Brigitte Ulrich ist Senior Manager Omnichannel bei Pfizer und kennt sich mit Change-Management in der Pharmaindustrie aus. Im Interview beleuchtet sie die Herausforderungen der Digitalisierung im Außendienst. Für Sie stehen dabei vor allem die notwendigen Anpassungen an ein zunehmend digitales Umfeld und die Überzeugungsarbeit, die innerhalb der Branche geleistet werden muss, im Fokus.

Health Relations: Die Digitalisierung des Außendienstes ist ein großes Thema in der Pharmaindustrie. Warum ist es so wichtig, den Außendienst digitaler aufzustellen?

Brigitte Ulrich: Der Hauptgrund liegt darin, dass Ärzt:innen – ihre Informationen zunehmend digital beziehen. Wenn wir als Pharmaindustrie nur analog agieren, verlieren wir den Anschluss. Ärzt:innen sind in ihrer Zeit stark eingeschränkt, da der Fokus natürlich auf den Patient:innen liegt. Dennoch sind wir verpflichtet, sie über unsere Medikamente zu informieren. Viele Mediziner:innen ziehen es vor, Informationen online abzurufen, sei es über Homepages oder Drittanbietende wie z.B. Arzneimittelführer. Wenn wir hier nicht mitziehen, verpassen wir die Chance, unsere Zielgruppe zu erreichen. Das Sprichwort „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“ passt hier sehr gut

Health Relations: Was ist mit dem persönlichen Kontakt. Wie spielt er noch in das Szenario hinein?

Brigitte Ulrich: Der persönliche Kontakt bleibt im Außendienst weiterhin wichtig. Vertrauen in eine Marke oder ein Unternehmen entsteht oft erst durch den persönlichen Austausch, etwa in der Praxis oder Klinik. Dennoch müssen wir digitaler werden, da sich die Bedürfnisse unserer Zielgruppe ändern. Viele Ärzt:innen wollen nicht mehr, dass der Außendienst im Wartezimmer sitzt, sondern bevorzugen digitale Treffen, wie etwa über Videocalls.

Health Relations: Wie schätzen Sie den aktuellen Stand der Digitalisierung im Außendienst ein?

Brigitte Ulrich: Technisch gesehen ist der Außendienst gut ausgestattet. Es fehlt allerdings streckenweise noch an der Überzeugung bei den Mitarbeitenden und teilweise auch bei der Zielgruppe. Die Bereitschaft, digitale Tools anzunehmen, ist noch nicht flächendeckend vorhanden. Alle Beteiligten müssen den Mehrwert dieser Tools erkennen, sonst wird es schwierig, die digitale Transformation vollständig zu implementieren.

Die Notwendigkeit eines Change Managements

Health Relations: Wie schaffen Sie es, den Außendienst von der Notwendigkeit der Digitalisierung zu überzeugen?

Brigitte Ulrich: Das erfordert Geduld und kontinuierliche Kommunikation. Wir haben damit begonnen, „Multiplikator:innen“ zu schaffen, also Mitarbeitende und Ärzt:innen, die bereits positive Erfahrungen mit digitalen Tools gemacht haben. Solche Personen werden auch „Digital Champions“ genannt. Diese teilen dann ihre Erfahrungen und zeigen auf, wie nützlich digitale Lösungen sein können. Besonders hilfreich ist es, wenn man sieht, dass bestimmte Maßnahmen bei anderen Unternehmen funktionieren, aber bei uns vielleicht noch nicht. Hier gilt es herauszufinden, woran das liegt und was wir verbessern können.

Health Relations: Gibt es bestimmte Kundengruppen, die digitaler sind als andere? Wie beeinflusst das den Außendienst?

Brigitte Ulrich: Sowohl bei den Ärzt:innen als auch bei den Mitarbeitenden im Außendienst gibt es digital Fitte und Skeptiker. Daten von Drittanbietern zeigen, dass jüngere HCP es mehr gewohnt sind, sich Informationen selbst zu suchen, oft über Plattformen, auf denen die Pharmaindustrie nicht aktiv ist. Hier müssen wir als Branche aufpassen, dass wir nicht den Anschluss verlieren.

Health Relations: Welche Hürden sehen Sie im Bereich der digitalen Kommunikation mit Ärzt:innen?

Brigitte Ulrich: Eine große Herausforderung ist, dass viele pharmazeutische Inhalte hinter Login-Hürden platziert werden müssen, damit nur medizinische Fachkräfte darauf Zugriff haben. Das macht es für Ärzt:innen oft unattraktiv, auf die offiziellen Webseiten der Pharmaunternehmen zuzugreifen. Ein weiteres Problem ist die Menge an Informationen, die Ärzt:innen von verschiedenen Pharmaunternehmen erhalten. Mitunter sind sie genervt von der Vielzahl an Newslettern und lehnen die sogenannte „E-Permission“ ab, die uns erlauben würde, sie per E-Mail zu kontaktieren.

Health Relations: Welche Lösungen sehen Sie hier?

Brigitte Ulrich: Es wäre sinnvoll, wenn die Pharmaindustrie mehr zusammenarbeiten würde. Denkbar wäre eine gemeinsame Plattform, auf der Mediziner:innen Informationen über verschiedene Medikamente finden könnten. Eine solche Lösung würde den Zugang zu Informationen vereinfachen und uns als Branche helfen, Ärzt:innen besser zu erreichen.

„Wenn der Außendienst den Sinn hinter den digitalen Tools erkennt, wird er sie auch nutzen.“

Health Relations: Wie beeinflusst die Digitalisierung die Arbeit des Außendienstes konkret?

Brigitte Ulrich:Wenn der Außendienst den Sinn hinter den digitalen Tools erkennt, wird er sie auch nutzen. Es geht darum, den Mitarbeitenden gute Werkzeuge an die Hand zu geben, die ihnen die Arbeit erleichtern. Ein Außendienstmitarbeiter, der versteht, dass er durch digitale Lösungen effizienter arbeiten kann, wird diese auch einsetzen. Wenn wir den Wandel nicht schaffen, riskieren wir, dass unsere Mitbewerber diese Lücke füllen.

Health Relations: Ein weiterer Aspekt der Digitalisierung ist die Transparenz. Wie gehen Sie mit der Tatsache um, dass digitale Tools auch zu einer verstärkten Kontrolle führen können?

Brigitte Ulrich:Das ist ein sensibler Punkt. Je digitaler die Arbeit, desto transparenter wird sie. Viele Außendienstmitarbeitenden empfinden es als unangenehm, wenn ihre Arbeit in Echtzeit gesehen wird. Da müssen wir ein Gleichgewicht finden. Es geht nicht darum, die Mitarbeitenden zu kontrollieren, sondern den Workflow zu optimieren. Transparenz sollte als Chance gesehen werden, um gemeinsam besser zu werden.

Health Relations: Was wäre Ihr Wunsch für die Zukunft der Digitalisierung im Außendienst?

Brigitte Ulrich:Mein Wunsch wäre, dass wir es schaffen, die digitale Transformation als Team zu bewältigen. Es geht darum, neue Tools und Methoden gemeinsam zu entwickeln und umzusetzen, ohne dabei den persönlichen Austausch und das Vertrauen, das wir im Außendienst aufgebaut haben, zu verlieren.