Dr. Claudia Abel, BERLIN CHEMIE: „Inzwischen haben wir so etwas wie Krisenroutine“
Dr. Claudia Abel:Ich verantworte auch als Vorständin den Bereich Pharma Deutschland. Neu ist, dass ich jetzt – wie alle anderen Mitglieder des Vorstandes auch, Gesamtverantwortung für das ganze Unternehmen trage. Zwar leitet jedes Vorstandsmitglied seinen Vorstandsbereich selbstständig, aber übergreifende, strategische Entscheidungen werden von allen Vorstandsmitgliedern gemeinsam getroffen.
Health Relations: Welche neuen Akzente wollen Sie setzen?Dr. Claudia Abel:Mir geht es darum, BERLIN-CHEMIE konsequent als modernes Pharmaunternehmen für die Zukunft aufzustellen und weiterzuentwickeln. Das kann nur gelingen, wenn wir die vielen Veränderungen im Gesundheitsmarkt konsequent begleiten. Da gibt es eine Vielzahl an Themen. Nehmen wir als Beispiel die zurückgehende Zahl an Einzelarztpraxen und die Entwicklung hin zu immer mehr, mitunter extern gemanagten, medizinischen Versorgungszentren. Pandemiebedingt beschleunigen sich außerdem auch im Gesundheitsbereich sehr rasch die Digitalisierungsprozesse, etwa mit der elektronischen Patientenakte oder dem E-Rezept. Es gilt, solche Trends frühzeitig zu erkennen und die richtigen Konsequenzen für uns daraus abzuleiten. Dabei ist unsere traditionelle Stärke, die Bedürfnisse der Ärzte gut zu verstehen, ein strategischer Vorteil. Wir haben zum Beispiel umfangreiche Erfahrungen in der digitalen Therapiebegleitun und sind stark in der Entwicklung innovativer digitaler Fortbildungen. Mit diesem Know-how wollen wir auch künftig in einem veränderten Marktumfeld flexible, individuelle und attraktive Lösungen für Patienten und Ärzte entwickeln und umsetzen.
Health Relations: Welche Rolle spielt dabei die Corona-Krise?Dr. Claudia Abel:Ich glaube schon, dass die Gesundheit als zentrale gesellschaftliche Frage einen neuen Stellenwert bekommt und damit auch unsere Arbeit, wie die der gesamten Pharma-Branche, größere Anerkennung erfährt. Das wurde uns beispielsweise von den Ärzten und Apothekern als Echo zurückgespielt, da wir trotz Pandemie eine stabile Medikamentenversorgung gewährleisten konnten. Und das haben auch unsere über 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erlebt, die in den ersten Monaten dieses Jahres das Impfzentrum in Berlin-Treptow unglaublich engagiert und freiwillig unterstützt haben, ebenso wie die Kollegen, die parallel dazu in der Firma den Betrieb am Laufen gehalten haben.
Health Relations: Wie genau sah das Engagement der BERLIN-CHEMIE aus?Dr. Claudia Abel:Als Berliner Unternehmen fühlen wir uns der Hauptstadt und ihrer Bevölkerung in besonderer Weise verpflichtet und haben daher nicht gezögert, als uns der Berliner Senat Ende 2020 um Unterstützung bat, um kurzfristig das erste und größte der Berliner Impfzentren in Berlin-Treptow aufzubauen. Rund 150 freiwillige BERLIN-CHEMIE-Mitarbeiter mit entsprechender medizinisch-pharmazeutischer Qualifikation aus den Standorten Berlin-Adlershof, Berlin-Britz und Großbeeren sowie aus dem bundesweiten wissenschaftlichen Außendienst waren dem Aufruf der Unternehmensleitung gefolgt und haben mit ihrem pharmazeutischen Know-how die Aufbereitung des sensiblen Impfstoffes "BNT162b2" Comirnaty® von BionNTech/Pfizer unterstützt. Über 85.000 Impfdosen konnten so einsatzbereit übergeben werden. Diese gemeinsame Erfahrung, nämlich Menschen zu helfen, ist das, was unseren Beruf im Kern ausmacht und wird im Unternehmen noch lange positiv nachhallen.
Health Relations: Sie sind seit Januar 2021 Mitglied im Vorstand der BERLIN-CHEMIE AG. Zuvor waren Sie für die Leitung Pharma Deutschland verantwortlich. Was hat sich für Sie verändert?"Ich glaube schon, dass die Gesundheit als zentrale gesellschaftliche Frage einen neuen Stellenwert bekommt und damit auch unsere Arbeit, wie die der gesamten Pharma-Branche, größere Anerkennung erfährt"Health Relations: Wie hat sich die Corona-Krise bislang auf die Unternehmensentwicklung ausgewirkt?Dr. Claudia Abel: Das letzte Jahr haben wir trotz Pandemie erfolgreich abgeschlossen. Inzwischen haben wir so etwas wie Krisenroutine. Was nichts daran ändert, dass es nach wie vor viele Unsicherheiten im Markt gibt, die eine verlässliche Planung nicht immer einfach machen. So gab es im gesamten letzten Jahr etwa rund zehn Prozent weniger Patientenbesuche in Arztpraxen mit negativen Auswirkungen auf die Zahl von Verschreibungen. Solche unberechenbaren Schwankungen wirken sich natürlich auf die Planung und den Geschäftsverlauf aus. Health Relations: Hat sich auch die Arbeit des Außendienstes verändert?Dr. Claudia Abel:Während der Außendienst im vergangenen Jahr zehn Wochen wegen des Lockdowns und noch fehlender Schutzausrüstungen bis Juni pausieren musste, haben wir die Aktivitäten, insbesondere auch die digitalen Kontakte zu den Ärzten, erheblich verstärkt. Die Außendienstmitarbeiter entscheiden eigenständig über Präsenzbesuche oder digitale Kontaktaufnahme. Für die digitale Interaktion war zunächst die notwendige Zustimmung der Ärzte einzuholen, diese liegt uns inzwischen von einer großen Zahl an Ärzten vor. Die Zahl der Videotelefonate mit Ärzten wächst jedoch nur langsam. Hier ist noch Überzeugungsarbeit nötig. Health Relations: Hat die digitale Interaktion künftig Vorrang?Dr. Claudia Abel:Das persönliche Gespräch ist nach wie vor die wichtigste Voraussetzung für eine stabile partnerschaftliche Zusammenarbeit, es wird daher immer eine hohe Priorität behalten. Wir fokussieren uns aber auch verstärkt auf digitale Arztkontakte. So erreichen wir zum einen zusätzlich digital-affine Ärzte, zu denen wir bisher kaum Zugang hatten. Zum anderen können wir hiermit den Ärzten neue, attraktive Tools anbieten, die sie in ihrer Arbeit noch besser unterstützen. Die Pandemie hat der Digitalisierung einen riesigen Schub verliehen, darin liegen große Chancen für alle Beteiligten im Gesundheitswesen. Diese Dynamik wollen wir als Unternehmen nutzen, um mit digitalen Angeboten die Versorgung der Patienten weiter zu verbessern.