Ohne den Mittelstand wäre die deutsche Wirtschaft und mit ihr die Dentalbranche nicht vorstellbar. Trotz seiner enormen Bedeutung hat er immer mehr mit globalwirtschaftlichen und politischen Stolpersteinen zu kämpfen. Eine Bestandsaufnahme.
Der deutsche Mittelstand, das sind
3,64 Millionen kleine und mittlere Unternehmen (
99,6 Prozent aller umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen), die
35,3 Prozent aller steuerbaren Umsätze erwirtschaften und in denen
58,8 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten angestellt sind*.
Diese Zahlen belegen eindrucksvoll:
Nicht die Großindustrie ist der Motor, der die Wirtschaft antreibt – es ist der Mittelstand. Seit jeher kommt ihm eine immense volkswirtschaftliche Bedeutung zu. Als größter Arbeitgeber stellt er sicher, dass zigtausende Menschen in den verschiedenen Regionen der Bundesrepublik in Lohn und Brot stehen. Man ist ganz nah dran am Menschen.
Nähe und Qualität
Das spürt man in der Regel auch bei der Qualität der Produkte.
Nicht umsonst gilt das Prädikat „Made in Germany“ weltweit als Gütesiegel. Inhabergeführte Unternehmen mit überschaubarer Größe wie in der Dentalbranche, die selbst entwickeln und fertigen, hören ihren Kunden meist ganz genau zu – weil sie von Angesicht zu Angesicht mit ihnen kommunizieren. Auf Augenhöhe. So entstehen Instrumente, Geräte und Materialien nicht nur für den Verbraucher, sondern mit dem Verbraucher. Mittelständische Dienstleister gründen ihre Kundenbeziehung auf jahrelang gewachsener, gegenseitiger Vertrauensbasis und Nähe.
Wir sprachen mit zwei Vertretern des dentalen Mittelstands in Deutschland – hier können Sie gleich zu den Interviews mit Michael Roos und Martin Dürrstein springen!Herausforderungen der heutigen Zeit
Mittelständische Unternehmen grenzen sich einerseits durch ihre Größe von Großunternehmen ab, andererseits durch die Verflechtung von Unternehmer zu Unternehmen. Idealtypisch spiegelt sich diese laut
Institut für Mittelstandsforschung (IfM Bonn) in der Einheit von Eigentum, Leitung, Haftung und Risiko wider.
Damit ist der Mittelstand etwas für Deutschland Einzigartiges – im Englischen und Spanischen gibt es nicht einmal eine äquivalente Übersetzung für den Terminus.
Etwa 95 Prozent der in Deutschland ansässigen Betriebe und Unternehmen werden als Familienunternehmen geführt. Auch im Dentalmarkt blicken viele Hersteller und Händler auf eine lange Tradition zurück, einige existieren bereits seit über 100 Jahren. Doch nicht alle halten dem Druck oder der Versuchung stand, ihr Erbe in die Hände internationaler Konzerne aus den USA oder Asien zu legen. Ob das für die Unternehmen, Mitarbeiter, Produkte und Kunden ein Gewinn- oder Verlustgeschäft ist, bleibt stets eine Einzelfallentscheidung.
Die Schere zwischen den internationalen Unternehmensgruppen und dem Mittelstand scheint sich jedenfalls immer weiter zu öffnen.Mittelstand zwischen Tradition und Innovation
Die dentalen Mittelständler müssen einen fortwährenden Spagat zwischen Tradition und Innovation, zwischen menschlicher Nähe und technologischem Fortschritt bewältigen.
Globalisierung und Digitalisierung haben in den letzten zwei Jahrzehnten neue Wettbewerbssituationen erschaffen. Zuverlässigkeit, Transparenz und Nähe sind Werte, die der Kunde zwar erwartet, die aber durch erhöhten Druck auf die Branche nicht mehr 100-prozentig garantiert werden können. Doch nicht nur die Trends des globalen Wirtschaftsgeschehens stellen den dentalen Mittelstand vor Herausforderungen.
