr Gehör zu verschaffen. Die Diabetologie setzt sich mit Zukunftsthemen auseinander, sie will mitreden und ihren Standpunkt und ihren Stellenwert behaupten auch im politischen Umfeld. Der Report adressiert auch Politik und Entscheidungsträger:innen. Daten liefern Argumente gegenüber Politik, GKV und stärken damit die Bedeutung des Faches Diabetologie im Bemühen um eine bessere Versorgung.
"Im Vergleich zu den Ergebnissen aus den Befragungen der vergangenen Jahre eindeutig ist der ungebremste Trend zur Digitalisierung"
Health Relations: Sie sagten es eben, die Digitalisierung macht natürlich auch vor der Diabetologie nicht Halt. Was muss noch passieren, damit diese ihren größten Nutzen entfaltet? Michael Bollessen:Die Digitalisierung durchdringt alle Bereiche: Forschung, Diagnostik, Prävention, Aufklärung, Therapiemanagement, Praxismanagement. Sie bietet große Chancen, aber es gibt auch viele Fragezeichen. Ich glaube, man muss den Prozess als solchen sehen. Die sogenannte "Digitale Transformation" verändert die Medizin und damit auch ihre Protagonist:innen. Veränderung fällt nicht immer leicht. Manchmal scheitert es schlichtweg an einer funktionierenden Internetverbindung. Kurz: Es gibt grundsätzliche Hindernisse, aber auch ganz banale. Das erfahren wir immer wieder auf Veranstaltungen mit Diabetolog:innen und Praxisteams. Denn Digitalisierung ist eines der Themen, zu denen wir Fortbildungsformate anbieten. Hier können wir als Unternehmen Hilfestellung bieten, indem wir Ärzt:innen und Praxisteams Foren für Austausch bieten, sie mit Expert:innen zusammenbringen und in Workshops Lösungen erarbeiten. Der Report ist jedenfalls auch ein wichtiges Instrument, Antworten auf diese Fragen zu finden.
Health Relations: Inwieweit fließen die Erkenntnisse aus dem Report in Ihre unternehmerischen Strategien ein?Michael Bollessen: Wir engagieren uns traditionell sehr stark in der Fortbildung und Schulung sowie in der Therapiebegleitung. Gerade in diesen Bereichen hat die Digitalisierung in den vergangenen Jahren völlig neue Möglichkeiten eröffnet. Ein Projekt wie der D.U.T nutzt beispielsweise im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Therakeys und zeigt auch Wege z.B. zur Entwicklung von DiGA auf. Die Entwicklung zur DiGA ist ein konsequenter Schritt, mit Ärtz:innen und Praxisteams die digitale Therapiebegleitung weiter intensivieren und optimieren zu können. Wichtig ist, dass diese ärztliche Leistung nun auch anerkannt wird. Einschätzungen, die Diabetolog:innen zum Beispiel zum Stellenwert von Apps haben, sind da für uns natürlich sehr wertvoll. Es wird sich zeigen, ob DiGAs in der ärztlichen Praxis angenommen werden. Wenn Ärzt:innen einen Nutzen darin sehen, sicherlich. Das ist übrigens auch ein ganz ein zentrales Anliegen des D.U.T: Digitale Trends zu erkennen, aber auch zu hinterfragen. Es geht nicht um Elfenbeinturm-Themen, sondern immer um den konkreten Praxisbezug und darum, den Ärzt:innen echten Mehrwert zu bieten. Auch hier liefert uns der D.U.T jedes Jahr wichtige Erkenntnisse.
Der Digitalisierung- und Technologiereport Diabetes wird herausgegeben von Professor Bernhard Kulzer, Bad Mergentheim, und Professor Lutz Heinemann, Neuss und erscheint im Verlag Kirchheim, Mainz. Unterstützt wird der Report von der Berlin-Chemie AG und dem Zukunftsboard Digitalisierung (zd), einem Team aus führenden Diabetesexpert*innen sowie Vertreter*innen von Krankenkassen und Patient*innen. Ziel ist es, den Digitalisierungsprozess in der Diabetologie in Deutschland aktiv voranzutreiben. Der Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes ist erhältlich über die Berlin-Chemie AG und in digitaler Form unter www.dut-report.de