„KI hat bei Boehringer Ingelheim einen großen Einfluss auf das Pharmamarketing“
Martin Beck: KI bietet der Pharmabranche Chancen der Optimierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Wir können dadurch die Medikamentenentwicklung beschleunigen, Innovationsprozesse verkürzen, und auch Prävention und Früherkennung von Erkrankungen können verbessert werden.
Health Relations: In welchen Bereichen sehen sie das größte Potenzial?
Martin Beck: Besonderes Potenzial sehe ich zukünftig in der Analyse und Auswertung von Daten, beispielsweise aus Studien. Neue Medikamente brauchen momentan oft zehn Jahre von der Forschung bis zur Anwendung. Mithilfe von digitalen Analyse-Tools können wir Studiendaten von Patienten in Echtzeit und ortsunabhängig auswerten. Beispielsweise muss ein Studienteilnehmer in Oklahoma nicht 6500 km zum nächsten Hospital und zum Investigator der Studie gebracht werden, sondern kann online "remote" von seinem Hausarzt betreut werden. Wir bringen also die Studie zum Patienten und nicht den Patienten zur Studie. Durch KI können Zusammenhänge schneller erfasst und verknüpft werden. Der Zeitraum kann dadurch um bis zu vier Jahre verkürzt werden und die Medikamente gelangen früher an die Patienten.
Health Relations: Die Digitalisierung ist im Gesundheitswesen auf dem Vormarsch. Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz heute in der Pharmabranche?"KI hat bei Boehringer Ingelheim einen großen Einfluss auf das Pharmamarketing."Health Relations: Wie wird diese Entwicklung ihrer Meinung nach weitergehen?Martin Beck: Zukünftig, wie auch bereits jetzt in vielen Bereichen, wird KI vor allem eine assistierende Rolle einnehmen. Forscher entwickeln mithilfe künstlicher Intelligenz Moleküle am Bildschirm und die Produktion wird smart. Der Mensch ist und bleibt bei diesen Erweiterungen durch KI jedoch Entscheidungsträger. Durch ihn werden die entstanden Daten letztendlich interpretiert und in eine Entscheidung übersetzt. Eine Aufgabe, die KI auch zukünftig nicht übernehmen sollte. Health Relations: Die ersten Anfänge davon gibt es doch schon.Martin Beck:Ja, smarte Assistenten finden wir bereits in den Bereichen Prävention und Diagnose. Bei der Diagnose arbeiten wir zum Beispiel an einem elektronischen Stethoskop, das Lungenauskultationsgeräusche und die damit assoziierten Erkrankungen erkennt. Erkrankungen, die der Arzt aufgrund ihrer Seltenheit nicht sofort einordnen kann. Sie werden durch Übereinstimmung von Lungengeräuschen in einer Datenbank von dem elektronischen Stethoskop verglichen und identifiziert. Die Diagnose selbst stellt der Arzt. Health Relations: Blicken wir einmal auf den Bereich des Pharmamarketings. Welche Rolle spielt KI dort jetzt und wie wird das in Zukunft aussehen?Martin Beck: KI hat bei Boehringer Ingelheim einen großen Einfluss auf das Pharmamarketing. Wir setzen KI in sogenannten "deep neural networks" ein. Das bedeutet, dass wir einen KI-basierten Assistenten für Kundenbindung entwickelt haben. Dieses System namens "AIC3R" (AI-based Customer Engagement Recommender) verwendet große Datensätze, um die Bedürfnisse der Kunden zu verstehen, indem er die vergangenen Interaktionen einbezieht. Die aus diesen Daten generierten Ergebnisse können anschließend auf die Patientenbedürfnisse übertragen werden und so den Patientenzugang erleichtern. Health Relations: Wie wollen Sie KI künftig nutzen?Martin Beck: Für den Einsatz von KI bestehen im Unternehmen sehr konkrete Erwartungen. Wir forschen intensiv an unterschiedlichen Lösungen und fokussieren uns auf Innovationen, die durch KI schneller erreicht werden können. In unserem digitalen Labor "BI X" suchen Digitalexpertinnen und -experten kontinuierlich nach neuen Geschäftsmodellen im digitalen Umfeld. Wir setzten dabei ganz früh in der Forschung an. Das Ziel ist, Entwicklungszeiten zu verkürzen. Health Relations: Haben dazu schon ein konkretes Beispiel?Martin Beck: Bereits im Einsatz ist beispielsweise ein Tool namens ADAM (Advanced Design Assistant for Molecules). Ein smarter Assistent, der Forscherinnen und Forscher unterstützt, schneller neue Wirkstoffe zu entwickeln. Das Tool schlägt unseren Wissenschaftlern passende Molekülverbindungen vor und prüft sie auf Stabilität. Auf dieser Basis kann dann ein Medikament entstehen. Deutlich schneller und präziser als bisher, nämlich in 7 anstatt in 13 Wochen. Zudem setzten wir KI bei dem Thema Alzheimer und Demenzerkrankungen ein. Wir entwickeln ein Spracherkennungssystem, das Sprachverhalten analysiert, um erste Anzeichen für Demenz zu erkennen.