Die neue Hürde: EU-Medizinproduktegesetz
Im Normalfall können mittelständische Dentalunternehmen schnell auf die veränderten Bedürfnisse ihrer Kunden reagieren. Das Feedback der Anwender wird in der unternehmenseigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilung in neue, innovative Produkte umgewandelt.
Allerdings droht in Zukunft die Maschinerie der Bürokratie diese Flexibilität und den Innovationsgeist auszuhebeln. Die
Novellierung der europäischen Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation, kurz MDR) wird die mittelständischen Unternehmen vor Probleme stellen, da ist man sich in der Branche sicher. Zwar ist die Zulassung und Überwachung von Medizinprodukten in Deutschland schon heute an strenge Auflagen geknüpft, doch mit den neuen Vorgaben kommt ein vielfach höherer bürokratischer Aufwand auf die Unternehmen zu – den wahrscheinlich nicht alle personell und finanziell stemmen können.
Was treibt die Unternehmer an, weiterhin an ihrer Tradition fest und die Fahne für den deutschen Mittelstand hochzuhalten? Wir sprachen mit dem Geschäftsführer und dem Vorstandsvorsitzenden zweier Firmen über die aktuellen wirtschaftspolitischen Entwicklungen und die neuen dentalspezifischen Hürden.
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Zahlen des IfM Bonn für das Jahr 2016
Michael Roos, Inhaber und Geschäftsführer Roos Dental
Michael Roos,
Inhaber Roos Dental
© Roos Dental
Health Relations: Herr Roos, wie setzen Sie sich als mittelständisches Depot gegen die großen Global Player im Markt durch?Michael Roos: Wir punkten nicht mit schierer Größe, sondern mit dem, was den sogenannten Global Playern (leider) oft fehlt – mit Kundennähe. Das spüren unsere Kunden bei jedem Kontakt mit uns. Diese Touchpoints sind immer stärker digital geprägt, wie Mail, Telefon, Messenger. Gleichzeitig behalten wir die "altmodischen" Wege wie Fax und Brief bei. Denn das passt zu uns, zu unserer 45-jährigen Tradition und zu unseren Kunden. Wir möchten jeden Kunden wertschätzen, aber gleichzeitig Roos Dental für die Zukunft fit machen. Unser Motto für 2017 lautet "Roos Dental – Wandel in Zukunft".
Health Relations: Welche Rolle spielen dabei die Nähe zu den Kunden und die direkte Ansprache?Michael Roos: Die Nähe zum Kunden ist uns ausgesprochen wichtig, denn Entscheidungen werden nicht nur über den Preis getroffen. Unser Kunde soll einen erlebbaren Mehrwert mit in den Praxisalltag nehmen. Darum bieten wir Praxis-Workshops in unseren Räumen an, die wir mehrmals im Jahr als Hands-on-Kurse durchführen. Außerdem haben wir einen Showroom, der dieses Jahr noch erweitert und verschönert wird. Hier können Sattelsitze probegesessen und Geräte und Trolleys getestet werden. Es kamen schon Kunden aus Aachen, Bonn und den Niederlanden, und für ein Fachgespräch bei einer Tasse Kaffee nehmen wir uns immer Zeit.
Health Relations: Wie wichtig sind neue Ideen und Weiterentwicklung des Angebots? Welche Strategie fährt Roos Dental in dieser Hinsicht?Michael Roos: Zum einen müssen wir Trends und Entwicklungen beobachten. Hier fordern und fördern wir unser Team, u. a. mit Messebesuchen, Produktschulungen, internen Workshops, Fachliteratur sowie dem Austausch mit Kunden. Zum anderen müssen wir diese Trends in Abläufe, Angebot und Service integrieren.
Ein Trend ist die digitale Transformation. Wir merken, dass Kunden auf immer mehr Wegen zu uns finden. Das sind nicht nur E-Mail, Fax oder Telefon.
