Während andere Unternehmen noch um die Zulassung als verschreibungsfähiges Medizinprodukt kämpfen, hat die GAIA AG gerade die sechste DiGA auf den Markt gebracht. Das Besondere: Die Verordnungsdauer für die neueste App auf Rezept gilt für ein Jahr. Sonst üblich sind 90 Tage. Was ist das Erfolgsrezept des Digital Health Unternehmens?
In diesem Artikel lesen Sie:
• die
Gründe für die längere DiGA-Verordnungsdauer der neuen Gesundheits-App levidex
• über
Learnings und Tipps des CCO der GAIA AG für den DiGA-Launch
• Was
Patienten und Patientinnen von einer DiGA wollen
• Worauf
Ärzte und Ärztinnen bei einer DiGA Wert legen
• Wie es um die
Relevanz Digitaler Gesundheitsanwendungen im Alltag steht
Patient:innen wollen immer aktiver eingebunden werden, wenn es um ihre Gesundheit geht. Digitale Gesundheitsanwendungen – kurz
DiGA – sind auf dem Weg zum mündigeren Patient:innen ein wichtiger Schritt, davon ist Stan Sugarman, Chief Commercial Officer der GAIA AG, überzeugt. Das Hamburger Unternehmen entwickelt seit mehr als 20 Jahren
digitale Gesundheitsprodukte.
Sechs DiGA hat GAIA in Deutschland bereits gelauncht. Inzwischen gibt es im Portfolio der Firma Digitale Gesundheitsanwendungen zur Behandlung von Depressionen, zur Begleitung von Angststörungen, für Menschen mit chronischer Erschöpfung bei MS, zur Nachsorge bei Brustkrebs und für Alkoholkranke.
Erst im Januar bestand die neueste Gesundheits-App des Digital Health Unternehmens das langwierige
Prüfungsverfahren beim
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Seither ist mit „
levidex“ nun ein weiterer digitaler Therapiebegleiter für Menschen mit Multipler Sklerose (MS) erhältlich.
Gründe für die längere DiGA-Verordnungsdauer
Die jüngst zugelassene
App auf Rezept hat eine Verordnungsdauer für ein Jahr erhalten. Üblich sind gewöhnlich 90 Tage. Da es sich bei Multipler Sklerose um eine chronische, nicht heilbare Erkrankung handelt, wollte das Unternehmen Betroffenen langfristige Unterstützung bieten. GAIA beantragte daher eine längere Verordnungsdauer beim BfArM – und bekam sie.
Für Stan Sugarman eine logische Konsequenz in Anbetracht des langfristigen Unterstützungsbedarfs, der die Erkrankung mit sich bringt. „Betroffenen wird es so deutlich einfacher gemacht, als wenn sie sich alle 90 Tage um eine neue Verschreibung kümmern müssen“, so der Chief Commercial Officer der GAIA AG.
Die DiGA kann – nach seiner Aussage –
auch nach Ablauf des Jahres weiter genutzt werden. Voraussetzung ist: Die Patienten oder Patientinnen wählen sich regelmäßig in das Programm ein.
Kein einfacher Weg von der App zum Medizinprodukt
Von der Entwicklung bis zur Marktreife braucht eine Gesundheits-App auch bei GAIA meist mehrere Jahre. Der Weg ist nicht einfach (Lesen Sie dazu auch unseren
Artikel "DiGA - ein Zwischenstand"). Das BfArM prüft Sicherheit, Leistung, Datenschutz, medizinische Qualität und Funktionstauglichkeit.
Die wohl größte Hürde ist der wissenschaftliche Nachweis zu einem positiven Versorgungseffekt. Das weiß auch Stan Sugarman: „Einen Versorgungseffekt nachzuweisen, ist niemals simpel. Und der Prozess ist kaum kalkulierbar. Denn vor der Studie wissen Sie nicht, wie die Ergebnisse ausfallen.“
Dennoch hat das Hamburger Digital Health Unternehmen seit 2020 viele Gesundheits-Apps durch das
Prüfungsverfahren gebracht. Welche Tipps hat der Chief Commercial Officer der GAIA AG für die DiGA-Entwicklung?
Learnings und Tipps für den DiGA-Launch
„Sie benötigen Mediziner und Medizinerinnen bzw. Psychologen und Psychologinnen, die Erfahrung in der Behandlung der entsprechenden Erkrankung mitbringen“, erklärt Stan Sugarman. „Hinzu kommen wissenschaftliche Mitarbeitende, die sich ganz auf die Studien konzentrieren. Außerdem: Technologie-Experten für die App-Entwicklung, Daten- und Datenschutz-Spezialisten sowie Kommunikationsprofis, die Sie von der Content-Erstellung bis zur Vermarktung begleiten – um nur einige Beispiele zu nennen.“
Darüber hinaus sei langer Atem wichtig. „Das bedeutet auch, dass sehr viel Kapital notwendig ist – auch für den Fall, dass die Zulassung nicht sofort gelingt“, so der CCO.
Das Entscheidendste bei der DiGA-Entwicklung sei es aber, ein funktionierendes, interdisziplinäres Team zu haben. „Am Ende muss das richtige Team dafür sorgen, dass eine digitale Therapieoption die
Prüfungskriterien erfüllt und bei Patienten und Patientinnen auch ankommt. Denn: Schließlich entscheidet die Zielgruppe über den langfristigen Erfolg einer Digitalen Gesundheitsanwendung."
