Die Zahnmedizinbranche befindet sich im Umbruch. Derzeit gründen immer mehr Investoren Zahnarztketten und reine Zahnarzt-MVZs. Health Relations hat nachgefragt, was das für den Markt bedeutet.
Das Konzept hinter den Neugründungen ist wie folgt:
Investoren kaufen marode Krankenhäuser auf. Diese werden zu reinen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) umgebaut, indem ausgewählte Zahnarztpraxen an sie angeschlossen werden. Diese müssen den Vorgaben der Investoren entsprechen. Die Verträge werden vor der Unterschrift von Wirtschaftsprüfern kontrolliert.
BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel
© axentis.de / Lopata
Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) kritisiert dieses Vorgehen. Sie fürchtet, dass die Investoren wirtschaftliche Interessen vor die adäquate Versorgung der Patienten stellen und lehnt "Einflussnahme von Fremdinvestoren auf das Gesundheitswesen" ab, wie der BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel jüngst auf dem Deutschen Zahnärztetag in Frankfurt betonte. "Grundpfeiler unserer freien Berufsausübung sind Weisungsunabhängigkeit, ethische Verpflichtung und Gemeinwohlauftrag. Das sind für diese Investoren Fremdwörter – was für sie zählt, ist die Gewinnmaximierung und die höchstmögliche Verzinsung des Kapitals", stellte Engel unmissverständlich klar.
Milliardenschwere Investoren
Viele der Investoren sind
internationale Großunternehmen mit viel Kapital. Sie kommen aus den USA, den Niederlanden oder Schweden. Fondsgesellschaften wie die schwedische
Altor Equity Partners und der ebenfalls aus Schweden kommen Finanzinvestor
EQT haben bereits im deutschen Markt Fuß gefasst.
Die Investoren arbeiten in großem Stil. So kommt etwa laut
Spiegel-Recherchen die niederländische
DentConnect-Gruppe, die zu EQT gehört, auf mehr als 220 Zahnarztpraxen in fünf Ländern, beschäftigt mehr als 850 Zahnärzte und verzeichnet nahezu eine Million Patienten. Ein Investor,
der derzeit in Deutschland aktiv nach Zahnärzten sucht, die ihm ihre Praxen verkaufen, ist die
Colosseum Dental Group. Das Unternehmen ist ebenfalls äußerst finanzstark.
Thomas Bäumer ist CEO der Colosseum Dental Deutschland GmbH, © Colosseum Dental Deutschland
Nach England, Teilen Skandinaviens, der Schweiz und Italien, baut Colosseum Dental nun auch in Deutschland einen Praxisverbund auf. Die Colosseum Dental Deutschland ist eine 100%ige Tochter der Colosseum AG (Zürich). Die Colosseum AG wiederum gehört zur Jacobs Holding AG. Diese investiert in das strategische Ziel, einen europaweit führenden Praxisverbund für Zahnheilkunde aufzubauen. Bereits in sieben europäischen Ländern gehören über 220 Praxen mit rund 1000 Zahnärzten und ein Umsatzvolumen von mehr als 350 Mio. Euro in das Portfolio.
Investoren suchen Praxen genau aus
Für Zahnärzte sieht das Unternehmen viele Vorteile, in ihrem Praxisverbund zu arbeiten. "In der Struktur des Verbundes lassen sich diese Herausforderungen leichter stemmen als in einer Einzelpraxis", findet Thomas Bäumer, CEO der Colosseum Dental Deutschland GmbH, und weist darauf hin, dass die Firma in ihrem Praxisnetzwerk auf viele Synergien zurückgreifen könne.
Bei der Übernahme der Praxen verfolgt die Firma, wie die meisten anderen Investoren auch, den Ansatz,
bereits etablierte und qualitativ hochwertige Zahnarztpraxen zu übernehmen und in den Praxisverbund zu integrieren. Die Zahnärzte behielten dabei ihre ärztliche Unabhängigkeit und würden unternehmerisch in einen effizienten Verbund integriert, so Bäumer.
Sorge wegen Unterversorgung abgelegener Regionen
Während die Bundeszahnärztekammer eine
Unterversorgung im ländlichen Raum befürchtet, gibt die Colosseum Dental Group an, sich als Ärztenetz gegen eben jene Versorgungslücken einsetzen zu wollen. "Unsere Ausrichtung ist die eines langfristig orientierten Investors, denn für uns steht die nachhaltig flächendeckende, zahnärztliche Versorgung im Fokus", sagt Bäumer.
Bei Zahnärzten, die über eine Anstellung in den Praxisnetzen nachdenken, werben die Investoren mit
ökonomischer Sicherheit, beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten und attraktiven, flexiblen Arbeitszeitmodellen. Praxisinhaber locken sie mit dem Versprechen, sich nicht mehr über die Suche nach einem Nachfolger Gedanken machen zu müssen. Nicht wenige haben
Probleme, jemanden zu finden, der die Praxis übernimmt, denn junge Zahnmediziner scheuen oft die Herausforderungen einer eigenen Praxisgründung
– was auch an dem hohen Frauenanteil in der Zahnmedizin liegt.
Dass die Investoren mit ihren Angeboten
auf offene Ohren stoßen könnten, belegt eine
Umfrage der apoBank unter 150 Ärzten, Zahnärzten und Apothekern. Unter anderem wurden die Ärzte und Zahnärzte auch nach der Bereitschaft gefragt, Praxen an nichtärztliche Investoren zu verkaufen. Das Ergebnis: 39 Prozent der Zahnärzte konnten sich das durchaus vorstellen. Ebenso viele (39 Prozent) waren zumindest nicht abgeneigt und waren bereit, dies im Einzelfall zu entscheiden. Völlig dagegen waren lediglich 23 Prozent.
Der Dachverband der Europäischen Zahnärzte (CED) äußerte sich kürzlich auch zu dem Thema und gab zu bedenken, dass wenn Ketten oder Kapitalgesellschaften, die die zahnmedizinische Versorgung einer Region ganz oder teilweise sicherstellen, ihre Tätigkeit einstellen müssen, ein akutes Versorgungsrisiko bestehe. Der Verband plädiert daher dafür,
dass diese Ketten nur von Zahnärzten geleitet werden, die auch in den Unternehmen arbeiten. In Sachen Zahnarztketten ist also noch nicht das letzte Wort gesprochen, sicher ist aber, dass sich der bestehende Markt weiter verändern wird.