Inzwischen sind Messenger-Anfragen genauso Alltag wie Nachrichten über Facebook Inzwischen sind Messenger-Anfragen genauso Alltag wie Nachrichten über Facebook oder über unseren E-Mail-Newsletter. Unser Katalog, gedruckt und digital, wird in Kürze von einem neuen Onlineshop ergänzt. Dieser wird komfortabler, einfacher, übersichtlicher.
Bei allen kundenorientierten Maßnahmen ist uns auch das Dentalteam wichtig. Mit Teambuilding, Verbesserungsprozessen, Ideenworkshops und weiteren Maßnahmen formen wir ein starkes, aktives und motiviertes Team. Ich bin überzeugt: Wir sind nur so gut, wie unsere Mitarbeiter das Unternehmen tragen, formen und entwickeln. Darauf setzen wir jetzt und in Zukunft.
Martin Dürrstein, Vorstandsvorsitzender der Dürr Dental AG
Martin Dürrstein, Vorstandsvorsitzender
Dürr Dental AG
© Dürr Dental
Health Relations: Herr Dürrstein, können Sie bitte kurz beschreiben, wie sich Dürr Dental in der deutschen Dentallandschaft positioniert?Martin Dürrstein: Wir sehen uns als Familienunternehmen, das Zahnärzten und Kliniken hochwertige Produkte für die Bereiche bildgebende Diagnostik, Praxisversorgung, Hygiene und Prophylaxe anbietet. Hierbei setzen wir auf Systemlösungen, die den Workflow von der Diagnostik bis zur Behandlung verbessern.
Health Relations: Was unterscheidet ein Familienunternehmen wie Dürr Dental von anderen Playern im Markt?Als Familienunternehmen verfolgen wir eine langfristig angelegte Firmenpolitik, weil wir nicht unter dem Erfolgsdruck der Quartale stehenMartin Dürrstein: Als Familienunternehmen verfolgen wir eine langfristig angelegte Firmenpolitik, weil wir nicht unter dem Erfolgsdruck der Quartale stehen. So engagiert sich Dürr Dental beispielsweise stark auf dem Gebiet Forschung und Entwicklung. Mit einer Investitionsquote von neun Prozent des Umsatzes liegt das Unternehmen hierbei über dem Branchendurchschnitt. Kurze Entscheidungswege gehören ebenfalls zur Firmenphilosophie von Dürr Dental.
Health Relations: Warum sind für Sie die regionale Verwurzelung und das Festhalten an tradierten Werten wichtig?Martin Dürrstein: Regionale Verwurzelung hat etwas mit unserer Identität und dem Gütesiegel "Made in Germany" zu tun – ebenso wie die christlichen Werte, die für Dürr Dental von Bedeutung sind. Die hierauf basierende ethische Ausrichtung dient als Rückgrat für unser Selbstverständnis als Familienunternehmen.
Health Relations: Gibt es spezielle Herausforderungen, mit denen Sie sich als Unternehmenserbe in dritter Generation konfrontiert sehen?Martin Dürrstein: Neben der grundsätzlichen Aufgabe, das Unternehmen wirtschaftlich voranzubringen, gilt es auch, soziale Verantwortung zu leben. Dürr Dental liegt hierbei besonders der Bereich der medizinischen Hilfe am Herzen. Wir unterstützen seit 15 Jahren die Hilfsorganisation
Mercy Ships, die in Afrika mit der Africa Mercy das größte private Hospitalschiff betreibt. Als Bekenntnis zur Region bildet außerdem die Förderung ansässiger Sportvereine einen Schwerpunkt.
Health Relations: Wie werden Sie sich aufstellen, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein und gleichzeitig Ihrer Unternehmensphilosophie treu zu bleiben?Martin Dürrstein: Dürr Dental steht für Innovation made in Germany. Deshalb streben wir an, die Forschung und Entwicklung kontinuierlich weiter auszubauen und gleichzeitig der Unternehmensphilosophie treu zu bleiben. Mit Medizintechnik in höchster Qualität werden wir auch in Zukunft unserer Verantwortung als Markenanbieter gerecht werden.
Vielen Dank für die Einblicke!Beitragsbild © fotolia.com/motorradcbr