Seit knapp über einem Jahr ist die B2B-Plattform Amazon Business auch in Deutschland am Start. Und es bewahrheitet sich, was Branchenkenner vermuteten: Der E-Commerce-Riese dringt auch in den Healthcare-Markt. Für den Dentalhandel bleibt das nicht ohne Auswirkungen.

Die Zahlen sprechen für sich. Die deutsche Version von Amazon Business legte mit seinem Launch im Dezember 2016 einen Senkrechtstart hin. Schon vier Monate später verzeichnete der E-Commerce-Profi nach Unternehmensangaben 50.000 Geschäftskunden. Heute nutzen rund 150.000 Geschäftskunden, Selbstständige und kleine Firmen, aber auch multinationale Konzerne und Organisationen aus dem öffentlichen Sektor diesen Kanal. Tendenz: Steigend. Das Angebot von Amazon Business ist breit aufgestellt – und bietet auch zahlreiche Healthcare-Produkte von Verbandsmaterial bis hin zu OTC-Präparaten oder MedTech-Artikeln an. Dental-Produkte stellen eine eigene Rubrik dar.
Amazon Business

Professionelle Healthcare-Produkte auf Amazon Business. Foto: Screenshot Amazon

Das sorgt im Dental-Handel für Aufruhr. Denn Amazon verändert mit seinem Eintritt in das B2B-Dental-Segment die Strukturen des Marktes. Der Konzern kann seine Expertise aus dem B2C-Bereich und die vorhandene Infrastruktur in das B2B-Geschäft verlagern – wohl wissend, dass es zwischen diesen beiden Kundengruppen entscheidende Unterschiede gibt. Und er setzt viel daran, diesen Markt für sich zu erobern. Die „Studie eVisibility Medizintechnik 2017“, durchgeführt vom Marktforschungsunternehmen research tools, belegt, dass Amazon im Internet die beste Sichtbarkeit innerhalb der Medizintechnik-Branche hat. Hersteller- und Markenshops sind mit einem Anteil an der gesamten E-Visibility von 14 Prozent vergleichsweise schwach vertreten.

Hat der deutsche Dentalhandel geschlafen?

Es scheint, als sei der deutsche Dentalhandel nicht auf Amazons Markteintritt vorbereitet. Dabei ist es offensichtlich, dass dessen DNA perfekt auf den Healthcare-Markt zugeschnitten ist. Eine ausgeprägte Customer Centricity, schnelle Lieferung, Qualität und Preistransparenz sind Argumente, die auch den Zahnmediziner und den Entscheider in der Praxis begeistern. Hinzu kommen Kundenservices wie Mengenrabatte, unterschiedliche Preisstrukturen, Rechnungskauf, Nettopreise, angepasste Logistik, die Unterstützung von kundeneigenen Auftragsnummern oder die Integration in die Einkaufssysteme. Zudem können Admins Mitarbeitern eigene Konten mit Budget zuweisen. Jüngster Coup: Die Einführung von Amazon Business Prime. Das kommt an. Amazons Markteintritt verändert die Branche; diese muss sich nun neu positionieren und reagieren. Fakt ist: Sich als Händler bei Amazon zu registrieren, hat auch Vorteile – zum Beispiel den Zugriff auf dessen Infrastruktur. Das hat Power; Händler können international expandieren, kleinere Unternehmen können ihre Relevanz auf dem Markt stärken. Doch alles hat seinen Preis. Amazon ist ein starker Partner – doch eben auch eine Macht, die den Markt zu dominieren weiß. Schon im B2C-Bereich beobachten wir, wie die Abhängigkeit kleinerer und mittelständischer Online-Unternehmen von dem E-Commerce-Profi wächst. Wer sein Internetgeschäft nicht über Amazon abwickelt, wird schnell vom digitalen Markt verdrängt. Zudem wird der Gewinn der Anbieter durch Gebühren seitens Amazon geschmälert. Und dann ist da noch die von der Dentalhandel-Branche ungeliebte Preistransparenz. Kunden schätzen Plattformen gerade deshalb, weil sie Anbieter, deren Produkte und deren Preise ohne große Recherche miteinander vergleichen können. Preisnachlässe und Preisverfall sind eine nicht unwahrscheinliche Folge.

Amazon Business: Pro und Contra

Was tun? Amazons Macht am E-Commerce-Markt ist gewaltig und macht auch vor dem stark reglementierten Healthcare-Markt nicht Halt. Für Dentalhändler ist das Chance und Risiko zugleich. Amazon ist auf eine Geschäftsbeziehung mit dem Dentalhandel angewiesen. Die Plattform produziert keine Waren, sie handelt mit ihnen. Und natürlich bringt das die Gefahr mit sich, dass gerade die großen Konzerne durch Deals mit Amazon ihre Marktmacht zusätzlich ausweiten. Sich Amazon zu verweigern, ist damit keine gute Idee. Die Lösung kann eine Dualstrategie sein: Die Positionierung als Händler auf Amazon-Business, um den Kundenstamm weiter auszubauen – und die Pflege eines eigenen Online-Channels. Auf dieser Plattform kann es dann erweiterte Servicemodelle für Bestandskunden geben: beispielsweise umfangreiche Kundenbindungsprogramme wie Foren oder zusätzliche Mehrwerte wie Studien oder Anwendervideos. Eine andere Strategie: der Aufbau einer alternativen B2B-Plattform. Nur wenige E-Commerce-Händler haben sich bisher daran versucht. Mercateo ist einer von ihnen. Seit drei Jahren arbeitet das Beschaffungsunternehmen an einer branchenübergreifenden B2B-Vernetzungsplattform mit Transaktionsfunktion. Unternehmen können hier ein Netzwerk mit ihren persönlichen Lieferanten aufbauen und direkt online bestellen.
Amazon Business

Eine Alternative zu Amazon Business: Mercateo

Heißt: Zahnärzte können hier ohne Online-Suche oder Neuverhandlungen ihre Lieferanten kontaktieren und profitieren von der Infrastruktur einer Plattform – und das Ganze ohne die eher wenig willkommene Preistransparenz. Das klingt nach einer Strategie, die Zahnmedizinern gefallen könnte. Denn bei aller Effizienz und perfektionierter Customer Journey schätzen sie dennoch die Verlässlichkeit einer nachhaltigen Geschäftsbeziehung, die auf Produktqualität und individuellem Service basiert. Genau das ist die Geheimwaffe des Dentalhandels: Man kennt seine Kunden, ihre Bedürfnisse und ihre Eigenarten – und das in vielen Fällen sogar persönlich. Darauf kann der Handel sich nicht ausruhen. Aber unterschätzen sollte man das auch nicht.
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