Noch immer erkranken viele Menschen an Parodontitis. Dabei kann man viel tun, um der Erkrankung vorzubeugen. Damit Zahnärzte und Patienten für das Thema sensibilisiert werden, hat die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DG PARO) eine Plakataktion durchgeführt – mit flankierenden digitalen Tools.
Unter dem Motto "Wir helfen Ihren Zähnen, Haltung zu bewahren" zielt die Parodontitis-Kampagne der DG PARO auf frühzeitige Diagnostik, Selbsttestmöglichkeiten für Patienten und das systematische Screening in der Zahnarztpraxis. Wir haben die Präsidentin elect der DG PARO, Priv.-Doz. Dr. Bettina Dannewitz gefragt, welches Ziel die DG PARO mit der Kampagne verfolgt und welche Rolle digitale Medien dabei spielen.
Health Relations: Am Europäischen Tag der Parodontologie am 12. Mai haben Sie auch in diesem Jahr eine Plakataktion durchgeführt. Mit welchem Ziel?Dr. Bettina Dannewitz: Mit der Kampagne zum Europäischen Tag der Parodontologie möchte die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie umfassend über Parodontitis aufklären und Zahnmediziner wie auch Patienten für diese Erkrankung sensibilisieren. Die DG PARO unterstützt diesen 2014 von der European Federation of Periodontology (EFP) ins Leben gerufenen Aktionstag bereits zum dritten Mal mit vielfältigen Aktionen und einer deutschlandweiten Kampagne. Neben der Plakataktion gibt es zahlreiche Angebote wie Videos, Broschüren und eine Selbsttest-App für Patienten, aber auch Vor-Ort-Aktionen in Universitätskliniken und Einkaufszentren.
MISO Grafikdesign, Olga Morina
Health Relations: Auf was wollten Sie aufmerksam machen?Dr. Bettina Dannewitz: Parodontitis ist eine Volkskrankheit, die noch immer viel zu selten oder zu spät erkannt und behandelt wird. Dabei gehört die Entzündung des Zahnhalteapparates zu den häufigsten chronischen Erkrankungen weltweit – in Deutschland leiden etwa 11,5 Millionen Menschen an einer schweren Form der Parodontitis. Unbehandelt kann sie zu Zahnverlust führen und Auswirkungen auf die Allgemeingesundheit haben. Die größten Risiken sind mangelhafte Mundhygiene und Rauchen. Auch bestimmte Allgemeinerkrankungen wie Diabetes können sich negativ auf die Mundgesundheit auswirken. Hinzu kommen eine unausgewogene Ernährung und Bewegungsmangel als Risikofaktoren. Für Patienten ist es wichtig, Warnsignale für eine mögliche Parodontitis zu kennen und bei ersten Anzeichen den Zahnarzt aufzusuchen. Zu diesen Anzeichen gehören Zahnfleischbluten, gerötetes und geschwollenes Zahnfleisch, Mundgeruch, eine Lockerung und Stellungsänderungen der Zähne.
Health Relations: Welche Aufgabe fällt dabei den Zahnärzten zu?Dr. Bettina Dannewitz: Unsere Schwerpunkte in der Aufklärung über Parodontitis liegen auf frühzeitiger Diagnostik, den Selbsttestmöglichkeiten für Patienten und dem systematischen Screening in der Zahnarztpraxis. Die Selbstwahrnehmung der Patienten ist häufig mangelhaft, und die Erkrankung wird zu spät oder gar nicht erkannt. Jeder Zahnarzt kann mit einer Früherkennungsuntersuchung des Zahnfleischs den Gesundheitszustand des Zahnhalteapparates überprüfen. Dieser Parodontale Screening Index (PSI) dauert nur wenige Minuten, ist kaum spürbar und ermöglicht, die Erkrankung früh zu erkennen. Die Kosten für das Screening übernimmt die gesetzliche Krankenkasse alle zwei Jahre.
Der ParoPass der Initiative „Stoppt Parodontitis“ bietet eine weitere sinnvolle Unterstützung für die Dokumentation und Kommunikation mit dem Patienten – hier können die PSI-Codes eingetragen und mit Handlungsempfehlungen ergänzt werden. Die Zahlen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung zeigen, dass der PSI mittlerweile sehr häufig in den Praxen zur Anwendung kommt. Trotzdem wird noch zu wenig Parodontitistherapie in Deutschland gemacht. Karies und Parodontitis sind die häufigsten Erkrankungen in der Mundhöhle. Wir können Parodontitis als Volkskrankheit nur begegnen, wenn alle rund 71.000 Zahnärztinnen und Zahnärzte in Deutschland ihren wertvollen Beitrag dazu leisten. Die Behandlung von Parodontitis, zumindest bis zu einem gewissen Schweregrad, muss genauso wie die Therapie von Karies in das Behandlungsrepertoire jedes Zahnarztes gehören.