Was wollen Patient:innen von einer DiGA?
„Aus Patienten- bzw. Patientinnensicht kommt ein wichtiger Erfolgsfaktor hinzu, und das ist die Niedrigschwelligkeit“, betont Stan Sugarman. „DiGA müssen nutzerfreundlich und möglichst selbsterklärend sein.“
Auf den Alltag übertragen heißt das so viel wie: Patient:innen müssen sich bei der Anwendung wohlfühlen und die App als Teil ihres Alltags zu schätzen wissen. Löst die Nutzung eher Frust aus oder vermissen sie Funktionen, wird die DiGA langfristig keinen Erfolg haben.
GAIA legt daher bei jeder App-Entwicklung den Fokus darauf, den
Zugang und die Dialoge so einfach wie möglich zu gestalten. „Die Betroffenen wollen eine effektive Unterstützung, bei der sie ohne große Umwege mit entsprechenden Übungen und Maßnahmen starten können“, so Stan Sugarman.
Dementsprechend achtete das Digital-Unternehmen auch bei der neuesten Medizin-App „levidex“ darauf, dass diese niedrigschwellig in der Handhabung ist und nur minimale Anforderungen an technische
Fähigkeiten stellt. Auch die Zugänglichkeit hat das Unternehmen möglichst einfach gestaltet: So können Betroffene die DiGA sowohl via Smartphone als auch auf dem Tablet oder Computer verwenden.
Worauf legen Ärzte und Ärztinnen bei einer DiGA Wert?
Auch in Fachkreisen spielt die Nutzerfreundlichkeit einer DiGA eine Rolle. Der Grund liegt für Stan Sugarman auf der Hand: „Im Praxisalltag ist schlichtweg nicht die Zeit, um Patienten und Patientinnen zu erklären, wie eine DiGA funktioniert.“
An erster Stelle steht für die Ärzte und Ärztinnen – laut dem CCO – allerdings die Wirksamkeit. Eine
aktuelle Studie der Stiftung Gesundheit gibt ihm Recht. Hiernach ist
für rund zwei Drittel der Ärzt:innen die klinische Evidenz einer DiGA ausschlaggebend.
Das sind die zugelassenen DiGA der GAIA AG
deprexis – dauerhaft aufgenommen: zur Behandlung von Depressionen
elevida – dauerhaft aufgenommen: für Menschen mit chronischer Erschöpfung bei Multipler Sklerose (MS)
velibra – dauerhaft aufgenommen: bei Panik- und Angststörungen
optimune – vorläufig aufgenommen: bei Brustkrebs
vorvida – dauerhaft aufgenommen: zur Reduzierung übermäßigen Alkoholkonsums
levidex – vorläufig aufgenommen: zur Unterstützung für Multiple-Sklerose-Patient:innen
Sind Digitale Gesundheitsanwendungen im Alltag angekommen?
Aktuell gibt es 42 DiGA, die es in das BfMA-Verzeichnis geschafft haben. Die Liste der erstattungsfähigen digitalen Anwendungen wächst. Und auch die Nutzung ist – laut dem
„E-Health Monitor 2022“ des Beratungsunternehmens McKinsey – im ersten Halbjahr des letzten Jahres deutlich gestiegen.
Das Bewusstsein für die digitalen Möglichkeiten scheint also in der Ärzteschaft und damit langfristig auch in der Öffentlichkeit zuzunehmen. Die Aufmerksamkeit für DiGA zu steigern, bleibt dennoch eine anspruchsvolle Aufgabe für Healthcare-Unternehmen.
Wie lässt sich die Begeisterung für DiGA steigern?
Für Stan Sugarman geht es dabei vor allem um die Aspekte Produktqualität und Kommunikation. „Wenn ein Patient oder eine Ärztin beispielsweise zum ersten Mal von einer DiGA erfahren, müssen sie sofort verstehen, dass diese ein
effektiver und sinnvoller Teil einer Therapie sein kann. Es muss sofort ersichtlich sein, dass die DiGA einfach in den Alltag integrierbar ist und das Potenzial besitzt, bestehende Versorgungslücken zu schließen“, so der CCO. Voraussetzung ist allerdings, dass die DiGA dieses Versprechen bei der Anwendung dann auch halten kann.
Fazit: Erfolgsfaktoren bei der DiGA-Entwicklung
Das Digital Health Unternehmen GAIA hat bereits viel Erfahrung mit dem Launch von DiGA gesammelt. Erfolgsfaktoren in der Entwicklung sind – laut dem CCO Stan Sugarman – zum einen langer Atem, ausreichend Kapital und das Wichtigste: ein interdisziplinäres Team. Zum anderen müssen
erfolgreiche Gesundheits-Apps niedrigschwellig und selbsterklärend funktionieren, damit Patienten und Patientinnen sie auch nutzen.
Bei Ärzt:innen steht die Wirksamkeit einer DiGA an erster Stelle. Eine Studie der Stiftung Gesundheit vom November 2022 zeigt, dass für rund zwei Drittel der Ärzt:innen die klinische Evidenz einer DiGA ausschlaggebend ist. Aber ebenso wie für die Patient:innen hat auch für sie die Nutzerfreundlichkeit einen hohen Stellenwert.