Aufklärung, Aufklärung und noch mehr Aufklärung. Genau das kann Content Marketing im Healthcare-Bereich leisten. Das sagt Jens Fuderholz, Geschäftsführer der Agentur TBN Public Relations.
Health Relations: Wie präsent ist das Thema Content Marketing in den Marketingstrategien von Pharmaherstellern und Medizinprodukte-Herstellern?Jens Fuderholz: Die Digitalisierung ist eines der großen Themen bei Pharma und Medizinprodukten. Und natürlich zählt – wenn wir das Marketing in den Fokus nehmen – dazu auch, dass Unternehmen nach Wegen jenseits der klassischen Marketingkanäle suchen. Ein weiterer Treiber ist, dass einerseits die Grenzen zwischen Medizintechnik und Fitness-Produkten langsam verschwimmen und andererseits immer mehr Themen aus Diagnostik und Therapie vom Arzt zum Patient verlagert werden: Der Gesunde will also Wissen haben, wie er mit Technik seinen Körper optimieren kann. Der Kranke bekommt Technik an die Hand, um gesund zu werden. In jedem Fall bedeutet das: Aufklärung, Aufklärung und noch mehr Aufklärung. Das ist genau das, was Content Marketing leisten kann. Edutainment im besten Sinn sozusagen.
Health Relations: Wird es denn umgesetzt?
Fuderholz: Angekommen ist das Thema noch lange nicht. Auch wenn viele Studien zu dem Ergebnis kommen, dass Content Marketing ganz oben auf der Agenda der Marketingverantwortlichen steht. Umgesetzt wird gutes Content Marketing nur in wenigen Einzelfällen – es geht oftmals nicht viel weiter als bis zur klassischen Patienten-Info, die dann beim Arzt im Wartezimmer vergilbt.
Health Relations: Welche Unternehmensziele können mit Content-Marketing denn besonders gut erreicht werden? Fuderholz: Content Marketing bietet für erklärungsbedürftige Produkte eigentlich ideale Möglichkeiten: Seriös informieren, Wissen vermitteln und Vertrauen aufbauen. Das ist das, was gut gemachtes Content Marketing leistet. Natürlich kann ich so Markteinführungen beschleunigen und natürlich helfen Information und Vertrauen in eine Marke dabei, dass der Patient von sich aus mit dem Arzt das Gespräch sucht, ob statt Wirkstoff nicht ein konkretes Präparat verordnet werden kann. Letztlich stärkt gutes Content Marketing immer das Gegenüber: Der informierte Kunde tritt dem Vertriebler auf Augenhöhe gegenüber, der informierte Patient kann plötzlich die richtigen Fragen an den Arzt richten und Therapie-Entscheidungen besser nachvollziehen.
Content Marketing bedeutet nicht, medizinische Fachinformationen plötzlich für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder Heilsversprechen in die Welt zu tragen.
Health Relations: Welche Möglichkeiten haben Pharmahersteller, gerade vor dem Hintergrund des HWG im Content Marketing-Bereich? Fuderholz: Da gibt es viele Möglichkeiten – die häufig noch nicht genutzt werden. Und das HWG ist natürlich omnipräsent – und das ja auch aus gutem Grund. Aber Content Marketing bedeutet nicht, medizinische Fachinformationen plötzlich für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder Heilsversprechen in die Welt zu tragen. Eigentlich geht es ja um das Gegenteil: Erklären und Aufklären ist das Ziel von Content Marketing. Wer verschiedene Therapie-Ansätze so anschaulich erklärt, dass sie auch von Kindern verstanden werden können und sie mit ihren Stärken und Schwächen vergleicht, informiert zunächst einmal. Dass sich ein solcher Vergleich für einen Hersteller im Content Marketing dann natürlich verbietet, wenn die eigenen Produkte nicht bei den Stärken, sondern bei den Schwächen überwiegen, ist natürlich auch klar. Ich bin ein großer Freund einer offenen Kommunikation – jedes Tricksen und Verbergen kommt in der digitalen Welt in der Regel schnell ans Licht. Um es pathetisch auszudrücken: Dem ehrlichen Marketer gehört die Zukunft des Content Marketings.