Health Relations: Sie haben bei der Kampagne nicht nur ein Plakat eingesetzt, sondern auch Videos. Was sollen die Videos vermitteln und welchen Mehrwert haben sie für den Zahnarzt?Dr. Bettina Dannewitz: In den Videos erhalten Patienten zum Beispiel Tipps für die tägliche Mundhygiene oder Informationen zum PSI. Außerdem gibt es kurze Filme, in denen Parodontitis-Patienten eindrücklich von ihrem Leben mit der Erkrankung erzählen. Im Film „Der Mund – Spiegel der Gesundheit“ werden die Zusammenhänge zwischen Mundgesundheit und Allgemeingesundheit sehr anschaulich erläutert. Das Video wurde in den Niederlanden produziert und mit freundlicher Genehmigung der Vereniging Medisch Tandheelkundige Interactie und KNMT Fonds Mondgezondheid durch die DG PARO übersetzt. All diese filmischen Beiträge richten sich in erster Linie an Patienten und können die Zahnärzte daher sinnvoll in ihrer Aufklärungsarbeit unterstützen.
Health Relations: Neben diesen beiden Elementen bieten Sie auch eine App an, mit deren Hilfe die Patienten mehr Eigeninitiative entwickeln sollen. Welche Rolle spielen digitale Lösungen wie Apps bei solchen Vorhaben?Dr. Bettina Dannewitz: Mit der Selbsttest-App zu Parodontitis (im App Store und bei Google Play) gibt die DG PARO Patienten ein unkompliziertes und verlässliches Instrument an die Hand. Die Antworten zu insgesamt sechs Faktoren wie etwa Alter, Geschlecht oder Zahnfleischbluten werden mit Punkten bewertet. Je höher der Wert, desto höher das Parodontitis-Risiko. Mit solchen digitalen Lösungen können Patienten ohne großen Zeitaufwand das eigene Risiko testen, bei entsprechendem Ergebnis einen Zahnarzt aufsuchen und mit ihm alle weiteren Schritte besprechen. Sozusagen als analoges Pendant stellt die DG PARO auf ihrer Website übrigens auch einen Selbsttest-Fragebogen für allgemeinärztliche, gynäkologische oder diabetologische Praxen zum Download zur Verfügung. Der Fragebogen kann im Wartezimmer ausgefüllt werden und ist eine gute Basis für das Gespräch mit dem Arzt, der je nach Ergebnis die Empfehlung aussprechen kann, den Zahnarzt zu konsultieren.
Health Relations: Wie wichtig sind die digitalen Kanäle bei Aktionen wie der aktuellen Aufklärungsaktion? Sind sie überhaupt noch wegzudenken?Dr. Bettina Dannewitz: Nein, digitale Kanäle gehören zu unserer heutigen Welt einfach dazu – ob beruflich oder privat. Aus meiner Sicht können sich die verschiedenen Formate optimal ergänzen. Das Ziel der DG PARO ist es, Zahnmedizinern und Patienten multimediale Angebote bereitzustellen, so dass jeder wählen kann, welche Informationen er oder sie auf welchem Wege bekommen möchte. Gedruckt, mobil oder auf dem PC.
Health Relations: Was bedeutet das für Zahnärzte? Müssen sie auch mehr in die digitale Richtung denken?Dr. Bettina Dannewitz: Wir beobachten in den letzten Jahren in den Zahnarztpraxen und auch auf dem Fortbildungsmarkt einen Trend zur Digitalisierung. Zum Beispiel verfügen immer mehr Praxen über professionelle Websites – die DG PARO bietet ihren Mitgliedern daher vielfältiges digitales Material, das diese für ihre eigenen Praxishomepages bzw. ihre Pressearbeit nutzen können. Zudem werden immer mehr Informationen für Patienten digital zur Verfügung gestellt, Fortbildungen für Fachpersonal finden zunehmend auch in Form von Webinaren und Online-Konferenzen statt, und vieles mehr. Das können aber alles nur flankierende Maßnahmen sein: Letztlich steht für uns nach wie vor das persönliche Verhältnis zwischen Praxisteam und Patient im Vordergrund, um die individuell abgestimmte, bestmögliche Behandlung zu garantieren. Und das wird auch weiterhin nur analog möglich sein.
PD Dr. Bettina Dannewitz ist die Präsidentin elect der DG PARO. Die Spezialistin für Parodontologie ist in einer Gemeinschaftspraxis in Weilburg niedergelassen und als Mitarbeiterin der Poliklinik für Parodontologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main auch wissenschaftlich engagiert.