Kommentar

Der Code of Conduct für Content Marketing will den Markt für alle Parteien transparenter gestalten. Im Fokus: die Kennzeichnung von contentgetriebenen Ads im Native Context. Eine gute und wichtige Initiative. Nur wenn das Geschäft mit Content nach klaren Regeln spielt und der Markt Schlupflöcher in der Kennzeichnungspflicht verödet, ist Content Marketing für Pharma überhaupt erst relevant.

Die Fokusgruppe Content Marketing des Bundesverbands für Digitale Wirtschaft (BVWD) und des Content Marketing Forums (CMF) haben mit ihrem Code of Conduct für Content Marketing Bewegung in die Branche gebracht. In Zeiten von werbemüden Konsumenten, Ad-Blockern und Content-Überflutung wird das Geschäft mit Content immer beliebter, die Verbände fürchten eine Verwässerung des Marktes und möchten die durch die Implementierung einheitlicher Standards für die Agentur-Branche verhindern. Die Ziele sind Transparenz im Umgang mit der Vertriebsstruktur, dem Leitungsspektrum und der Kostenstruktur, Qualität und Wahrheitsgehalt des Contents und die Etablierung von Standards im Reporting. Vor allem aber geht es um eines: Um die Kennzeichnung von Paid Media Content im Native Context. Wo Werbung drin ist, soll auch Werbung drauf stehen. Die Kennzeichnung kann dabei auf unterschiedlichen Wegen geschehen: Mit Logo, einem Impressum – Hauptsache, sie erschließt sich dem Konsumenten auf dem ersten Blick. Schöne Sache, aber wird dadurch nicht das Ziel von Native Ads konterkariert? Denn ihr Zweck ist es ja gerade, dass der Konsument den Unterschied zwischen Sponsored Content und dem journalistischen Umfeld nicht wahrnimmt. Die native Integration soll Inhalte untermogeln, man spielt mit der Achtsamkeit des Konsumenten. Das klingt vielleicht halbseiden, ist aber Fakt. Deshalb folgt der platzierte Content auch dem Prinzip des Mehrwerts und basiert auf journalistischen Standards. Er soll schlicht nicht wie Werbung aussehen. Da stellt sich für einige in der Kommunikationsbranche die Frage: Ist das denn überhaupt noch Werbung? Können wir da die Kennzeichnungspflicht nicht vernachlässigen? Und überhaupt: Zählen contentbasierte Native Ads überhaupt zu den Content-Marketing-Maßnahmen?

Ist Paid Media im Native Context etwa keine Werbung?

Mal ehrlich: Dass Paid Media zu den Content-Marketing-Maßnahmen zählen, ist mehr als schlüssig. Wenn Native Ads contentbasiert und nicht nach den Maßstäben klasssischer Werbung arbeiten, gehören sie genau in dieses Segment und fallen somit unter den Code of Conduct für Content Marketing. Sie aus diesem Maßnahmen-Katalog herauszulösen, ist nicht sinnvoll. Qualität hin oder her, am Ende bleibt es Werbung. Und natürlich ist es richtig und wichtig, diese auch als solche zu kennzeichnen. Sichtbar. Auf dem ersten Blick mag das dem Prinzip von Native Content widersprechen. Aber wer glaubt, dass die Etablierung eines Schlupflochs im Diktat der Kennzeichnungspflicht langfristig funktioniert, unterschätzt den Konsumenten und opfert das Markenimage zu Gunsten von Klickzahlen. An diesem Punkt macht es sich so manches Branchen-Mitglied leicht. Und lügt sich in die eigene Tasche. Denn auf dem zweiten Blick lässt sich der scheinbare Widerspruch durchaus auflösen: Marken müssen extrem starken Content kreieren, der die Kennzeichnung quasi überstrahlt.Netflix hat dieses mit seiner Content Marketing-Kampagne zum Serien-Staffelstart von "Orange Is The New Black" in der Times vorgemacht.
Code of Conduct für Content Marketing

Geniales Content Marketing von Netflix: In der New York Times veröffentlichte der Streamingdienst einen gut recherchierten Beitrag über Frauen im Strafsystem – mit Verlinkung zur Serie "Orange Is The New Black".

Was heißt das für Pharma?

Die Netflix-Kampagne war stark. Aber kann Pharma das auch? Ja, aber mit weitaus größeren Herausforderungen. Das Logo eines Streaming-Dienstes über einem Paid-Media-Auftritt wirkt mit Sicherheit harmloser als das eines Pharma-Unternehmens. Beispiel: Ein Bericht über die Wirkungsweise von unterschiedlichen Therapien zu einer Krebserkrankung wird in einem darauf abgestimmten, gesundheitsorientierten, journalistischen Umfeld veröffentlicht. Als Paid Media mit Logo gekennzeichnet, verlinkt mit der Homepage des Unternehmens, wie der Code of Conduct für Content Marketing es fordert. Im B2B-Segment kann das durchaus funktionieren, der Content wird jedoch unter Umständen durch die Kennzeichnung als nicht unabhängig journalistisch wahrgenommen – und verliert an Kraft. Im OTC-Bereich ist dieser Effekt noch weitaus stärker zu berücksichtigen. Wenn ich einen Beitrag über Hilfsmittel bei Schnupfen und Heiserkeit lese, gesponsert von einem Pharma-Unternehmen, das Präparate gegen Husten produziert, dann ist das, unabhängig von der Content-Qualität, für den Konsumenten Werbung. Und wird mit einer anderen Erwartungshaltung rezipiert. Für Pharma heißt das: Der Content muss noch stärker, noch mehr Mehrwert bieten als in anderen Branchen. Er muss den Leser fesseln, trotz Zuordnung zu einem Unternehmen oder einer Marke. Das ist definitiv eine Herausforderung – und nicht die einzige.

Code of Conduct für Content Marketing: Das muss sich ändern, wenn Pharma  mitspielen will

  • Die Definition von Sponsored Content im native Context muss spitzer werden. Native Ads dürfen sich dem Kontext optisch und thematisch annähern, müssen sich aber auch absetzen – durch eine rasch erkennbare Marken- und Unternehmensnennung.
  • Der Code of Conduct für Content Marketing ist ein vielversprechendes Tool, um die Glaubwürdigkeit von contentbasierten Native Ads – und von Content Marketing generell – zu sichern. Nur wenn diese kommunikative Maßnahmen frei von dem Vorwurf der Schleichwerbung sind, sind sie für Pharma überhaupt interessant.
  • Zum jetzigen Zeitpunkt unausgereift sind Kontroll-Instanzen und eventuelle Strafmaßnahmen bei Verstößen von teilnehmenden Agenturen gegen den Verhaltenkodex. Die Pharma-Branche sollte dieses mit gesteigerter Aufmerksamkeit beobachten.
Fazit: Content Marketing ist kein leichtes Geschäft. Der Code of Conduct macht es definitiv nicht einfacher. So viel ist sicher. Aber nachhaltiger, transparenter, vertrauensfördernder. Damit das funktioniert, muss die gesamte Marketingbranche umdenken und sich einig sein: Paid Media im Native Context darf nicht als Schlupfloch in der Kennzeichnungspflicht dienen. So lange das nicht geklärt ist, sollte Pharma in diesem Segment mit großer Umsicht agieren. Denn nichts ist so essentiell in der Pharma-Kommunikation wie das Vertrauen in die Marke.