Health Relations: Können Healthcare-Unternehmen, die viel mit Studien und erklärungsbedürftigen Produkten arbeiten, beim Content-Marketing mit Infografiken, Experteninterviews, Webinaren und Whitepapers punkten? Fuderholz: Ganz genau darum geht es. 40 Millionen Deutsche suchen im Internet nach Gesundheitsinformationen. Wenn wir die Akutfälle herausnehmen, bleibt ein großer Informationsbedarf vor einer Therapieentscheidung, oftmals auch vor der Diagnostik. Hier lassen sich Studienergebnisse so aufbereiten, dass sie für jedermann verständlich und eingängig sind. Berichte aus der klinischen Forschung, das Einbinden von Interviewpartner aus der Klinik und viele Dinge mehr sind genau die Informationen, die Patienten und Angehörige suchen. Übrigens gilt das auch für die niedergelassenen Mediziner. Die junge Generation, die heute Praxen übernimmt, ist mit dem Internet groß geworden. Da gehört das Netz bei der Informationsrecherche einfach dazu.
Berichte aus der klinischen Forschung, das Einbinden von Interviewpartner aus der Klinik und viele Dinge mehr sind genau die Informationen, die Patienten und Angehörige suchen.
Health Relations: Sie sagen, Content Marketing habe immer auch das Ziel, eine Interaktion mit dem Content auszulösen. Welche Vorteile hat dies? Fuderholz: Content Marketing bietet im Vergleich zu vielen anderen Methoden den unschlagbaren Vorteil der Messbarkeit. Und am besten lassen sich neue Vertriebskontakte, also qualifizierte Leads, messen. Deshalb macht es sehr viel Sinn, relevanten Content zur Leadgenerierung zu nutzen. Die Betonung liegt dabei auf ,relevant’, denn für praxisnahe und handfeste Informationen zu einem Verfahren, einer Problemlösung, einem Therapieansatz oder ähnlichem kann ich den Leser oder User gut nach seinen Kontaktdaten und einer Werbeeinwilligung fragen.
Health Relations: Das heißt, relevanter Content nur gegen Kundendaten? Fuderholz: Im Prinzip ja. Aber letztlich muss es immer eine Mischung aus niederschwellig erreichbarem und trotzdem relevantem Content und hochwertigen Download-Angeboten sein. Niemand will gleich beim ersten Kontakt sprichwörtlich die Hosen herunterlassen und seine Adressdaten und Interessen preisgeben. Ist aber das erste Vertrauen aufgebaut – zum Beispiel mit einem echt guten und interessanten Video auf der Website – dann kann das Unternehmen weiterführende Informationen zum Download anbieten. Übrigens: Auch Produktmuster können solche hochwertigen Angebote sein, das ist nicht immer auf die digitale Welt beschränkt.
Health Relations: Die Auffindbarkeit über Suchmaschinen wird durch guten Content erhöht und die Online-Sichtbarkeit der Website steigt. Wie sollte man hier vorgehen, um die richtigen Keywords und relevanten Themen für seinen Content zu wählen? Fuderholz: Es geht nicht nur um die richtigen Keywords. Es geht ganz grundsätzlich um die richtigen Themen: Wir analysieren zunächst eine sogenannte Buyer Persona. Das heißt wir erstellen auf der Basis explorativer Interviews quasi psychologische Typisierungen. Dabei geht es auch darum, welche Sorgen und Nöte, welche Treiber und Motive die Leser oder User antreiben. Daraus ergeben sich dann konkrete Informationsbedürfnisse, die es zu befriedigen gilt. Das heißt, in der Folge produzieren wir dann Content, der genau zu unseren Zielpersonen passt. Dabei tritt das Produkt und das Absatzinteresse des Unternehmens in den Hintergrund. Das ist wichtig, denn nur so funktioniert der Vertrauensaufbau.
Fangen Sie klein an, realisieren Sie schnell erste Erfolge und nehmen Sie dadurch alle Akteure aus Marketing und Vertrieb mit auf die Reise.
Health Relations: Haben Sie noch eine praktische Handlungsempfehlung, die man bei der Entwicklung einer Content-Marketing-Strategie im Healthcare unbedingt beherzigen sollte? Fuderholz: Eine? Ganz viele. Die wichtigste Empfehlung ist allerdings: Fangen Sie klein an, realisieren Sie schnell erste Erfolge und nehmen Sie dadurch alle Akteure aus Marketing und Vertrieb mit auf die Reise. Content Marketing und Leadmanagement verändern die Organisation, deshalb sind schnelle, sichtbare Erfolge so wichtig.
Jens Fuderholz, ist Geschäftsführer TBN Public Relations GmbH
Jens Fuderholz ist Geschäftsführer der TBN Public Relations GmbH in Fürth und Berlin. Mit seiner Agentur berät er Unternehmen bei der Einführung von Content Marketing und Leadmanagement und begleitet die Umsetzung nationaler und internationaler Strategien und Kampagnen. Er ist Dozent im Studiengang Technikjournalismus/Technik-PR an der TH Nürnberg und lehrt am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Bamberg.